chrismon: Wie genau können Bilderbücher Kindern im Umgang mit Tod und Trauer helfen?
Wiebke Mandalka: Gut gemachte Bilderbücher bieten einen Einstieg in das Thema. Sie geben Kindern die Möglichkeit, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Dabei sind sie nicht nur für Kinder hilfreich, sondern auch für Erwachsene, um mit den Kindern über Tod und Trauer ins Gespräch zu kommen. Das Gespräch selbst können sie Erwachsenen aber nicht abnehmen, sie sind eine gute Hilfestellung.
Was macht ein gutes Bilderbuch diesbezüglich aus?
Ein gut gemachtes Bilderbuch ist nicht nur durch sprachliche und grafische Gestaltung gelungen, sondern schafft es, die Gefühle der Kinder ernst zu nehmen. Es zeigt, dass es normal und erlaubt ist, wütend zu sein und zu weinen. Dass man aber auch lachen darf und fröhlich sein. Kinder sollen erfahren, dass sie ein Recht auf ihren ganz persönlichen Umgang mit der Trauer haben. Gute Bücher benennen die Realität mit klaren und kindgerechten Sätzen wie "Opa ist gestorben" und verzichten auf verstörende Euphemismen wie "Opa ist eingeschlafen". Gleichzeitig zeigen sie verschiedene Phasen des Trauerns und der Bewältigung auf. Sie trösten, vermitteln Hoffnungsbilder und sind offen für weitergehende Gespräche.
Warum ist "Opa ist eingeschlafen" eine ungute Umschreibung?
Diese Formulierung kann missverstanden werden und in der Folge zu Ängsten, teilweise sogar zu regelrechte Panik vor dem Einschlafen führen.
Gibt es ein bestimmtes Alter, ab wann man mit Kindern über den Tod sprechen sollte?
Hier könnte ich fragen: "Ab wann spreche ich mit Kindern über einen Igel?" Die Antwort ist: Immer dann, wenn sie ihn sehen oder danach fragen. Genauso ist es mit dem Tod. Das kann zum Beispiel bei jedem toten Vogel und jeder toten Nacktschnecke sein, die Kinder auf der Straße sehen. Wenn das Kind fragt, warum der Vogel gestorben ist kann ich zum Beispiel sagen, dass er vielleicht alt oder krank war. Oder ich lasse das Kind selbst überlegen und frage "Was glaubst du denn, warum er tot ist?" Genauso ist es erlaubt zu sagen, dass man keine Antwort auf die Frage hat. Bei Bedarf kann dann gemeinsam nachgedacht oder nachgeforscht werden. Wichtig ist: Erwachsene sollten Thema nicht aus dem Bedürfnis heraus meiden, dass Kind zu schützen. Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihr Kind eines morgens wecken, anziehen und einfach in der Kita abgeben. Ohne jegliche Vorbereitung darauf. Sie können sich das Entsetzen dieses Kindes vorstellen! Man sollte also jede Gelegenheit nutzen, sich diesem Thema zu nähern, denn irgendwann kommt unweigerlich der Ernstfall und dann ist es gut, dem Kind bereits etwas Rüstzeug mit auf den Weg gegeben zu haben.
Im Themenheft schreiben Sie, dass ein gemeinsamer Besuch auf dem Friedhof zu interessanten Entdeckungen führen kann. Welche Entdeckungen können das konkret sein?
Das fängt schon damit an, dass die Atmosphäre auf dem Friedhof eine andere ist als anderswo. Ein Friedhof vermittelt den meisten Menschen ein sehr friedliches Gefühl. Außerdem sieht man unterschiedliche Grabsteine, geschmückte Gräber, Inschriften, Bibelworte und Symbole wie Engel und betende Hände. Über all das kann man mit Kindern sprechen. Gleichzeitig existiert auf dem Friedhof auch Leben. Eichhörnchen da sind ein fester Bestandteil, oftmals gibt es zum Beispiel auch Insektenhotels. All das macht den Friedhof zu einem spannenden Ort des Übergangs.
Sollte ich ein Kind mit auf eine Beerdigung nehmen?
Hier sage ich vorsichtig ja. Wobei es natürlich immer auf das Kind ankommt. Wenn es zum Beispiel unter Stress gerät, kann man das Grab auch zu einem späteren Zeitpunkt besuchen oder einen alternativen Abschied feiern. Wenn ich ein Kind mit auf die Beerdigung nehme ist es wichtig, es darauf vorzubereiten, zu erklären, was auf einer Beerdigung passiert, wie sie abläuft oder wie sie sich gemeinsam verhalten, wenn das Kind traurig wird.
Wie könnte so ein alternativer Abschied aussehen?
Da gibt es viele Möglichkeiten. Man kann gemeinsam eine Trauerkerze gestalten und sie dann anzünden. Oder man packt eine Erinnerungskiste mit Dingen, die man mit dem Verstorbenen in Verbindung bringt. Eine Möglichkeit ist auch einen Brief an die verstorbene Person zu schreiben. Ihn kann man hinterher an einen Luftballon binden und in den Himmel steigen lassen oder als Papierschiffchen auf einen Bach legen. Auch die gemeinsame Grabpflege ist eine gute Möglichkeit in der Trauerarbeit. Überhaupt sind solche kreativen Ausdrucksweisen wichtig. Denn Kinder können Erlebnisse besser verarbeiten, wenn sie das, was sie beschäftigt, gestalterisch in Aktion umsetzen.
Was kann man im Umgang mit Tod und Trauer bei Kindern falsch machen?
Falsch wäre es, das Thema zu komplett zu meiden und die Kinder unvorbereitet auf eine Beerdigung laufen lassen. Erwachsene haben manchmal das Bedürfnis, Kinder vor unschönen Dingen fern zu halten, aber das ist nicht richtig. Falsch wäre ebenso, nicht offen und ehrlich zu sein oder den Tod schönzureden. Wichtig ist es vor allem, den Kindern Gesprächsangebote zu machen und ihnen Raum für eigene Eindrücke und Deutungen zu geben. Gute Bilderbücher berücksichtigen das.
Welche Bücher halten Sie für besonders gelungen?
Das kommt ganz auf den Anlass und die Bedürfnisse des Kindes an, da gibt es leider keine pauschale Antwort. In unserem Themenheft haben wir die empfohlenen Bilderbücher nach Anlässen geordnet, so dass man schnell fündig werden sollte. Meine ganz persönlichen Lieblinge, die auch bei mir im Regal stehen sind aber "Der Tod auf dem Apfelbaum", "Ente, Tod und Tulpe", "Tschüss, kleiner Piepsi" und "Gehört das so??!"