Der rechte Kulturkampf der AfD beginnt
Die Kulturstiftungen Sachsen-Anhalts begegnen dem rechtsextremen Nationalismus der AfD mit einem Zitat von Friedrich Nietzsche
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt
Rechtsextreme Kulturpolitik
Unterwegs mit einem "Stolz-Pass"?
Die Kulturpolitik der AfD ist nationalistisch und rechtsextrem. In Sachsen-Anhalt zeigt sich, was auf uns alle zukommen kann, wenn wir uns nicht sofort klar dagegen positionieren
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
23.05.2025
3Min

Nun liegen sie auf dem Tisch - die ersten Vorschläge zu all dem, was an nationalistischer und rechtsextremer Kulturpolitik noch alles kommen wird. Initiatorin für dieses Beispiel ist die Landtagsfraktion der AfD in Sachsen-Anhalt. Die Kampagne des Bundeslandes "#moderndenken" soll durch "#deutschdenken" ersetzt werden. Kern dieser Alternative ist ein "Stolz-Pass", der an einer "Straße des Deutschen Reiches" entlangführen soll.

Der "Stolz-Pass" kann – so der Plan – "an allen historischen Stätten, die im Zusammenhang mit der Kampagne stehen, erworben werden. Nach Art einer Stempelkarte sind auf ihm alle historischen Stätten im Zusammenhang mit der Kampagne verzeichnet, wobei der Eintritt sich je mehr vergünstigt, je mehr Stätten bereits besucht wurden". Durch den "Stolz-Pass" "soll ein grundsätzlich bejahender, unbelasteter, respektvoller und wertschätzender Umgang mit der deutschen Geschichte etabliert werden".

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Gedenkstätten sind nicht berücksichtigt. Mehr noch: "Weiterhin sind anstelle der sog. Gedenkstättenfahrten, die zurzeit an den Schulen in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung durchgeführt werden, Exkursionen zu historischen Stätten, die einen Bezug zu den jeweiligen Themen aufweisen, durchzuführen."

Das Ziel ist unmissverständlich. Das aufklärende, nachdenkliche und selbstkritische Gedenken auch deutscher Schuldgeschichten soll abgestellt werden: "Die Kampagne ‚#deutschdenken‘ verdeutlicht, dass unser kleines Bundesland mehr zur deutschen Identität beigetragen hat, als man vermuten mag, und nutzt diesen Fokus, um die Bezugnahme auf deutsche Identität von den Verkrampfungen und Hemmungen der letzten Jahrzehnte zu befreien."

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Die Landesregierung hat sofort abgewunken. Bemerkenswert ist die gemeinsame Stellungnahme der wichtigsten Kulturstiftungen des Bundeslandes. Die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, die Stiftung Bauhaus Dessau, die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt sowie die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt stellen der AfD ein schönes Nietzsche-Zitat entgegen: "Deutsch denken, deutsch fühlen – ich kann Alles, aber d a s geht über meine Kräfte."

Sie erkennen in dem Vorstoß der AfD einen weiteren Versuch, "die deutsche Nationalgeschichte im Sinne ihres identitären Kulturkampfs zu vereinnahmen." Das sei gefährlich. Bisher "standen einzelne Institutionen wie das Bauhaus oder die Landeszentrale für politische Bildung im Fokus der Angriffe". Jetzt sei es "die gesamte Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts."

Historisch gebildet, verweisen die Kulturstiftungen darauf, dass der "Slogan ‚#deutschdenken‘ auffällig an die ‚Reichenberger Rede‘ Adolf Hitlers aus dem Jahr 1938 vor begeisterten HJ-Angehörigen erinnert: ‚Diese Jugend, die lernt ja nichts anderes als deutsch denken, deutsch handeln und fühlen. Dann nehmen wir sie (die Jugendlichen) sofort in die Partei oder in die Arbeitsfront, in die SA oder in die SS und so weiter. Und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben, und sie sind glücklich dabei.‘"

Die Kulturstiftungen erklären dazu: "Wenn sich 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine Partei dieses Vokabular zu eigen macht und in dem Zusammenhang eine ‚kulturpolitische Wende um 180 Grad‘ verlangt, zeigt dies, in welcher Tradition sie zu verorten ist."

Die Reaktion dieser fünf wichtigsten Kulturstiftungen von Sachsen-Anhalt ist vorbildlich. Denn die kulturpolitischen Vorstöße der AfD müssen sofort zurückgewiesen werden, damit man sich gar nicht erst an sie gewöhnt. Zudem braucht es eine gemeinsame Reaktion, denn die Angriffe der AfD gegen die deutsche Erinnerungskultur gehen alle an.

Besonders wichtig erscheint mir, dass sich auch die Luthergedenkstätten daran beteiligen. Denn gerade auf den bedeutendsten Reformator haben die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten ein Auge geworfen. Denn sie wollen unselige nationalprotestantische Traditionen wiederbeleben. Deshalb ist ein modernes, ebenso konstruktives wie kritisches Luther-Gedenken heute so unverzichtbar.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur