Italien für Anfängerinnen
Dreißig Mädels und zwei Männer, einer davon der Busfahrer. Ein Typ wie Raimund Harmstorf
Ich hab’ mal gegoogelt: "Spontanreisen" scheint es nicht mehr zu geben. Ist ja auch schon eine Weile her. Anfang zwanzig war ich, als ich mich bei dem jung-alternativen Unternehmen – "denkt nicht, dass wir alles für euch organisieren, ihr müsst euch schon einbringen" – zusammen mit einer Freundin für einen Italienurlaub eingebucht hatte: eine Woche Rundfahrt mit Camping, eine Woche auf einem Landgut im toskanischen Irgendwo. Auf dreißig Mädels kamen zwei Männer, einer war der Busfahrer, lässig-rustikaler Typ der Gattung "Raimund Harmstorf".
Die Hormone liefen Amok. Konnte man vorher nicht wissen. Man hätte aber wissen können, dass Ende September die Campingplätze in Venedig zumachen und in Rimini – ein paar wollten spontan ans Meer – die Fenster vernagelt werden. Auf dem Campingplatz in Florenz bekam ich einen Topf kochendes Nudelwasser über den Fuß. In einem wackligen Zelt verstaut, mit einer Flasche Amaretto im Arm, wimmerte ich vor mich hin, während ein Herbststurm das Camp wegzuschwemmen drohte.
"Ich habe gelernt: Ich bin nicht spontan"
Das toskanische Bauernhaus der zweiten Woche lag tatsächlich im Nirgendwo. Wer wegwollte, musste trampen. Einen Ausflug habe ich gemacht, nach Florenz, den Fuß mit der eindrucksvollen Brandblase hatte mir eine mitreisende Schwesternschülerin verbunden: "Wär besser, wenn die nicht aufginge."
Der Urlaub war nicht lustig, aber ich habe gelernt: Ich bin nicht spontan. Mich steckt man am besten in Ferienhäuser mit 4,5 Punkten bei mindestens 300 Bewertungen, gern in Sichtweite von Cafés, Restaurants und gut sortierten Supermärkten. Komischerweise ist mir aber ein Bild nie aus dem Kopf gegangen: wie ein Bus voller Frauen die Serpentinenstraßen Umbriens erklimmt, Raimund Harmstorf am Steuer, aus dem Lautsprecher dröhnt Lou Reed und alle so: "Hey babe, take a walk on the wild side."
Text: Sabine Horst
Mücken und Sonnenbrand
Aber wer im Meer nicht schwimmen kann, soll im Mitgefühl baden. Das tut auch gut
Endlich Vietnam. Ein lang gehegter Traum geht in Erfüllung. Sommer, Sonne, Meer, asiatisches Essen. Die ersten drei Tage in Saigon sind auch tatsächlich faszinierend. Eine vibrierende, quirlige Stadt voller Lichter. Eine Ruhephase am Strand von Südvietnam soll folgen. Wir kommen freudestrahlend an. Und dann: ups! Das Häuschen, das wir gemietet hatten, hat keine Katzen-, sondern viele Moskitoklappen. Und wir eine Impfung samt Sprays, die die Viecher erst richtig in Fahrt bringen. Mücken machen Jagd auf uns und umgekehrt.
Die ersten vier Tage goss es in Strömen. Die Regenschleier fotografierte ich und schickte sie heimwärts. Mitleidsvolle Äußerungen erreichten und trösteten mich. Als die Sonne wieder herauskam, rannten wir begeistert am Strand entlang. Vor lauter Mückenschutz hatten wir das Eincremen vergessen und holten uns dafür einen mächtigen Sonnenbrand. Davon habe ich kein Foto gemacht, weil ich Selfies hasse und wir nicht wirklich gut aussahen. Die elf Tage am Meer waren der Tanz zweier von Mücken tätowierter Rothäute.
"Das habt ihr doch nicht verdient!"
Später habe ich genüsslich davon erzählt. Die Folge war echtes Mitgefühl. Ich badete förmlich darin – statt im salzigen Meer. Und auf einmal erzählten alle von eigenen Pleiten. Von Baustellen, miesem Service, Fehlplanung und verplemperten Tagen. Das verband uns innig und führte zu Heiterkeitsausbrüchen. Als ich neulich einen guten Bekannten anfunkte, ob es ihm samt Kindern am Gardasee beim Zelten gut gehe, antwortete er nur lapidar: "Wir saufen ab. Regen, was vom Himmel kommt und das den ganzen Tag."
Einfühlsam habe ich Empörung gezeigt und mitmenschliche Solidarität bewiesen. So ein Wetter ist doch eine glatte Unverschämtheit! Das hat mein Bekannter nicht verdient und seine Kinder schon gar nicht! Nach seiner Rückkehr zeigte er sich hocherfreut über diese Empathie. Sie habe ihm den großen Regen verschönt, meinte er. Das denke ich, ist der geheime Sinn von verpatzten Urlauben: Bestehende Freundschaften vertiefen sich. Neue entstehen. Mitmenschlichkeit wächst. Denn Schadenfreude ist unsereinem völlig wesensfremd.
