Es ist Freitagabend, und ich habe gleich ein Date. Mit einem Mann aus dem Schwarzwald, der laut Profil seiner Dating-App gern Musik macht, knutscht und Tiere streichelt. Sympathisch und süß, dachte ich, als der 33-Jährige auf meinem Handybildschirm erschien. Aber jetzt liege ich auf meinem Bett, starre an die Decke und denke nur noch: Ich kann nicht mehr!
Mir ist in den vergangenen Jahren zunehmend die Lust auf Männer vergangen. Doch nach jeder enttäuschten Hoffnung auf eine gesunde Beziehung raffte ich mich wieder auf, meldete mich auf Dating-Apps an, hielt bei Partys Ausschau, verabredete mich für Kennenlern-Spaziergänge und Kennenlern-Limos, ließ mich auf Beziehungen ein.
Jetzt aber ist es anders. Nicht, weil mein Wunsch nach einer funktionierenden Partnerschaft verpufft wäre. Sondern weil ich Bilanz gezogen habe. Und die fällt nicht gut aus. Während ich die vergangenen Jahre bei Männern auf der Suche nach Liebe war, fühlte ich die meiste Zeit vor allem eines: Verunsicherung. Weil sie mir tagelang nicht auf Whatsapp antworteten, sich andere Frauen warmhielten oder widersprüchliche Aussagen über ihre Gefühle machten.
Während ich auf der Suche nach jemandem war, bei dem ich mich fallen lassen kann, fand ich vor allem eines: Stress. Weil ich alle zehn Sekunden mit der Hoffnung auf eine Antwort auf mein Handy starrte, weil ich durch die emotionale Arbeit, die ich in meinen Beziehungen leisten musste, so erschöpft war, dass ich meine eigentliche Arbeit nicht mehr erledigt bekam. Und weil ich mir das Hirn zermarterte, warum die Männer, die ich kennenlerne, sich nicht binden wollen, oder – wenn doch – mich trotzdem wie den letzten Menschen behandeln.
"Bin heute Abend raus", schreibe ich dem Schwarzwälder, "liege mit Bauchschmerzen flach. Sorry!" Doch insgeheim spüre ich, dass ich nicht nur heute Abend raus bin. Sondern auch morgen und übermorgen. Die nächste Woche und den nächsten Monat. Vielleicht sogar für immer.
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