Noch bevor die Freude der Menschen über den Sturz des syrischen Diktators Baschar al-Assad verklungen war und ohne dass überhaupt klar ist, wie es in Syrien weitergeht und wie sicher das Leben in diesem vom Bürgerkrieg geschundenen Land jemals sein kann, kamen sie bereits auf – die Forderungen nach einer Rückkehr von syrischen Geflüchteten.
Dass man von der AfD nichts anderes erwarten kann, war klar. Die Rechtsextremisten träumen offen und ungeniert von "Remigration"; im Januar brachte dieser Umstand noch Hunderttausende auf die Straßen, die sich für Toleranz, Vielfalt und Demokratie einsetzten. Dass die Unionsvertreter eine ähnliche Tonart anstimmen wie die AfD, ist nicht nur unanständig, sondern auch unklug.
Denn: Bestimmte Themen ordnen die Wählerinnen und Wähler bestimmten Strömungen und Parteien zu. Wenn alle über ein solches Thema reden und Politiker es immer wieder in die öffentliche Diskussion einbringen, stärkt das die Partei, die für dieses Thema steht. Bei der Migration ist das vor allem die AfD. "Issue Ownership" nennt die Politikwissenschaft das. CDU und CSU scheinen sich also nach Kräften zu bemühen, die AfD ins Gespräch zu bringen, die von mehreren Landesverfassungsschutzämtern als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Dabei steht die AfD in Umfragen schon bei fast 20 Prozent.
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Vielleicht hat sich diese Erkenntnis noch immer nicht bis zur CDU herumgesprochen? Der hessische Innenminister Roman Poseck sagte jedenfalls schon am Montag: "Wir haben ein hohes Interesse, Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückzuführen – freiwillig oder im Rahmen von Abschiebungen." So wie Poseck legen auch viele andere CDU/CSU-Politiker ein kühles Kalkül an den Tag: Sie vermuten wohl, dass viele Deutsche so denken. Das ist nichts anderes als Populismus.
Dabei ist unklar, wie es in Syrien weitergeht. Gewiss ist nur, dass Assad Geschichte ist. Dem Land und den Menschen ist zu wünschen, dass sich dort demokratische und rechtsstaatliche Strukturen etablieren. Es wäre ein wichtiges Signal in einer Welt, in der das Pendel in eine andere Richtung ausschlägt – hin zum Autoritarismus. Ob es in Syrien so kommt, kann man hoffen - aber nicht wissen.
Der Öffentlichkeit in Deutschland nun vorzugaukeln, es sei ganz einfach, die Geflüchteten schnell wieder nach Syrien zu schicken, verkennt die Tatsachen und weckt bei manchen vielleicht auch Erwartungen, die überhaupt nicht erfüllbar sind. Das sät die Saat für neue Politikverdrossenheit, von der am Ende wieder nur die rechtsextremen Hetzer profitieren.
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Und: Es spaltet unsere Gesellschaft. Wer aus dem Bürgerkrieg in Syrien floh, ist hier in vielen Fällen schon Nachbar oder Mitbürgerin geworden. Einige Zahlen verdeutlichen die Entwicklung: 200 000 syrische Schülerinnen und Schüler besuchen eine Schule in Deutschland. Wie mögen sie sich fühlen, wenn sie merken, dass eine große Volkspartei Stimmung für ihre schnelle "Rückführung" macht? Was sollen diese jungen Menschen für ihre Zukunft hoffen?
Auch interessant: 50 000 Syrerinnen und Syrer besuchen Berufsschulen - sind also auf dem Sprung ins Berufsleben. Über 200 000 Menschen aus Syrien sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, das heißt, sie zahlen Steuern und Sozialabgaben und leisten wichtige Arbeit in Zeiten des Fachkräftemangels. Wieder andere von ihnen machen Jobs, die kaum jemand mehr machen möchte - und sind ungelernte oder angelernte Hilfsarbeiter. Weit über 100 000 Menschen, die aus Syrien stammen, sind mittlerweile eingebürgert, sind also Deutsche. Wie schnell muss sich in die Erleichterung über den Sturz Assads die Trauer gemischt haben, in Deutschland nie wirklich dazugehören zu können?
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Geflüchtete Bürgergeld beziehen. Die Zahlen variieren, um die 400 000 Menschen sollen es sein, darunter auch viele Kinder und Jugendliche, deren Eltern keine Arbeit finden. Gründe dafür gibt es viele - Sprachprobleme oder bürokratische Hürden zum Beispiel. Die Rückführungsrhetorik hört sich dieser Tage jedenfalls so an, als handle es sich bei allen Syrerinnen und Syrern um einen Fremdkörper im Land, den es schnellstmöglich loszuwerden gilt.
Sollte sich die Lage in Syrien stabilisieren, wird über den Aufenthaltsstatus vieler Menschen hier bei uns in Deutschland neu zu befinden sein. Das erfordert eine sachliche, auf Recht und Gesetz basierende Debatte ohne Schaum vor dem Mund.
Und nicht vergessen sollte man: Viele Syrerinnen und Syrer möchten zurückkehren und ihr Land wieder aufbauen. Wer lässt seine Heimat schon gern dauerhaft zurück? Viele von ihnen würden wir vermissen.