FDP
Weiß die liberale Partei noch, was liberal ist?
Die Demokratie ist in Gefahr, aber die liberale Partei in Deutschland führt eine Debatte über Parkplätze in Innenstädten. Unser Autor ist enttäuscht – und hat der FDP einen Brief geschrieben
Ein zerrissenes Wahlkampfplakat der FDP mit dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner säumt einen Kreisverkehr in Berlin am 24. August 2021 vor der Bundestagswahl in Deutschland am 26. September.
Bei der Bundestagswahl 2021 war alles auf Christian Lindner zugeschnitten. Wann denkt der Parteichef wieder über liberale Grundsätze nach?
John MacDougall / AFP / Getty Images
Tim Wegner
21.08.2024
4Min

Liebe FDP,

wenn ich als Kind abends mit meinen Eltern vor dem Fernseher saß, sprachen sie oft sehr respektvoll über FDP-Politiker. Besonders über Hans-Dietrich Genscher, der mit seiner Rede in der Prager Botschaft vielen Menschen aus der DDR buchstäblich die Freiheit schenkte, in die Bundesrepublik ausreisen zu dürfen.

Heute ist unsere liberale Demokratie in Gefahr, Rechtsextreme wie auch Islamisten haben ihr weltweit den Kampf angesagt. Und ja, es gibt auch Linksextreme, die einen Systemwechsel wollen. Es müsste Ihre Mission sein, für die Freiheit zu kämpfen. Stattdessen tun Sie alles dafür, dass die Menschen den Respekt gegenüber der FDP verlieren.

Ihr letztes Manöver ist dafür ein gutes Beispiel. "Fahrplan Zukunft – Eine Politik für das Auto" haben Sie als Überschrift für Ihren Präsidiumsbeschluss gewählt, der unter anderem vorsieht: mehr Straßen und möglichst kostenfreie oder wenigstens günstige Parkplätze in Innenstädten. Das überrascht vor allem insofern, als dass am 1. Januar 2024 genau 49.098.685 Pkw zugelassen waren. Fast 50 Millionen Autos! Die schiere Zahl spricht dafür, dass in Deutschland bisher fast alles aufs Auto hin ausgelegt war. Und Sie tun so, als hätte die Bundesregierung, der Sie übrigens angehören, neuerdings das Autofahren jahrelang verboten? Das Gegenteil ist der Fall.

Es ist noch nicht lange her, dass ich Ihnen dankbar war. Während der Corona-Pandemie waren Sie die einzige Partei, die an die Freiheit des einzelnen Menschen gegenüber den staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erinnerte, ohne die Gefahr plump zu verleugnen oder Verschwörungsmythen zu bedienen. Das war wichtig. Und gerade junge Menschen, die unter den Maßnahmen gelitten hatten, dankten es Ihnen bei der Bundestagswahl 2021. Haben Sie das vergessen? Warum beziehen Sie diesen Erfolg, dieses wirklich liberale Denken nicht auf andere Themen?

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Die Idee des Liberalismus geht vom Individuum aus. Für manche klingt das nach zügellosem Egoismus. Das ist zu kurz gedacht. Denn ohne die Freiheit des Einzelnen zu denken und zu sagen, was man will, gäbe es keinen Wettstreit der Ideen. Wie viel ärmer wäre die Welt, hätte sich der Respekt vor der Würde eines jeden einzelnen Menschen nicht durchgesetzt? Aber Freiheit ist mehr als die Freiheit der einzelnen Autofahrer. Auch der Liberalismus muss mit der Zeit gehen, und ich habe zwei Vorschläge, wie das funktionieren könnte:

Die Freiheit des Einzelnen setzt voraus, dass man überhaupt frei handeln und wählen kann. Dafür, dass das nicht immer so ist – auch in unserer Demokratie nicht –, ist das Thema Mobilität ein gutes Beispiel. Schätzen Sie mal, wie viele Menschen in Deutschland keinen Führerschein haben? Die Antwort wird Sie vielleicht überraschen: 27 Millionen. 13 Millionen Erwachsene, 14 Millionen Kinder.

Denkt man Mobilität allein vom Auto her, schließt man diese Menschen davon aus, sich wirklich frei bewegen zu können. Ich kenne viele Eltern, die ihre Kinder überall hinfahren. Begründung: "Mit all den Autos wäre alles andere viel zu gefährlich!" So ein Satz kann doch nicht im Interesse einer liberalen Partei sein! Würden Sie das Recht, mobil sein zu können, wirklich von einem liberalen Standpunkt aus denken, würden Sie Radwege nicht als grüne Ideologie brandmarken, wie Sie es in Ihrem jüngsten Papier tun, sondern Diskussionen und Bürgerbeteiligung organisieren, wie faire Mobilität für alle aussehen kann. Meinen Respekt hätten Sie dafür!

