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Über die aktuellen Geschehnisse in Deutschland muss ich noch nachdenken. Auch wenn sie zu erwarten waren, weiß ich dazu noch nichts zu sagen. Deshalb heute etwas ganz anderes, Harmloses, was aber auch sein Recht hat: Als ich ein Kind war, musste ich nach den Sommerferien immer ein Bild malen oder einen Aufsatz schreiben zum Thema "Mein schönstes Ferienerlebnis". In diesem Jahr wüsste ich nicht, welches ich auswählen sollte. Es sind zu viele schönste Momente gewesen. Der Grund: Wir sind nicht verreist.
Um mein Spanisch zu üben, höre ich gelegentlich den Podcast von "El Pais". Besonders hat mir die Folge über Menschen, die nicht mehr verreisen, gefallen. Der Massentourismus stört sie, an der Umweltzerstörung (Fliegen, Wasserverschwendung etc.) wollen sie nicht mitwirken, die Arbeitsbedingungen der Menschen im Ferntourismus gefallen ihnen nicht oder sie haben einfach schon mehr als genug gesehen. So bleiben sie zu Hause und empfinden das nicht als bitter-heldenhaften Verzicht. Sie genießen das Glück, nicht weg zu müssen.
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Ein Trend ist dies noch lange nicht, den meisten Zeitgenossen würde es als extravaganter Spleen erscheinen. Erstaunlich, aber wahr: Es herrscht immer noch die gesellschaftliche Übereinkunft, dass man verreisen muss. Als wäre ein Sommer, in dem man sich nicht in Flugzeuge quetschen, sich durch überfüllte Strände und Städte kämpfen, überteuerte Restaurant besuchen, schwitzen und schwitzen müsste, kein richtiger Sommer und man selbst auch nicht ganz richtig, wenn man da nicht mitmachen will. Und was soll man danach auf die freundliche Small-Talk-Frage antworten: "Wie waren die Ferien?"
Aber wer hat eigentlich das Gesetz erlassen, dass wir so oft verreisen müssen? Wahrscheinlich ist der Sommer das letzte florierende Religionssystem unserer Zeit. Denn er verspricht Unterbrechung, Freiheit, Entfaltung, Überschreitung, Überwältigung, Rausch, aber auch Seelenruhe, also umfassende Glückseligkeit. Dass kein Urlaub je eins dieser Versprechen erfüllt, beschädigt das religiöse System nicht, im Gegenteil, es verstärkt den Glauben. Im nächsten Jahr wird man es wieder versuchen. Und danach wieder und wieder. Das erinnert an die Apokalyptiker, die das Ende der Welt errechnen, kurz enttäuscht sind, wenn es nicht kommt, um dann gleich die nächste Rechnung anzustellen. Anders ist nicht zu erklären, warum so viele Menschen gerade in Zeiten schwindenden Wohlstands am Reisen zuletzt sparen.
Wohl dem, der sich diesen religiösen Zwängen widersetzt. Er kann die entleerte Heimatstadt neu entdecken, ohne Schlangestehen das tun, was sonst die Touristen tun, ohne Stress Liegengebliebenes erledigen, Freunde treffen, ein kaum frequentiertes Freibad durchpflügen, etwas Freundliches essen gehen, im eigenen Bett schlafen, auf dem eigenen Sofa ein Buch lesen. So genießt man eine Freiheit, bei der man sich für gar nichts schämen muss.