Text: Susanne Breit-Keßler
Junge Liebe, harte Probe
Zwei Kinder am Strand, in der Obhut des besten aller Männer. Als die Mutter zurückkam, war da nur noch eines
Die Liebe war frisch, das Vertrauen groß. Der erste Urlaub mit dem neuen Mann. Strand, Sonne auf Norderney, und endlich nicht mehr allein mit den kleinen Kindern, eins und vier. Endlich würde ich wieder in mein geliebtes Meer springen können, ohne derweil Angst um die Kinder zu haben. Es ist Mittag. Bis gleich, sag ich, ich muss jetzt erst mal in die Wellen. Ich bleibe ein bisschen länger im Wasser, es ist heiß draußen und das Wasser ein Traum. Zurück am Strandkorb: Da buddelt der große Sohn friedlich neben der Picknickdecke. Aber wo ist der Kleine? Ich weiß, ich habe den besten aller Männer mitgenommen, erfahrener Vater von drei großen Kindern. Aber das hat er mir nicht verraten: dass er um 13.30 Uhr kurz einschläft, egal was um ihn herum passiert.
Das Kind ist weg. Der Mann ist jetzt wach. Das kann doch gar nicht sein, sagt er, der Kleine kann doch noch gar nicht richtig laufen. Hektisch suchen wir Parzelle 4381 bis 4388 ab, rennen panisch zum Meer, aber da hätte doch jemand was gesagt, wenn das Kind zum Meer gekrabbelt wäre. Oh nein, welch ein Alptraum!
"Oben auf dem Deich ein Tumult"
Die junge Liebe wird auf eine harte Probe gestellt. Wie konntest du nur, nein, solche Sätze haben schon die erste Ehe ruiniert, lieber darauf konzentrieren, was man jetzt tun kann. Mittlerweile hat die Unruhe den ganzen Strandabschnitt erfasst, vorwurfsvolle Blicke erfahrener Eltern gehen zum Mann. Der ist fix und fertig. Da entsteht oben auf dem Deich, wo ein Radweg die Inseldörfer miteinander verbindet, ein kleiner Tumult. Ein älteres Ehepaar hält ein kleines Bündel in die Luft und schreit zum Strand hinunter: "Wem gehört dieses Kind?" Es ist unseres. Wir wissen jetzt, dass es zwei Kilometer zurücklegen kann. Aber leider nur in eine Richtung.
Den Mann habe ich geheiratet, er ist reizend und aufmerksam, nur nicht um 13.30 Uhr. Darauf kann man sich als Frau einstellen. Als das Kind neulich 18 wurde, haben wir ihm die Geschichte erzählt. Es erspart vielleicht ein paar Therapiestunden. Und obwohl es keine genetische Verbindung gibt zwischen den beiden Männern: Auch das Kind wird um 13.30 Uhr sehr müde. Gut zu wissen.
Text: Ursula Ott
Bis zum Umfallen
Eine kleine Ohnmacht schafft Zeit – für einen Moment der Schönheit
Ein paar Erinnerungen habe ich doch noch an Mailand: zum Beispiel die Risse im staubigen Holz des Bilderrahmens, unter den mich die Museumswärterin gebettet und mich mit kühlem Wasser aufgepäppelt hat. Ich war wohl kurz ohnmächtig. Keine Ahnung, welches Museum das war. Der größte Teil des gigantischen Besichtigungsprogramms auf dieser Studienreise geht in einer Art kulturellen Stream of Consciousness unter: die Grabscher in der U-Bahn, die Taschendiebin, mit der meine Kommilitonin ringt (die Kommilitonin gewinnt). Touristen, Wolkenbrüche, Museen, Kirchen, Hitze, Durst, Eile. Für Essen und Klogehen ist kaum Zeit, daher sparen viele von uns auch anWasser. Bei 30 Grad im Schatten: ein Fehler.
Meine Unpässlichkeit verschafft mir zumindest eine Atempause und Kraft für das Museo Pezzoli. Da sehe ich sie: eine Statue von Lorenzo Bartolini. Die junge Frau kniet, eine zarte Silhouette, der Kopf gehoben, unschuldig, zugetan. Das Kunstwerk heißt "Gottvertrauen", aber ich nenne es "Reinheit". Ich wandere die gesamte freie Zeit um die Statue herum und sauge inspiriert jedes Detail auf. Jahrelang bin ich Mailand in abgeneigter Erinnerung verbunden. Vor kurzem fiel mir die Fotoreihe in die Hände, die ich von "meiner" Statue gemacht habe: Da fiel mir wieder ein, woher das alles kommt. Ich habe sie an die Wand gehängt, damit ich es nicht wieder vergesse. Alles kein Problem.
Reisetipps:
Essen: Mailand liebt den "Aperitivo", bei dem man sich vor dem Abendessen schon mal zu einem Snack und einem Glas Wein trifft. "Snack" beinhaltet Lachstoast, genauso wie Minischnitzel und Gemüsedips. Das heißt: Lecker satt werden für einen bezahlbaren Betrag. Zum Beispiel im "Spritz", Ripa di Porta Ticinese, 9.
Nicht verpassen: Erstens das Viertel um die Navigli. Dort kann man bummeln, schlemmen und sich von den Sightseeing-Strapazen erholen. Zweitens: Fruchtbarkeits-Stierhoden-Rubbeln in der Einkaufspassage Galleria. Das Mosaik befindet sich vom Dom kommend am Wegekreuz links und ist erkennbar durch die Kuhle, die sich anstelle des besten Stücks befindet. Dort drehe man die Ferse. Wer sich schon fruchtbar genug findet, muss nicht.
