Besucher im Miniatur Wunderland
Umsonst ins Miniatur Wunderland in Hamburg? Das geht im Januar an 22 Tagen. Ein Satz genügt: "Ich kann es mir nicht leisten"
Miniatur Wunderland Hamburg
Freier Eintritt im Miniatur Wunderland
"Man macht einfach ein paar Menschen glücklich"
Im Miniatur Wunderland in Hamburg haben ärmere Menschen an 22 Tagen im Januar kostenlosen Eintritt. Mitbegründer und Geschäftsführer Frederik Braun über Vertrauen und das Glück des Schenkens
Tim Wegner
16.01.2025
4Min

Das Miniatur Wunderland in Hamburg ist mit 1694 m² Modellfläche über mehrere Stockwerke und zwei Häuser mitten in der Hamburger Speicherstadt die größte Modelleisenbahnanlage der Welt. Die verlegten Gleise erstrecken sich über fast 17 Kilometer, auf denen rund 1200 digital gesteuerte Züge mit mehr als 12.000 Waggons fahren. Hinzu kommen mehr als 10.000 weitere Fahrzeuge und fast 300.000 menschliche Figuren, davon über 15.000 handgefertigt.

Wer an der Kasse des Miniatur Wunderlandes sagt: "Ich kann mir das nicht leisten", kann an 22 Tagen im Januar kostenlos in die Ausstellung. Mit dieser Aktion habt ihr 2015 begonnen. Wie kamt Ihr auf die Idee?

Frederik Braun: Wir waren mit unseren Zwillingen im Weihnachtsgottesdienst und der Pfarrer schenkte allen Besuchern, auch den Babys, eine kleine Tafel Schokolade. Als wir rausgingen, stand da eine Familie, deutlich sichtbar sehr arm. Die haben nach der Schokolade gefragt, weil sie wussten, dass dieser Pfarrer das immer so macht. Und als wir sie ihnen dann gegeben haben, habe ich ihr Glück gesehen und mein eigenes großes Glück gefühlt ... Da habe ich angefangen, darüber nachzudenken, ob wir Menschen so ein "Geschenk" nicht auch an unseren Eintrittskassen machen könnten. Seither machen wir diese Aktion immer im Januar.

Frederik Braun Miniatur Wunderland Hamburg

Frederik Braun

Frederik Braun eröffnete zusammen mit seinem Zwillingsbruder Gerrit 2001 das Miniatur Wunderland in Hamburg. Schon als Kinder liebte er Superlative und hat aus kleinen Anfängen die größte Miniatur-Eisenbahnanlage der Welt geschaffen. Das Miniatur Wunderland und seine Geschäftsführer engagieren sich seit ihrer Gründung in der Stadtgesellschaft und machen immer wieder durch unkonventionelle Ideen von sich reden.

Wie hat dein Team auf die Idee reagiert?

Die waren sofort begeistert. Umso erschrockener waren wir, als wir die ersten Reaktionen auf Facebook oder per Mail bekamen. Damit hatten wir nicht gerechnet.

Was haben die Leute geschrieben?

Wir hätten völlig ungerechtfertigt "blindes Vertrauen"; da würden vor allem "Sozialschmarotzer" kommen und bestimmt wären darunter auch "Porschefahrer", die uns doch nur "abzocken" wollten …

Ihr habt weitergemacht?

Gerrit und ich haben uns als Geschäftsführer immer wieder an die Kassen gestellt und gesehen, wie das war, wenn die Leute was gesagt haben oder einen Zettel herübergeschoben haben und dann auch umsonst rein konnten. Du siehst und fühlst, dass es echt ist. Ich erinnere mich an eine Mutter und ihren Sohn, die fingen beide sofort an zu weinen. Das Kind hatte sich zu Weihnachten einen Besuch bei uns gewünscht, doch das konnte sich die Familie nicht leisten. Nun war es ein paar Tage nach Weihnachten möglich.

Der Gegenwind wurde trotzdem schlimmer?

