Andererseits: Motive im Konflikt
Kati Szilagyi
Flüchtlingshelferin im Dilemma
Motive im Konflikt
Eine Frau hilft einer geflüchteten Familie - der Sohn möchte, dass sie seine Schwarzarbeit deckt. Was soll sie tun? Stefanie Schardien weiß Rat
28.12.2024
1Min

U. U. fragt:

Ich begleite seit 2015 eine syrische Flüchtlingsfamilie. Die Mädchen sind gut integriert, ein Sohn (22) der Familie nicht. Er hat einen Minijob, ­bekommt dazu Unterstützung, arbeitet aber schwarz. Nun habe ich auf seine Bitte hin einen Brief ans Jobcenter ­formuliert, er möchte ein Darlehen für ein Auto. So trage ich dazu bei, den Staat zu betrügen . . .

Stefanie Schardien antwortet:

Anderen helfen! Altruismus ist das stärkste Motiv von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe. Ein anderes Motiv: politisch ­Verantwortung zu übernehmen. Bei Ihnen geraten nun Motive in ­Konflikt. Aus Ihrer langjährigen Verbindung zur Familie möchten Sie den jungen Mann ­bei der Organisation des – vielleicht integrationsfördernden – Autos einerseits unterstützen.

Andererseits können Sie als politisch verantwortungsbewusster Mensch nicht mittragen, dass er die rechtsstaatlichen Standards missachtet, von denen er profitiert. Von denen er auch abhängig ist, was er und seine Familie hoffentlich wissen: Je nach Status drohen ihm für Schwarzarbeit Geld-, Haftstrafen oder Abschiebung. Warum bieten Sie dem jungen Mann nicht an, dass Sie seiner Bitte nach Unterstützung nur nachkommen, wenn er umgekehrt Ihre Bitten ernst nimmt?

Dort, wo Sie mit Ihrem Latein am Ende sind, sollten Sie gemeinsam unbedingt auch andere Hilfsangebote annehmen, etwa durch die Flüchtlingssozialar­beit der Diakonie. So vergrößert sich hoffentlich die Chance, dass er der Falle illegaler Arbeit entkommt und Sie dann mit ihm ganz offiziell und ohne ­moralische Bauchschmerzen den Darlehensantrag stellen können.

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