Text: Sabine Oberpriller
Schlüsselerlebnis
Abends kochen wir für alle Helfer auf dem Campingplatz. Es wird sehr lustig
Meine Freundin und ich stehen am Steg des Långsjön, einem See in Südschweden. Unser Frühstück haben wir in der Hand. Die Autoschlüssel liegen unten im See. Im Auto ist alles, was man für eine sechsmonatige Reise braucht: Geldbeutel, Klamotten, Zelt – der Ersatzschlüssel. Wir brechen nicht in Panik aus. Noch nicht. Wir wären sowieso schwimmen gegangen, also raus aus den Klamotten und tauchen. Es ist sehr tief an so einem Steg. Und dunkel. Mit einem schwedischen Mädchen machen wir das Tauschgeschäft: Eis gegen Taucherbrille. Aber auch damit können wir den Grund nicht erahnen.
Langsam spricht sich unser Desaster am Campingplatz herum. Helfer schleppen Ruder und Kescher an, zwecklos. Drei Halbstarke tauchen auf und stürzen sich in die dunkle Tiefe. Taschenlampen in Gefrierbeuteln werden hinuntergelassen, Maglites mit Panzertape an den Armen der Jungs festgeklebt. Kein Grund zu sehen. Ich telefoniere inzwischen mit Tauchclubs, dem ADAC, Werkstätten. Im Kopf drängen sich Bilder, die nicht wahr werden sollen: das Auto geknackt, das Auto auf dem Abschleppwagen nach Deutschland . . . Nach Stunden geben die Jungs auf, die Augen rot, die Arme gezeichnet vom Panzertape. Da bekomme ich die Handynummer von Taucher Patrick. Für 200 Euro will er uns den Schlüssel holen, egal wie lange es dauert.
Patrick schleppt drei riesige Taschen mit Ausrüstung auf den Steg und sieht nach dem Umziehen aus, als würde er auf Tiefseemission gehen. Knapp zehn Minuten dauert es, bis in hohem Bogen der Schlüssel auf den Steg fliegt und er seine Hand aus dem Wasser streckt. Zeigefingerspitze an Daumen – alles ok! Wir sind so erleichtert, dass die 200 Euro uns erst mal nicht schmerzen. Abends kochen wir für alle Helfer. Es wird sehr lustig. Bei jedem Gedanken an den Tiefseetaucher Patrick fangen wir an zu prusten. Die Besitzer des Campingplatzes schenken uns einen Schlüsselanhänger in Form einer großen Korkkugel. Wir haben nie ausprobiert, ob die Kugel den Schlüssel tatsächlich an der Wasseroberfläche halten würde.
Reisetipps:
Nicht verpassen: Der See Långsjön bei Ankarsrum ist mit 17 Kilometern Länge und vielen kleinen einsamen Inseln ein tolles Gebiet für Kanuausflüge. Picknick-Korb nicht vergessen (und Schwimmanhänger für den Schlüssel)!
Essen: Die Schweden bestehen auf "fika", ihre Pause mit Kaffee und Zimtschnecke. Eine traditionelle "fika" bekommt man in Schweden überall. Am besten schmeckt es aber in den kleinen Cafés, in denen man sich so wohl wie in Omas Wohnzimmer fühlt.
Schlafen: Wer in Schweden Urlaub macht, sollte mindestens eine Nacht im Zelt an einem einsamen Seeufer oder am Waldrand übernachten. Dank des allemannsrätts, übersetzt Jedermannsrecht, ist das überall erlaubt, solange man nicht auf Feldern zeltet und angemessenen Abstand zu Wohnhäusern hält.
Text: Elena Winterhalter
Nie allein in Bulgarien
Herumliegen und lesen, das war der Plan. Und stilles Radeln. Ein Plan ohne die fürsorglichen Einheimischen
Die Firma wurde umstrukturiert, der Sommerurlaub verschob sich in den Oktober, erschöpft treten wir die lang geplante Reise an: Bulgarien per Rad. In den einsamen Buchenurwäldern und der sanften Hügellandschaft werden wir uns schon erholen. Natürlich werden wir auch viel in Wiesen liegen und lesen.
Die Buchenwälder gibt es, die Wiesen auch, nur einsam ist es nie. Geht man mal eben hinter einen Busch, entdeckt man – zu spät – einen Schäfer, regungslos auf seinen Stock gestützt. Aus dem Wald brechen Ochsenkarren mit Baumstämmen, angetrieben von brüllenden Männern. Auf den Straßen überholen uns Eselsgespanne – was heißt überholen, man kann lang nebeneinander herfahren, wenn die Neugier es gebietet. Guten Tag – dob-r den! Fragen wir die Trinkenden an einem dörflichen Kiosk, ob es hier vielleicht ein Hotel gibt, kommt kurz darauf ein Polizeiauto mit streng guckenden Beamten darin und geleitet uns mit Blaulicht zur (einzigen) Pension.
"Mit den Ziegen teilen wir unser letztes Brot"
Nie zuvor haben wir uns derart beobachtet gefühlt. Selbst die Nächtigung im Wohnzimmer einer Generalswitwe gerät unruhig – die Dame kommt laufend unter Vorwänden ins Zimmer. Als wir vom Stadtspaziergang zurückkehren, hat sie unsere Radtaschen ausgepackt und alles in den Schrank geräumt. Betreten wir, weil es regnet, für einen Kaffee eine ländliche Schenke, erstirbt das Gespräch, gleich drauf steht eine gespendete Cola vor uns, den armen Schluckern, die nicht mal einen Esel besitzen, nur Fahrräder (im Gegenwert eines mittleren bulgarischen Eselsgestüts).
