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Leslie und Herdolor, wie seid Ihr auf die Idee zu dem Film gekommen?
Leslie Franke: Wir leben schon unser ganzes Leben in Hamburg St. Georg und haben die Gentrifizierung, die in etwa in den 1980er Jahren begann, sehr direkt mitbekommen. Das war einfach brutal zu sehen, wie hier Menschen ihre Wohnungen verlassen mussten und auf die Straße gesetzt wurden. Wir haben das übrigens nur durchgehalten, weil wir schon früh eine eigene Genossenschaft gegründet haben. Doch das kann ja nicht jeder.
Herdolor Lorenz: Wir beschäftigen uns mit unseren Filmen mit Themen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Und fast immer ging es im Kern darum, dass privatisiert wurde: Krankenhäuser, Wasser – mit am Ende schlechten Folgen für die Bevölkerung.
Wie lange habt Ihr an Sold City earbeitet?
Herdolor: Vier Jahre.
Was waren Eure eindrücklichsten Erlebnisse?
Herdolor: Für mich waren das die Drehtage in London. Da leben Menschen in unfassbar prekären Situationen, immer nur mit Mietverträgen für ein oder zwei Jahre. Ganze Viertel mit Sozialwohnungen werden abgerissen, und durch teure Eigentumswohnungen ersetzt. Und niemand wehrt sich - alle lassen das still und leidend über sich ergehen. Das mit anzusehen war furchtbar.
Leslie: Die Menschen werden krank. Diese ständige Angst, wie und ob überhaupt sie noch irgendwo wohnen können, zermürbt sie, seelisch und körperlich
Herdolor: Und das Verrückte ist: Das alles hat starke wirtschaftliche Auswirkungen. Kranke Menschen können nicht arbeiten, ständig verängstigte Menschen konsumieren nicht. Der Staat schadet sich und uns als Gesamtgesellschaft völlig grundlos so sehr selbst…
Wieso ist der Wohnungsmarkt so eskaliert?
Herdolor: Zu viel volatiles Geld seit der Finanzkrise. Und das wird in Grund und Boden investiert, weil man damit den sichersten und höchsten Gewinn erwirtschaften kann.
Leslie: Und diese immer irrwitzig steigenden Bodenpreise verteuern das Wohnen. Privater Mietwohnungsbau ist heute nur noch finanzierbar, wenn sie am Ende 20 Euro pro qm nehmen. Das ist für Menschen mit einem Durchschnittseinkommen nicht mehr bezahlbar.
Ihr sprecht in dem Film auch mit klassischen Immobilienunternehmer*innen. Wie sehen die das?
Leslie: Na ja, die denken in der Regel, sie machen was Gutes. Sie bauen ja Wohnungen. Doch indem sie Rendite, und bis vor kurzem sehr, sehr gute Rendite, damit erwirtschaften, machen sie Wohnen zur Ware. Und genau das darf es nicht sein.
Eure beiden "Positiv"-Beispiele in dem Film sind Wien und Singapur. Wien als Best Practice ist Menschen, die sich mit dem Thema befassen bekannt. Aber Singapur?
Leslie: Dazu muss ich gleich mal sagen – Singapur ist schon ein sehr schwieriges Beispiel, weil manche demokratische Freiheite zu sehr eingeschränkt sind.
Herdolor: Ich seh das anders. Natürlich gibt es da Exzesse, Superreiche und ein pseudo-diktatorisches Regierungssystem. Aber in Singapur gehören 85% des Grund und Bodens dem Staat. Nur die Wohnungen werden verkauft und es gibt die Vorgabe, dass nicht mehr als 25% des Einkommens für den Schuldendienst aufgewendet werden – den Rest subventioniert der Staat, auch bei den Ärmsten. Und die Wohnviertel werden gemischt: sozial und ethnisch. Das alles aber geht nur, wenn der Boden eben NICHT in privater Hand ist und der Staat das steuern kann..
Ihr habt in Berlin mit vielen Menschen gesprochen, die den Volksentscheid zum Enteignen initiiert haben. Ist das der richtige Weg?
Herdolor: Ich finde, ja. Es gibt Studien, die zeigen, dass sich das wirtschaftlich im Laufe der nächsten 40 Jahre rechnet, auch wenn eine Gesellschaft, wie Deutsche Wohnen dadurch zum Beispiel, erst mal entschädigt werden müssen. Das ist ja einer der Hauptkritikpunkte
Leslie: Was mich an den Interviews in Berlin wirklich erschreckt hat – wie unfassbar brutal da Spekulanten vorgehen, wenn sie Mieter aus den Häusern vertreiben wollen. Für mich hatte das oft kriminelle Ausmaße. Doch wenn dann die Polizei gerufen wurde, dann haben die gesagt: Da können wir nichts machen. Mich erschüttert einfach immer wieder, dass der Schutz des Eigentums bei uns im Land so derart hochgehalten wird. Ich kann und will das nicht stillschweigend hinnehmen. Und genau deshalb haben wir diesen Film gemacht.
Leslie Franke und Herdolor Lorenz drehen seit vielen Jahren kritische Dokumentarfilme zu geselleschaftlich relevanten Themen. Der Film Sold City wurde zu großen Teilen durch eine Fundraisingkampagne finanziert. Zur Zeit läuft der Film in vielen deutschen Programmkinos. Eine Übersicht, auch zu anderen Veranstaltungen als "nur" die Filmvorführung gibt es auf dieser Seite. Eine Besprechung des Filmes gibt es bei epd-Film.
Surfer auf dem/im Zeitgeist
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Wenn ich das lese, dann kommt mir schnell der allgegenwärtige Gedanke: Die können es nicht verstehen, bzw. die wollen es einfach nicht hören, nicht sehen, nicht sprechen, was für wirkliche Wahrhaftigkeit zweifelsfrei-eindeutig zum Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik verändert werden muss.
Alles ist Ware, besonders der Mensch, wenn der wettbewerbsbedingte Profit- und Konsumautismus nicht endlich konsequent-kompromisslos für das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch beendet wird, dafür braucht es vor allem keinen Film mit dem Zeigefinger erhoben oder in den logischen Wunden unseres "Zusammenlebens".
Fragen wo Antworten ...
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D. Heintze: "Wieso ist der Wohnungsmarkt so eskaliert?"
Was eskaliert derzeit denn nicht, ist die Ursache denn noch nicht deutlich genug???
Der Kolonialismus, in Form der konfusionierenden Globalisierung der "Dienstleistungsgesellschaft", hat mit "Geschenken für sein globales Wirtschaftswunder" versucht den "Rest der Welt" zu korrumpieren, doch die waren schlauer und konnten den Spieß umdrehen.
Jetzt ist das Monopoly- und Schachspiel beendet, jetzt wird gepokert auf Teufel komm raus, mit "all in".