Aushang in einem Schaukasten vor der Siechenkapelle im Stadtteil Rüttenscheid am Vortag des AFD-Bundesparteitags 2024 und der angekündigten Gegendemonstrationen in Essen
'Selig sind die Friedfertigen' - Schaukasten vor der Siechenkapelle im Stadtteil Rüttenscheid am Vortag des AfD-Bundesparteitags 2024 in Essen
Michael Kneffel / Imago
AfD und Christentum
Nächstenliebe wird zur echten Herausforderung
Viele begründen mit ihrem Glauben, weshalb sie die AfD wählen. Und viele andere, weshalb gerade deshalb die AfD nicht wählbar sei. Korrigierte Fassung
01.08.2024
3Min

Richtigstellung: Am 30. Juni 2024 habe ich an dieser Stelle in dieser Kolumne über die evangelische Nachrichtenagentur Idea geschrieben. Ich habe geschrieben, dass im überregionalen Wochenmagazin von Idea in Sachsen aktuell eine Wahlwerbung der AfD für die Landtagswahl beiliege. Das war eine Falschinformation. Die Gesamtleiterin von Idea, Daniela Städter, teilte der chrismon-Chefredaktion mit, dass bei Idea seit 2018 diese Unvereinbarkeitserklärung gilt: "Wir haben uns in der Leitung entschieden, in Idea Spektrum als überparteilicher Zeitschrift keine Werbung mehr von Parteien zu schalten – auch wenn sie sich als 'Aufklärung' verstehen. Die Rechtsstruktur spielt dabei keine Rolle (Verein)."

Hier ist mein Kolumnentext ohne die Absätze über Idea:

Selten erreichen mich Rückmeldungen zu unserem Veranstaltungsprogramm der Evangelischen Akademie Sachsen. Zurzeit ist das anders. Mitte August beginnt eine Veranstaltungsreihe, in der der evangelische Landesbischof Tobias Bilz Gespräche mit den Spitzenkandidat:innen der demokratischen Parteien der politischen Mitte führt. Bereits wenige Minuten, nachdem wir mit der Öffentlichkeitsarbeit begonnen hatten, erreichten uns die ersten kritischen E-Mails.

Die allermeisten Nachrichten kommen von Menschen, die sich klar zur AfD bekennen und sich beschweren, dass Bischof Bilz nicht auch mit dem Spitzenkandidaten der AfD spricht. Viele weitere Zuschriften stammen von Personen, die der AfD eher nicht nahestehen und trotzdem der Auffassung sind, so ein Gespräch mit dem AfD-Spitzenkandidaten müsse stattfinden. Gerade weil sich der Landesbischof politisch und christlich eindeutig mit der Aussage "Unsere Aufmerksamkeit gilt allen gleichermaßen" positioniere.

Genau hier beginnt das Missverständnis, welches sich wie ein roter Faden durch die Debatten, Gespräche und Auseinandersetzungen - auch in den Kirchen - zieht: Nächstenliebe bedeutet nicht, nur seine Allernächsten zu lieben und alle anderen auszugrenzen, wie es die völkische AfD macht. Wer fordert, der Landesbischof möge sich gerade aus christlicher Perspektive mit einer politischen Führungsperson dieser Partei auf Augenhöhe begeben, betreibt das Geschäft der AfD: Denn dadurch würde der Bischof der AfD und ihren politischen Meinungen Aufmerksamkeit verschaffen - einer Partei, die ganze Menschengruppen von der öffentlichen Aufmerksamkeit ausschließen will und Menschen unterschiedlich wertet.

Für mich und für viele andere stellt sich die Frage, wie wir als christliche Menschen anderen plausibel machen können, dass sich das Menschenbild der AfD nicht mit dem christlichen Menschenbild verträgt. Das Bistum Dresden-Meißen hat jüngst darauf eine Antwort gegeben und einen Beschluss gefasst: Mit Bezug auf das Papier "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" der Deutschen Bischofskonferenz werden ab sofort Personen, die eine öffentlich wahrnehmbare Mitgliedschaft in extremistischen Parteien, Organisationen oder in deren Interesse Ämter und Mandate übernehmen, aus Gremien der Pfarreien ausgeschlossen. Damit unterstreicht auch das Bistum die Haltung, dass für Christenmenschen die AfD unwählbar ist. Und es unterstreicht die aktuell laufende Kampagne "Für alle – mit Herz und Verstand" anlässlich der Landtagswahl, die gemeinsam mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens realisiert wird.

Was können wir tun? Mit anderen reden, wir können versuchen, sie davon zu überzeugen, dass Gedanken der Ausgrenzung, das völkische Denken generell unchristlich sind. Nächstenliebe zu leben, wird zunehmend eine Herausforderung, auch schon in der eigenen Nachbarschaft oder eben auch in der eigenen Kirchgemeinde. Das ist jetzt so und wird nach der Landtagswahl weiterhin so bleiben.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.
Permalink

Christian Kurzke: "Nächstenliebe zu leben, wird zunehmend eine Herausforderung, auch schon in der eigenen Nachbarschaft oder eben auch in der eigenen Kirchgemeinde"

Es ist ja auch weder Wunder noch Phänomen, in einer pseudodemokratischen Welt- und "Werteordnung" des "gesunden" Konkurrenzdenkens für den nun "freiheitlichen" Wettbewerb um die Deutungshoheit, wo der zeitgeistlich-reformistische Kreislauf des stets und überall gleichermaßenen imperialistisch-faschistischen Erbensystems im Verhältnis 1:5 (Wohlstand : Tittytainment) der Weltbevölkerung im "Recht des Stärkeren" mit heuchlerisch-verlogener Schuld- und Sündenbocksuche betrieben wird, wo längst das ganzheitlich-ebenbildliche Wesen Mensch ein Gemeinschaftseigentum OHNE wettbewerbsbedingte Symptomatik "wie im Himmel all so auf Erden" gestalten sollte, entsprechend der Vernunftbegabung zu wirklich-wahrhaftiger Vernunft und zweifelsfrei-eindeutigem Verantwortungsbewusstsein, sozusagen in geistig-heilendem Selbst- und Massenbewusstsein, ANSTATT wettbewerbsbedingt-egozentriert-konfusioniertes "Individualbewusstsein"!?