Endlich eine Hochebene am See, einsam bis zum Horizont, wir packen unseren letztenProviant aus, der nächste Laden ist erst für den nächsten Tag zu erwarten, klappen die Bücher auf. Ah, herrlich, Urlaub! Da hören wir Gemecker. Eine Ziegenherde wallt über die Hügelrippe wie angreifende Indianer im Western, die ersten haben schon die Nasen in unseren Packtaschen. Im Gefolge drei Hirten. Gern setzen sie sich zu uns und teilen sich mit uns, was wir vor den Ziegen retten konnten: unser letztes Brot und Zwiebelschmalz.
Nach zwei Wochen das erste "richtige" Hotel, sauber bis in die Ecken, abschließbare Zimmertür – wir schlafen erschöpft die Nacht und den ganzen nächsten Tag. Dann gehen wir raus. Gucken, was die Leute so treiben.
Text: Christine Holch
Alles kein Problem
Syrien, ausgerechnet. Aber das junge Ehepaar wird überall bevorzugt behandelt
Wenn ich heute davon erzähle, sehen mich die Leute ungläubig an: Nach Syrien, die Hochzeitsreise – wie um Himmels willen seid ihr darauf gekommen? – Meine Frau und ich wollten unbedingt dieses schöne Land sehen. Es war das Jahr 1998. In Damaskus herrschte Hafiz al-Assad, der Vater des aktuellen Diktators. Die ganze Pracht haben wir gesehen: Suqs, Moscheen, Kreuzritterburgen, Wasserräder und antike Ruinenstädte. Aber vor die Erinnerung daran schieben sich andere Erlebnisse.
Mit dem Bus wollten wir in Richtung Küste. Der Busbahnhof war voll mit Menschen. Im Kartenhäuschen fragte uns ein Beamter nach unseren Pässen und verschwand mit ihnen im Hinterzimmer. Nach einer Viertelstunde war er immer noch weg. Wir sollten schon mal zum Bus gehen, hieß es. Und die Pässe? "No problem." Wir gingen zum Bus. Wir sollten schon mal einsteigen. "Die Pässe!", sagten wir. "No problem", sagte irgendein Mann. Wir stiegen ein. Der Motor sprang an. "Die Pässe!!", riefen wir. "No problem", sagte der Mann auf der Bank vor uns. Der Bus rangierte. "Die Pässe!!!" Plötzlich sahen wir unsere roten Dokumente über die Menge wandern, von Hand zu Hand bis in unser Busfenster. Dann erst nahm der Bus Fahrt auf. Hatten wir bis dahin gedacht, keiner beachte uns, so schien es nun, als habe sich die Menge die ganze Zeit nur um uns gesorgt.
"Der Arzt hat alles richtig gemacht. Doch der Fußboden war rot und klebrig"
In Aleppo quälte mich eine Nagelbettentzündung. Ein kiffender, langhaariger Syrer aus der Herberge führte uns zum Krankenhaus, einem riesigen Bau mit vielen Eingängen, der noch nicht ganz fertig aussah. Man ließ uns ins laute, überfüllte Behandlungszimmer. Ein Arzt schälte sich aus der Menge, eine Zigarette im Mund. Fachmännisch begutachtete er meinen Mittelfinger. Er wies auf ein weiteres Behandlungszimmer, in dem wir allein waren. Der Fußboden war rot und klebrig. Eine Schwester holte ein aseptisches Tuch aus einem Hängeschrank. Darauf war ein großer Blutfleck. Der Arzt legte seine Kippe auf der Heizung ab und schüttete eine Ladung klebrig-rotes Jod auf meine Hand. Er betäubte den Finger, reinigte die entzündete Stelle und versorgte die Wunde. Ein guter Arzt, er hat alles richtig gemacht.
"No problem" war das Mantra dieses großartigen Urlaubs. Wir werden die vielen gastfreundlichen Syrer, die uns immer wieder bevorzugt behandelten, nicht vergessen.
Text: Burkhard Weitz
Sylt war doch ein Paradies!
Irgendwann fuhr die Familie nicht mehr ans Meer, sondern nach Österreich. Warum nur?
Die größte Feriensorge ist immer und überall das Wetter. Oh Wetter, du Inbegriff himmlischer Willkür, Durchkreuzer aller menschlichen Wünsche, absolute Unplanbarkeit, wie viele menschliche Urlaubsideen hast du schon auf dem Gewissen! Als ich noch ein Kind war, fuhren wir in den Sommerferien jedes Jahr auf eine Insel in der Nordsee, die damals noch nicht von Porsches überflutet war und auf der es noch nicht an jeder Straßenecke Austern zu schlürfen gab. Sie war ein Kinderparadies, freies Land unter offenem Himmel, mit weiten Heidewiesen und hohen Dünen, durch die man damals ungehindert streifen konnte, allein oder in lauten Kinderhorden, um dann ans Meer, das große, herrliche Meer zu gelangen und sich ins frische Wasser zu stürzen.
"Soviel steht fest: Die Erinnerung wendet alles zum Besten"
Irgendwann aber hörte das auf, und wir fuhren nicht mehr ans Meer, sondern in die Berge, ins vergleichsweise öde Österreich. Ich habe das nie verstanden. Erst als ich erwachsen war, fasste ich mir ein Herz und fragte meine Mutter, warum sie denn damals plötzlich und ohne ersichtlichen Grund eine so fatale Richtungsentscheidung getroffen hätten. Die Antwort kam schnell und hart: Sie hätte diese ewig verregneten Sommer an der Nordsee nicht mehr ertragen. Immer alles nass, grau, dunkel und kalt. Erschüttert und sprachlos stand ich da.
