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Kevin Peters ist 32 Jahre alt, Edith Hientzsch 85. Er steht als Versicherungskaufmann mitten im Leben, sie lebt als Witwe allein in ihrer Wohnung in Hamburg-Barmbek und fühlt sich oft einsam.
In Hamburg ist jeder zweite Haushalt ein Singlehaushalt, und viele leben unfreiwillig allein. Der Verein "Freunde alter Menschen" organisiert deshalb Besuchspartnerschaften zwischen Jung und Alt.
"Jung" sind für den Verein Menschen in ihren 20ern, sagt Mitarbeiterin Maj-Britt Erdmann. Als "alt" gelten Menschen über 75 - wobei es keine allzu strengen Altersgrenzen gebe. Kevin Peters besucht seit fast zehn Jahren ehrenamtlich Senioren und Seniorinnen - organisiert durch den Verein. Zu Edith Hientzsch kommt er in der Regel einmal im Monat. Der Kontakt mit der alten Dame, die viel vom Krieg, ihrer Jugend in den 1950er Jahren, Ehe und Familie erzählt, "erde" ihn, sagt er. Für beide ist es mittlerweile eine Freundschaft geworden.
Die Idee, Besuche über ein Matching professionell zu organisieren, entstand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich. Viele Frauen waren verwitwet und verarmt. Armand Marquiset erkannte die Not. Er stammte aus bürgerlicher Familie, war wohlhabend, Mitte vierzig, und gründete die Hilfsorganisation "Les Petits Frères des Pauvres", die mittlerweile in vielen Ländern aktiv ist und in Frankreich in etwa so bekannt wie hier das Deutsche Rote Kreuz. Heute steht nicht mehr die Armut im Fokus der Arbeit, sondern die Einsamkeit.
Den deutschen Ableger gibt es seit 1991 - er ist mittlerweile in fünf Städten aktiv: in Köln, Frankfurt am Main, Berlin, Hamburg und München. Denn der Bedarf sei in den oft anonymeren Großstädten am größten, sagt Maj-Britt Erdmann. Sie und 25 weitere Angestellte arbeiten bundesweit an den Matchings. Sie versuchen, in mehreren Gesprächen herauszufinden, was die jeweiligen Bedürfnisse der alten Menschen sind. Dafür brauche es Fingerspitzengefühl, denn über die eigene Einsamkeit rede niemand gern, sagt Erdmann. Auch die jungen Ehrenamtlichen kommen mehrmals zu Vorgesprächen und müssen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Denn die gematchten Paare treffen sich ohne Begleitung und meist in privaten Räumen, da muss für größtmögliche Sicherheit gesorgt sein. In Deutschland verwaltet der Verein 500 Besuchspartnerschaften; weltweit sind 23.000 Freiwillige für über 45.000 alte Menschen aktiv.
Da besonders seit der Corona-Zeit auch viele junge Menschen über Einsamkeit klagen, hat der Verein seine Ziele angepasst und in Hamburg und Berlin Nachbarschaftszirkel und Stammtische mitbegründet: "Generation Nachbarschaft" heißen sie. Dort treffen sich Nachbarn und Nachbarinnen aller Generationen, kommen miteinander ins Gespräch und organisieren Unternehmungen, etwa Spaziergänge im Wald. Gemeinsam, nicht einsam.