Leider ja, vor allem 2017. Da gab es viele Geflüchtete, an die wir uns auch ganz explizit gerichtet haben. Was da an Drohmails und Postings über uns hereinbrach, das war beispiellos. Einer schrieb: "Alle Eisenbahner hassen euch jetzt und wir wünschen euch eine bombenlose Zeit." Das habe ich veröffentlicht und gefragt: Hallo, wo sind die, die anders denken? Meldet euch! Werdet laut!

Gab es positive Reaktionen?

Es kam eine gewaltige Liebeswelle zurück, so habe ich das immer genannt. Das war toll. Aber warum musste ich erst fragen? Warum melden sich die vielen positiv denkenden Menschen nicht gleich? Warum ist die Mehrheit so still? Im Internet ist laut, wer hasst und schimpft, oder wenn es etwas Negatives zu berichten gibt. Das finde ich furchtbar.

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Warum fällt es so schwer, anderen Menschen etwas zu gönnen?

Darüber denke ich schon mein Leben lang nach und ich wünsche jedem einzelnen Menschen einen integrierten Neid-Detektor. Ich habe fünf Kinder und wenn einer ein tolles Lego-Teil bekommt, klar gibt es dann Neid. Wichtig ist, was ich meinen Kindern dann erkläre: Hey, seid nicht neidisch. Gönn das deinem Bruder – und im Übrigen hast ja auch du etwas Gutes davon und kannst mitspielen. Meine Lebensphilosophie habe ich von Albert Schweitzer übernommen: Glück ist das Einzige, was sich verdoppelt, wenn man es teilt.

Der Eintritt bei euch kostet für Erwachsene 20 Euro, für Kinder 12,50 Euro. Was verliert ihr im Januar, wenn ihr diese Aktion macht?

Wir sind der festen Überzeugung und können das auch nachweisen: eigentlich fast nichts.

Wie könnt ihr das nachweisen?

Wir sehen täglich, was die Menschen bei uns konsumieren; Mitbringsel kaufen, essen. Immer wenn wir die Aktionstage haben, geht dieser Umsatz signifikant runter. Die Leute, die umsonst in die Ausstellung kommen, haben definitiv kein Geld, um es dort auszugeben.

Aber es schummeln sich trotzdem ein paar rein?

Na ja, was heißt schon "schummeln"? Vielleicht gibt es zehn oder 20 Prozent dieser Menschen, die sich den Eintritt vielleicht auch leisten könnten, aber eben nur unter großen Schwierigkeiten. Warum sollten wir denen das nicht auch gönnen? Sicher gibt es auch welche, die wirklich lügen, die locker das Geld hätten. Aber deren Anzahl ist verschwindend gering.

Ihr seid laut Deutscher Zentrale für Tourismus schon seit Jahren immer wieder die "beliebteste" Sehenswürdigkeit Deutschlands. Pro Jahr habt ihr gut 1,6 Millionen Gäste. Vielleicht könnt ihr euch so einen "Luxus" einfach leisten? Anders als viele andere Museen oder Sehenswürdigkeiten?

Wir sind privilegiert, weil wir immer voll sind. Sicher, im Januar etwas weniger als sonst, aber wir brauchen so eine Aktion bestimmt nicht, um das Haus zu füllen. Wir können pro Tag maximal 5000 Menschen hereinlassen – doch an einigen Tagen im Jahr wollen dies tatsächlich 20.000 …

Wenn das so ist, warum macht ihr diese Aktion nicht das ganze Jahr über?

Tatsächlich ist es den Rest des Jahres einfach viel zu voll. Und wir erreichen auch mit diesen wenigen Wochen schon sehr viele Menschen. Über die letzten zehn Jahre waren es über 100 000! Eine wirkliche Erfolgsstory und dabei bleiben wir.

Gibt es Nachahmer?

Ich wundere mich immer wieder, wie wenig Anfragen wir von anderen Häusern bekommen und wie wenig bekannt wir mit dieser Aktion sind. Mir ist das schleierhaft, denn alle Einrichtungen haben eine Saure-Gurken-Zeit, in der alles läuft wie immer, doch weniger Menschen kommen. Die laufenden Kosten haben alle trotzdem. Man macht einfach ein paar Menschen glücklich.

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