Ich konnte mich an keinen einzigen Regentag erinnern. So sehr ich in meinem Gedächtnis kramte und alles Mögliche hervorholte – Bilder, Gerüche, Geschichten –, an auch nur einen einzigen Regentropfen konnte ich mich nicht erinnern. Das war mir eine Lehre und ein Trost für meine weiteren Ferienplanungen: Was ich mir auch vornehmen sollte, ich werde jedes Wetter akzeptieren und darauf vertrauen, dass die Erinnerung am Ende alles zum Besten wenden wird.
Text: Johann Hinrich Claussen
Allein in der großartigen Natur
Mit dem Van durch den Westen, ein Traumurlaub. Mammutbäume, Strände, die grandiose Leere der weiten amerikanischen Landschaften. Von wegen
Der erste Campingplatz 200 Kilometer nördlich von San Francisco entschädigt uns für den zermürbenden Flug und die lange Anfahrt. Es gibt riesige Bäume, viel Platz für unseren winzigen Van, und ein netter Typ hilft mit allem. Als es dunkel wird, sitzen wir an unserem Campingtisch, die nagelneue Outdoorkerze leuchtet. Ein Erdmännchen – oder so – buddelt sich neben uns aus der Erde, hinten rauscht die Brandung. Wahnsinn. Wir köpfen das erste Bier.
Ein ganz anderes Rauschen kommt näher: MOTORRÄDER! Eine erste Maschine wird sichtbar, dahinter noch ein paar. Wohnmobile belegen einen Platz nach dem anderen. Wo eben noch das Erdmännchen aus der Erde lugte, steht jetzt ein Caravan, groß wie ein Reihenhaus. Muskelbepackte Ledermänner mit blondierten Ladys brummen auf ihren Maschinen an uns vorbei. Alle winken freundlich, wir winken entgeistert zurück.
"Wir köpfen das erste Bier. Da hören wir die Motorräder"
Ich rase zum Empfang. Was bitte ist das??? Die nette Dame lächelt: die "River City Beemers" aus Sacramento, der große BMW-Motorrad-Club. Jahrestreffen. "Das steht auch auf unserer Website. Ich dachte, ihr seid deswegen hier? Ihr seid doch aus Deutschland. Genau wie BMW." Wenn ich etwas komplett überflüssig finde, dann Kerle, die ein Problem mit dem Älterwerden haben, auf dicken Motorrädern. Und die Frauen hintendrauf.
Natürlich wurden wir eingeladen, es gab viel ungesundes Grillfleisch, viel Bier und viele Gespräche. Unter den Frauen waren längst nicht alle blondiert und blöd. Zum Beispiel Laurie aus Sacramento. Motorräder sind nicht ihre Sache, aber sie hat einen Freund begleitet. Bis zum Morgengrauen redeten wir über unser Leben, unsere alten Eltern, die erwachsenen Kinder. In der Woche drauf schliefen wir eine Nacht in ihrem Haus in Sacramento. In diesem Sommer kommt sie zu uns.
Reisetipps:
Campingplätze finden: In der Hauptsaison sind die Campinplätze in Kalifornien voll und teuer - an die 80 US-Dollar kostet so ein Plätzchen mit Wasser und Strom dann für die Nacht; mal ganz abgesehen davon, dass man in den Großen Nationalparks (Yosemite, Grand Canyon, Brice Canyon oder Kings Canyon usw.) für Wochenenden Monate vorher buchen muss. Zwei Möglichkeiten: Entweder gleich nach Nevada ausweichen, da sind die Plätze in der Regel sogar komfortabler, oder per App nach wirklich kleinen Geheimtipps unter den staatlichen Campgrounds suchen. Mit der App US Campgrounds ist das möglich.
Text: Dorothea Heintze
Sehnsucht nach Anafi
Frei von Touristen sei die Insel, hört man - nur bleibt sie unerreichbar. Der Ausbruch wollte nicht gelingen. Gut so
Santorin – das waren die Achtziger, wir reisten nach Griechenland, wohin viele damals fuhren, die fürs gefahrvolle Reisen nicht geschaffen waren und doch den Hauch des Aussteigens spüren wollten. Kreta und Santorin sollten es in diesem Trampersommer sein. Es wurden Ferien der Missgeschicke und des Verpassten.
Da hieß urplötzlich mein Ziel Anafi, eine kleine Insel mit nicht einmal 300 Einwohnern, frei von Touristen, zwanzig Kilometer von Santorin entfernt. Doch der Aufbruch wollte nicht gelingen. Im Touristenbüro wollte man sich nicht festlegen, wann mit einem Schiff zu rechnen sei, das uns – möglicherweise – hinüberbringen würde. Mitleidig sah man uns an – Santorin verlassen, um auf Anafi die Zeit zu verbringen? Man nannte uns eine nächtliche Uhrzeit. Dann vielleicht könnte ein Schiff einlaufen, dann vielleicht hätten wir eine Chance, an Bord zu gehen. Wir warteten vergebens; ich starrte hinaus in die Nacht, interpretierte jedes Lichtzeichen am Horizont. Kein Schiff kam; wir verschliefen die Nacht im Hafenrund, den Kopf auf harte Rucksäcke gebettet.
