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chrismon: Sie wohnen in Berlin, sind oft umgezogen, immer von Mietwohnung zu Mietwohnung. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Mathias Matschke: Mehr gute als schlechte. Am besten war die Situation, als unser Vermieter mit im Haus gelebt hat. Der war emotional dicht an uns dran, wusste immer sofort, wovon wir reden, und hat sich gekümmert.
Einen guten Vermieter oder eine gute Vermieterin zu haben, wünschen sich viele, aber die Realität ist anders?
Die Realität ist leider sehr anders. Früher konnte ich umziehen, weil mir die Umgebung oder meine Nachbarn nicht passten. Wir haben auch Zimmer und Wohnungen getauscht. Das waren paradiesische Umstände…
Lesetipp: Warum wir Mietwucher nicht akzeptieren müssen
…die heute vorbei sind?
Leider ja. Der Wohnungsmarkt wird fast nur noch vom Kapitalismus und seinen schlimmsten Auswüchsen beherrscht. Und es gibt immer mehr internationale Konzerne, die Häuser besitzen und durch eine Hausverwaltung verwalten lassen. Da gibt es überhaupt keinen emotionalen Bezug mehr.
Haben Sie deshalb bei der ARD-Mitmachaktion #besserwohnen mitgemacht?
Als man mich gefragt hat, ob ich da einen schmierigen Immobilienhai spielen möchte, war es mir ein Herzensanliegen zuzusagen.
Ihre Kunstfigur, ein skrupelloser Immobilienhai, Thomas Wenger, trifft in der Doku auf echte Wohnungssuchende. Die Kamera war immer dabei. Wussten die Leute, dass das nicht echt ist?
Das wussten sie und haben dann "mitgespielt", indem sie mir ihre echten Geschichten erzählt haben. Das war oft ergreifend.
Matthias Matschke
Wie kamen die Leute zu Ihnen?
Wir haben Wohnungsanzeigen geschaltet auf den normalen Portalen, allerdings waren das nicht wirklich freie Wohnungen. Die Hausbesitzer haben mitgespielt, und fast alles hatten wir nach realen Vorbildern ausgesucht. Und daraufhin haben sich die Leute gemeldet, Hunderte, ganz wie im normalen Leben. Dabei ging es oft um Wohnungen, die rein rechtlich gar nicht vermietet werden dürften. Zum Beispiel ein schimmeliges Erdgeschossbüro, in dem niemand wohnen darf, und das dann auch noch zu einer Wuchermiete angeboten wird. Die Interessenten haben mir gesagt: "Naja, in Berlin lebt man halt verrückt. Wär das jetzt hier echt, dann würden wir unterschreiben."
Hat Sie das deprimiert?
Mich hat vieles deprimiert in der Doku, weil das meiste so nah an der Realität war. Zum einen waren da die Wohnungssuchenden, die so verzweifelt waren, dass sie nach jedem Strohhalm greifen wollten. Auf der anderen Seite gab es unfassbar skrupellose Leute, die aus der Not dieser Menschen eine Cash Cow für sich selbst machen wollten.
Eine der eindrücklichsten Szenen spielt auf der Cashflow-Konferenz in Frankfurt am Main.
Das war der absolute Tiefpunkt. Unvorstellbar, wie da vor allem jungen Männer, losgelöst von jeder Realität, sich gegenseitig hochgeschaukelt haben: Hey, du musst es nur richtig machen, du musst nur früh genug aufstehen, und du musst trainieren und hart zu dir selbst und zu den anderen sein, dann schaffst du es. Und wenn du mir jetzt mal 20 000 Euro gibst, kriegst du den Einstieg. Und der nächste Immobilienmillionär wartet schon um die Ecke und das bist du. Da war für mich ganz viel Quacksalberei dabei.
Und das war alles legal?
Das sind keine Kriminellen, die da agieren, sondern Menschen, die schlau die Fehler im System nutzen. Tatsächlich ging es bei diesem Kongress in Frankfurt und auch in vielen anderen Gesprächen mit den Immobilienfachleuten in der Doku hauptsächlich um Steuersparmodelle und Profitgier. Das sagt einer, auch wieder ganz offen vor der Kamera, zu mir: Man muss das System kennen, um es maximal nützen zu können.
Sie beteiligen sich im Rahmen der Doku, dann in München, bei einem weiteren Immobilienkongress.
Das war eine andere Nummer. Da waren Leute drunter, die eben mit Immobilien ihr Geld verdienen, und zwar seriös. Mit denen konnte ich ganz gut reden.
Haben Sie sich als Schauspieler geoutet?
Natürlich, denn wir hatten ja auch die Kamera dabei. Und dadurch, dass ich eine Kunstfigur, ein Schauspieler war, haben sich Leute oft erst richtig geöffnet. Nicht alles empfand ich als wirklich schlimm, und natürlich gibt es nicht nur schwarze Schafe in der Immobilienbranche. Aber das System korrumpiert.
Aus meiner eigenen ehrenamtlichen Tätigkeit in einer Wohnungsbaugenossenschaft weiß ich, dass es in der Immobilienbranche auch Menschen gibt, die sich nicht nur einfach bereichern, sondern auch gute Wohnungen bauen wollten. Irgendwie sind sie dann abgerutscht und auf die "schwarze Seite" gelangt. Haben Sie solche Menschen getroffen?
Ja, immer wieder im Laufe der Doku. Aber leider zu wenige. Häufiger begegnete ich Personen, die dem reinsten und schlimmsten Kapitalismus dienten. Und zwar nicht, indem sie Goldbarren verkauften, sondern Wohnungen, eines der nötigsten Grundbedürfnisse von uns allen. Wer keine Wohnung hat, hat kein Zuhause. Wohnung sind, so sage ich es immer, der kleinste gemeinsame Nenner von Heimat, den wir haben.
In der Doku kommt auch der Fall eines Studenten aus Leipzig zur Sprache. Er lebt zu einer Wuchermiete auf neun Quadratmetern – und hat die Erzählung in der Öffentlichkeit jetzt genutzt, um zu klagen.
Tatsächlich will das ARD-Team diesen Fall weiterverfolgen und am Ende der Mitmachaktion im März 2026 wieder darüber berichten. Das finde ich großartig. Denn für mich ist die Mitmachaktion #besserwohnen ein Ausdruck von gut angewandtem öffentlich-rechtlichem Fernsehen, und es war mir eine Ehre, mit unserer Dokumentation "Crashkurs für Immobilienhaie" den Auftakt der Aktion mitgestalten zu dürfen. Jetzt hoffe ich, dass viele mitmachen. Je mehr Zuschauer sich involvieren, umso reicher wird das Ergebnis der Aktion.
Die ARD-Mitmachaktion #besserwohnen läuft noch bis Ende März 2026. Auf ard.de/besserwohnen gibt es Recherchen zum Thema und einen sehr aktuellen Überblick über die Mietensituation in Deutschland mit über 200 kommunalen Mietenspiegeln, die für diese Aktion zum ersten Mal öffentlich zusammengestellt wurden. Hier kann man seine Miete mit der ortsüblichen vergleichen.
#besserwohnen richtet sich vor allem an Mietende, aber mitmachen können alle, die in Deutschland wohnen. Wer den Online-Fragebogen ausfüllt, kann auch seinen ungefähren Wohnort auf der interaktiven Karte eintragen. Für die Öffentlichkeit bleibt alles anonym. Wer will, kann aber zumindest der ARD seine Mailadresse geben, damit die Redaktion Kontakt aufnehmen und berichten kann.