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Zweites Beispiel: Um als Einzelne oder Einzelner frei sein zu können, bedarf es halbwegs gleicher Startchancen zu Beginn des Lebens. Davon sind wir weit entfernt. Ein Gedankenspiel, basierend auf amtlichen Statistiken: Angenommen, alle Erbschaften und Schenkungen in Deutschland würden einen Kuchen ergeben und es gäbe zehn Menschen, die etwas bekommen. Und nun warten die Beschenkten und Erbinnen, dass der Kuchen aufgeteilt wird. Nach Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht es so aus: Neun der Menschen, die um die Kaffeetafel herumstehen, teilen sich eine Hälfte des Kuchens, während eine Person die ganze andere Hälfte bekommt. "Erbschaften vergrößern die Vermögensdifferenzen und verschärfen damit die absolute Ungleichheit", schreibt das DIW.

Es gibt Länder mit liberaler Denktradition auf der Welt, die gerade deshalb Erbschaften höher und Vermögen stärker besteuern, weil sie möglichst vielen Menschen ähnliche Startchancen ins Leben bieten wollen. Bei uns könnten Einnahmen aus Vermögenssteuern zum Beispiel dazu dienen, marode Schulen zu sanieren, ja, überhaupt das ungerechte Bildungssystem zu reformieren, das – viel stärker als in anderen Ländern – Kinder danach sortiert, aus welchen Familien sie kommen. Wer arm geboren wird, hat hierzulande einfach Pech gehabt? Auch das kann nicht liberal sein! Intelligente Ideen für ein faires Steuersystem zu entwickeln, ja, Diskussionen überhaupt einmal zuzulassen – wäre das nicht eine schöne Aufgabe für einen Bundesfinanzminister, der unbedingt die sogenannte Schuldenbremse einhalten will?

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Auf mich wirken Sie so, als wollten Sie die Interessenvertretung der Menschen sein, die sich Freiheit mit Geld kaufen können. Das ist schade. Und auch riskant, wenn man sich Ihre Umfragewerte so ansieht. Parteien können verschwinden, wie man bei der Linken sieht. Träfe es Sie, wäre es schade. Denn eine liberale Partei wird dringend gebraucht. Fraglich nur, ob Sie noch eine sind.

Ihr
Nils Husmann

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Weiß die EKD noch was Kirche und christlich ist? Der Glaube ist in Gefahr, aber die EKD läßt eine Debatte über Straßensperren, gewünschte Pronomen und ob Gott queer ist zu. Deshalb schreibe ich einen Brief. Wenn ich als Kind sonntags in die Kirche ging, hörte ich immer, wie schlecht wir sind. Die Wut von Kirche und Glaube prasselt 1 Stunde auf uns hernieder. Der Untergang ist nahe, "kriecht zu Kreuze", tut Buße, am nächsten Sonntag sehen wir uns wieder. Die Kanzel war schön und die Bänke waren hart. Sassen wir am Tisch, hiess es "Hat der heute mal wieder den Anderen so richtig die Wahrheit gesagt!" Holter die polter wurde des Ballermanns mit Angst und Schrecken gedacht. Die Zeit ist vorbei. Das Wohlwollen und die  Strafe Gottes wurde umgeleitet. Statt Paradies und Hölle jetzt Gender und Klima. Auch keine Arbeit und keine Pflichten. Diese Begriffe sind verfemt und stehen nicht mehr im Vokabelheft. Eine Wohltat für die Friedfertigen und Einfältigen, die jetzt ihr Manna oder Almosen von den "Affenbrotbäumen," erhalten sollen.

Heute ist unsere christliche Kirche Gefahr. Hemmungslose arrogante Sozialiberale, Zeitgeisttäter, Toleranzextreme und Utopisten haben ihr den Boden weich geklopft und wollen auch noch die Würde des Glaubens auf dem Jahrmarkt verschleudern.  Und ja, es gibt auch die Guten, die einen totalen Systemwechsel wollen. Statt für das Machbar-Gute zu kämpfen, wollen sie das Schlechte mit dem Mantel des Verstehens decken. Putin sei Dank für die Abschreckung. Der letzte Kirchentag und grosse Teile seines parteipolitischen Programms waren ein passendes Manöver dafür. Der Glaube wurde zum Stiefkind und die Wünsche zur Droge. Sie tun alles dafür, dass die Menschen den Respekt gegenüber Glaube und Gott verlieren. Wenn man nicht mehr weiter weis, ist jede Sackgasse ein Ausweg. Sieht so ein Religionssuizid aus?

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Weiß die Kirche, resp. die EKD noch, ob sie Christen oder eine Partei der Sozialliberalen sind?
Merz wird von Betfordt-Strom als unsozial bezeichnet, weil er den Zahnersatz (auch!) als Flüchlingsziel geißelt. Aber aus gleicher Quelle kein Wort darüber, wenn die eigene "Chorgemeinschaft" im Berliner Stadtparlament über (nur) den Mord an einen Polizisten in MA witzelt. Eine religiöse Spasspolitik als unser Vorbild im Glauben. Zum Fremdschämen.

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Weiss denn die Kirche für was sie steht? Oder ist es etwa so, dass das jedem Pfarrer überlassen bleibt und Kirche/EKD gar nicht wissen wollen und können, was als Durchschnittsglaube dann noch glaubwürdig ist?