"Niemals mehr werde ich versuchen hinzukommen"
Dieser merkwürdige Griechenlandurlaub hat mir eine ewigwährende Sehnsucht eingebracht – nach Anafi. Niemals mehr werde ich einen Versuch unternehmen, auf diese Insel einen Fuß zu setzen. Enttäuschungen bleiben mir somit erspart. Anafi wird seinen Reiz für mich behalten – weil ich nicht hinfahre.
Text: Rainer Moritz
Elternfreuden
Es gab schöne Momente im Urlaub mit Baby. Aber nur inklusive Augenringe
Junge Eltern sind wie Kinder: Alles müssen sie neu lernen. Zum Beispiel, dass ein Urlaub mit Kind kein Urlaub ist – außer für das Kind. Aber auch das gilt nur bedingt für ein sechs Monate altes Baby. Dem ist nämlich wurst, ob es in der Toskana gestillt wird, am Tivoli oder am sardischen Strand. Das Kind war klimatisch verwirrt und changierte zwischen Fremdeln (Gastgeberin) oder Nörgeln (Eltern), schlief dafür auch schlecht und sah am Morgen aus wie ein kleiner Streuselkuchen (Mücken). Komisch, dass sich das Leben zwischen Herd und Wickeltisch gar nicht nach Urlaub anfühlte. Haushalten in der Ferienwohnung war eben wie Haushalten in einer fremden Wohnung, ne blöde Idee.
Wenn wir dann am Strand nach kurzem, aber hoffnungslosen Kampf dem Wind seinen Feuilletonteil überließen und das Kind mit Sonnencreme so blass war wie ein Pantomimedarsteller, blieb Zeit für die schönen Momente. Kurze dicke Babywaden im welligen Wasser; steife Nacken vom Drachenfliegerbeobachten, wie wir mit kollektiven Nachmittagsschläfchen auf warmen Sandbetten entspannten. Und danach ein kalter Campari an der Strandbar, zu dem die Sonne die Orange mimte. Fast schon Kitsch aus dem Katalog also, nur inklusive Augenringe. Für den nächsten Urlaub gilt: Wir fahren erst, wenn das Kind sagen kann, wohin.
Reisetipps:
Essen: Gewöhnungsbedürftig, aber wahr: der echte Sarde ist am liebsten vom Plastikteller. Den Geschmack des traditionell am Spieß über einem Gluthaufen gebratenen Milchschweinchens, Su Porceddu, kann das aber nicht verderben. Steckt irgendwo ein Spieß samt Schwein in der Gluterde, Plastikteller raus!
Schlafen: Sardinien ist ein wunderbarer Ort zum Zelten. Achtung: Ab September wirds windig. Dann am besten nach Campingplätzen mit Pinienwald suchen.
Text: Lukas Meyer-Blankenburg
Zwei gegen den Sturm
30 Kilometer über den Trotternish Ridge - das ist selbst bei gutem Wetter völliger Irrsinn
Als wir den Trotternish Ridge in Angriff nahmen, hatten wir gerade zwölf Kilometer hinter uns. Wir schleppten uns durch glitschiges Moos nach oben. Bald schwappte das Wasser schmatzend aus unseren Stiefeln. Irgendwann drehte Clemens sich um und zeigte in die Landschaft. Eine Wolkenfront hatte die Berggipfel hinter uns ver-schlungen. Nicht lange und wir waren mitten im Sturm. Die Temperaturen fielen rasant auf unter zehn Grad. Durch das ständige Auf und Ab im morastigen Untergrund machten wir kaum Strecke.
Hundert Kilometer die Isle of Skye in Schottland runter war unser Plan, den sogenannten Skye Trail. Mit Rucksack und Zelt querfeldein. Ein solides Abenteuer sollte es werden mit Wildcampen im Niemandsland, orientieren via GPS und Wanderkarte und Trinkwasser, das wir uns aus dem Fluss filtern. Die härteste Tour stand an diesem Tag an: dreißig Kilometer über den Trotternish Ridge, eine archaische, unbewaldete Bergkette, die auf der Nordseite schroffe Klippen aufwirft und im Süden zu saftigen Wiesen hin sanft abfällt – bis zur Felsformation Old Man of Storr. Geplant hatten wir dafür einen Tag. Selbst bei gutem Wetter völliger Irrsinn!
"Im strömenden Regen schlugen wir unser Zelt auf"
Als die Dunkelheit heraufbrach, waren wir völlig durchnässt und schlotterten vor Kälte. Wir konnten nur noch wenige Meter weit sehen. Also beschlossen wir, im strömenden Regen unser Camp aufzuschlagen. Wir schlüpften in unsere Schlafsäcke, deckten uns mit Rettungsdecken zu, kochten Tee und aßen Schokoriegel. Dann informierten wir die schottische Bergwacht. Doch auch die konntenicht viel ausrichten. "Bleibt im Zelt und wartet die Nacht ab. Ruft an, wenn sich etwas ändert", sagte der Mann am anderen Ende. Der Wind rüttelte am Zelt, der Regen prasselte auf die Plane. An Schlaf war nicht zu denken. Bei jeder Bö schreckten wir hoch: Hält das Zelt? Versinken wir im Wasser? Erfrieren wir?
Am nächsten Morgen war es still. Erschöpft, unterkühlt und übermüdet krochen wir aus dem Zelt. Wenige Meter entfernt tat sich vor uns ein Abgrund auf. Aber: Wir hatten überlebt! Den Skye Trail liefen wir bis zum Ende. Tagelang Schafe, Felsen und eine bombastische Aussicht. Zum Glück ist es bei diesem einen Abenteuer geblieben.
Reisetipps:
Schlafen: Unterkünfte sind oft monatelang im Voraus ausgebucht, dafür ist wildcampen gestattet. Das Dun Flodigarry Hostel in Flodigarry hat einen gemütlichen Gemeinschaftsraum mit Blick auf das Meer. Falls es voll ist, kann man gegen eine kleine Gebühr im Garten zelten, den Trockenraum und die Küche benutzen.
Nicht verpassen: In der Bucht von Elgol werden im Sommer Bootstouren zu einer Robbenkolonie angeboten. Der Blick auf die Gebirgskette der Black Cuillins während der Fahrt ist unbezahlbar!
Text: Michael Güthlein
Twitter ist überbewertet
So eine spannende Dienstreise. Aber doof ohne Stimme. Was geholfen hat, war: Apfelessig. Nicht der Arzt
Die Reise nach San Francisco war teuer und perfekt vorbereitet: Montagfrüh Google besichtigen, mittags Facebook, nachmittags Stanford, Dienstagfrüh Twitter. Bloß mein Immunsystem war noch nicht digitalisiert. Ich saß bei Google mit Halsweh, bei Facebook ohne Stimme und stolperte durch den Stanford-Campus mit Fieber. So hustete ich bei der ambitioniertesten Dienstreise meines Lebens am Tag eins die mitreisenden Kollegen im Bus so lange voll, bis sie mich um 22 Uhr in einer Arztpraxis am Union Square ablieferten. Das Erste, was der Arzt, ein kleiner Koreaner, sagte: "Meine
Frau hat mich gerade verlassen, weil ich am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom leide."
ADS? Haben die dafür keine App im Silicon Valley? Da meine Stimme komplett verschwunden war, konnte ich nur nicken oder den Kopf schütteln. Sind Sie Sängerin? Kopfschütteln. Journalistin? Nicken. Welche Zeitung? Ich schrieb ihm auf, dass ich für ein protestantisches Magazin arbeite, auf Dienstreise bin und dringend morgen früh mit gesundem Hals und Stimme bei Twitter sein möchte. Protestantisches Magazin? Ob ich die Evolution leugne, wollte er wissen (heftiges Kopfschütteln meinerseits!) und da werde er mir jetzt mal etwas erzählen über die Schöpfung. Ich war wehrlos, weil stimmlos.
"Gegen Mitternacht schlich ich aus der Praxis"
Er zückte – mittlerweile war es 23 Uhr– ein uraltes Schaubild, wie ich es aus meiner Grundschulzeit kannte. Erklärte mir, wie der Mensch sich vom Wassertier zum aufrechten Gang entwickelt und welche Rolle dabei der Hals-Nasen-Ohren-Trakt gespielt hat. Ich ahnte, warum die Frau ihn verlassen hatte. Gegen Mitternacht schlich ich aus der Praxis, mit dem Rat, mir im gegenüber liegenden Tesco-Supermarkt eine Flasche Apfelessig zum Gurgeln zu holen.
Ich bezahlte dem Doktor 220 Dollar. Dazu kamen 1,50 für den Essig. Ich lag am Dienstag krank im teuren Hotelbett. Wenn mich jemand fragt, wie es bei Twitter war, kann ich diese Geschichte erzählen, aber sie ist sehr lang, und ich habe Angst, dass mich meine Freunde dann verlassen. Ich sage lieber: "Twitter ist überschätzt." Und dass im amerikanischen Gesundheitssystem erst mal eine ganz große Disruption bevorstehe. Übrigens: Mit dem Apfelessig hatte der Arzt recht. Am Mittwoch saß ich im Flieger nach Seattle. Mit Stimme.
Text: Ursula Ott
Hau ab!
Krass, ein Bärenbaby, wie süß. Aber dahinter erhebt sich eine dunkle Wand. Die Mutter
Wir schimpfen über die unterkühlten amerikanischen Restaurants, langweilen uns auf endlosen Highway-Fahrten und suchen genervt in den Supermärkten nach stinknormalem Joghurt (ohne Zucker, aber bitte mit Fett). Die Natur dagegen finden wir toll. Großartig, dass der Campingplatz im Yosemite-Nationalpark keinen Zaun hat! Klar doch, wir machen unseren Foodlocker immer zu, diesen Metallschrank für alles, was essbar ist oder auch nur – für Bären – essbar riecht (Zahnpasta!). Steht ja alles auf den Infotafeln überall. Dass wir den Schrank aber auch verriegeln sollten, während wir – zwei Meter daneben – am Tisch stehen und kochen, das stand nirgends. Die Sonne ist schon weg, gleich sind die Nudeln gar, da witscht ein niedriger Schatten an uns vorbei und die glänzende Tüte mit Karamellbonbons entschwebt in den Wald. Krass, ein Schwarzbärenbaby, wie süß. Sekunden später erhebt sich eine dunkle Wand am Tisch. Die Mutter. Auf Hinterbeinen. Nur eine Prankenweite von uns entfernt. Wir brüllen.
Hauen mit Löffeln gegen die Metalltöpfe, lärmen um unser Leben. Die Bärin starrt uns lange an. Dann dreht sie sich um und schreitet in den Wald zurück. Wir schmeißen alles in den Foodlocker, rennen zum Auto, fahren egal wohin, wähnen überall aus dem Wald kleine gelbe Augen auf uns gerichtet, kriegen irgendwo noch ein kaltes Sandwich, sagen erst mal lange gar nichts, schämen uns insgeheim unserer Blödheit. Dann streiten wir darüber, wer mutiger war und lauter. Schließlich liegen wir doch in den Schlafsäcken, atmen flach und werfen uns flüsternd Kontrollfragen an den Kopf: Hast du auch deinen Lippenpflegestift weggeschlossen? Na, und was ist mit deinem Kaugummi? Die Nacht wird unruhig. Jede Stunde Geschrei und Töpfeschlagen irgendwo auf dem Campingplatz. Go away! Hau ab! Nie wieder haben wir unterkühlte Restaurants, unpraktische Supermärkte und endlose Autofahrten so sehr genossen.
Text: Christine Holch
Alpensprühen
Nebel, Fieber, Wolkenbrüche: Will der Berg überhaupt, dass wir ihn besteigen?
Nach sechs Tagen bin mir nicht mehr sicher, wie die Sonne aussieht. Die Alpen erkenne ich bestenfalls verschwommen, dabei überqueren wir sie gerade – auf einer Einsteigerroute vom bayerischen Tegernsee zum südtirolischen Sterzing. Der Weg ist auch meist unscharf. Kommt mal wieder ein Wolkenbruch, stürzt er uns als lustiger Bergbach entgegen, danach ist er vom schlammigen Morast zu beiden Seiten kaum zu unterscheiden. Eben haben wir mühsam einen reißenden Fluss überquert, der als liebliches Rinnsal beschrieben ist. Nun sehen wir in dichtem Nebel kaum die Hand vor Augen und tasten uns voran, nur, weil wir wissen, dass die Hütte ein paar Minuten entfernt sein muss. Wir prallen buchstäblich dagegen.
Puh, geschafft. Durchs Fieber meiner zunehmenden Erkältung dringen verschwommen die Radionachrichten von Wanderern, die von der Bergwacht an einem reißend gewordenen Bergbach gerettet werden mussten, weil der Rückweg zu lang war. Am nächsten Morgen offenbart uns ein schmaler Streif Sonne eine fast senkrecht abfallende Schlucht keine zwei Meter neben dem Weg, auf dem wir gestern gekommen sind. Wir schlucken. Richtung Osten steigen wir ab ins Tal vor Augen atemberaubendes Gipfelpanorama, Bergspalten und Steilhänge. Das Heidekraut gleißt in der Sonne, es duftet nach Erde und Schnee. Wir fühlen uns wie Könige. Die Berge haben uns unsere Grenzen gelehrt. Es ist gut ausgegangen. Mit Glück. Bei jeder Erinnerung empfinde ich wieder Respekt davor.
Reisetipps:
Essen: Eine Einkehr auf der Blauberg-Alm sollten auch die einplanen, die keinen Regenstopp einlegen müssen.
Schlafen: Die Hütten sind malerisch, aber karg und oft ohne Dusche. Muss man mögen.
Nicht verpassen: Sonnenaufgang auf dem Pfitscherjoch.
Text: Sabine Oberpriller
Hinweis: EIne erste Version des Textes erschien am 25. Juli 2018.
Voluntourismus: Wie Sie im Urlaub Gutes tun können
Im Urlaub am Strand fläzen? Kann man machen. Aber im Trend liegt Voluntourismus: richtig schwitzen für eine gute Sache. Wer es probiert hat, sagt: Es macht glücklich
Junge Liebe, harte Probe
Ich erinnere eine ähnliche Geschichte, als uns, schon lange ein erprobtes Paar, unser Ben bei hiesigen C&A abhanden kam. Nicht müde geworden, nur unaufmerksam...
Ein HORROR!!!
Bis wir ihn dann in der Kinderecke fanden...
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Reisebegleitung
Aus eigener freud- wie auch leidvoller Erfahrung kann ich manches bestätigen. Wenn ich heute über meine Reisen im Leben nachdenke, bin mittlerweile 76 Jahre, dann entscheidet über Erfolg oder Mißerfolg weder Wetter noch Landschaft, noch nicht einmal der Geldbeutel. Entscheidend ist der mitreisende Partner oder die Partnerin. Wenn das nicht harmoniert, dann kann auch der sogenannte Traumurlaub zum Albtraum werden. Während man mit dem richtigen Partner oder der Partnerin selbst auf einer wie auch immer aussehenden Halde (gibt es bei uns im Ruhrgebiet an jeder Ecke) wunderbare Erlebnisse haben kann. Also Urlaubsglück empfinden kann. Das dürftet selbst bei Spontanurlauben funktionieren!
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Herrliche Erlebnisse, sehr schön geschrieben! Als nächster Artikel wird mir vorgeschlagen: "Sie wollte sterben", über ein Opfer der Ahrtalflut 2021. Und ich frage mich, wieviel Tonnen CO2 für die hier beschriebenen Reisen emittiert wurde. Und frage mich, ob wir in ca. 20 Jahren unseren heutigen Kindern in die Augen schauen können und sagen "Das war es wert.", wenn ihr und unser Leben von Naturkatastrophen, Nahrungsmittelknappheit und gigantischen Fluchtbewegungen gekennzeichnet sein wird.
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