Permalink

Seit Anbeginn reitet die deutsche evangelische Kirche - von Ausnahmen immer abzusehen - im Gleichschritt mit der herrschenden Meinung bzw. Meinung der Herrschenden (die katholische trabt i.A. eher hinterher). Spätestens seit dem Fürstenbündnis Luthers. Und derzeit ist das eben noch die grüne Meinung. Historisch gesehen also gänzlich unoriginell, dass diese Kirche farblich überaus flexibel ist. Man sollte nur eben nicht zur Unzeit ausscheren - das wird dann zur Krise hochstilisiert. Auch nichts Neues. Kommt also bitte einmal wieder runter; für die Ev. Kirche interessiert sich ohnehin nur noch eine kleine Minderheit tatsächlich (und das sind sicherlich eher nicht die angeblich Progessiven). Das ist eure tatsächliche Krise. Mit Verlaub. Und noch etwas: Nächstenliebe ist außerhalb der gelebten Praxis ein hohles, sinnloses Schlagwort. Wer kennt sie nicht, die verbalen Weltumarmer, welche sich einen Kehricht um ihre Nachbarn scheren.

Antwort auf von Dirk Kleinjakob (nicht registriert)

Permalink

Die Nächstenliebe als PARADOXON.
Kann es sein, dass sich die Nächstenliebe gegen sich selbst wendet und sich zum Paradoxon entwickelt?. Gestorben weil alles gegeben? Typisch dafür die Toleranz der Intoleranz. Bejubelt von den Gedankenlosen nur deshalb, weil sich dahinter ein verlogener Friede verbirgt, der mit Gewalt erzwungen wird?. Also mit dem Guten das Schlechte pflegen oder gar fordern. Ähnlich wie eine Verführung mit Zuckerwatte (bzw. Süßkram), wird man dadurch nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste unförmig. Noch kurioser ist, wenn das Gute, das Paradies (die Reinheit des Herzens) mit der Opferung (totaler Pazifismus!) von 100.000 Anderen "erkauft" wird. Dieser "Handel" der ehemaligen EKD-Führung ist unehrenhaft, widerspricht der Ethik und fördert Gewalt.  Steht dafür die Evangelische Kirche mit ihrer eigenartigen Nächstenliebe und dem Jubel auf Kirchentagen

Permalink

Ich habe Angst vor Extremisten, die, einmal an der Macht, dem Rausch ihrer Willkür nicht widerstehen können. Nicht besser sind aber auch die, die zwar verurteilen und sich dann aber von denen mit der KIST bezahlen lassen. Das ewige Leben, die Nächstenliebe ist ebenso zweideutig. Für mich das ewige Leben, für den Ungläubigen und grossen Sünder nicht. Wo ist da der Nachteil, die Strafe Gottes? Wer nichts hat, nichts spürt, der kann auch nichts vermissen. Bleibt nur, auch dem Ungläubigen und dem kleinsten heidnischen Kind das ewige Leben zu geben, aber im Fegefeuer. Eine eigenartige Nächstenliebe! Die alte EKD-Führung will als totale Pazifistin "reinen Herzens vor ihren Herrn treten" und kann wegen der Toleranz der Intoleranz (Ovationen auf dem Kirchentag) den Opfern der Gewalt nicht helfen. Der Preis für ihre "Himmelfahrt" ist mangelnder Widerstand für den Nächsten. Und alle schauen mit gutem Gewissen zu? Wer Gewalt toleriert, der wäre auch aus Reinheitsgründen mit seinem eigenen Tod einverstanden. Letztlich ein passiver Suizid. Was bleibt denn da noch vom Glauben übrig? Die Unglaubwürdigkeit ist wörtlich zu verstehen.

Permalink

Das ewige Leben, die Nächstenliebe, die Erbsünde alles doch sehr widersprüchlich wenn man weiter denkt. Für mich für den Glauben als Belohnung das ewige Leben, für den Ungläubigen und großen Sünder aber nicht. Wo bleibt da sein Nachteil, die Strafe Gottes? Denn wer nichts hat, wer nicht IST, der kann auch nichts vermissen und nichts spüren. An dem geht jedes Feuer vorbei. Bleibt also nur, auch dem größten Sünder, dem Ungläubigen und dem kleinsten heidnischen Kind das ewige Leben im Fegefeuer zu geben. Eine eigenartige Nächstenliebe! Frau Käßmann als vorherige EKD-Führung, will als totale Pazifistin "reinen Herzens vor ihren Herrn treten". Sie kann leider wegen der Toleranz der Intoleranz (Ovationen auf dem Kirchentag) deshalb den Opfern von Gewalt nicht helfen. Wenn rechte Backe, dann auch linke Backe. Der Preis für ihre "Himmelfahrt" ist demnach mangelnde Unterstützung und die Verweigerung der Notwehr für den Nächsten. Strafbar! Und alle schauen mit gutem Gewissen zu? Wer Gewalt toleriert, der wäre konsequent aus „Reinheitsgründen“ mangels Widerstand auch mit seinem eigenen Tod einverstanden. Letztlich ein passiver Suizid. Dann wäre also die Wehrhaftigkeit eine Erbsünde und ein Grund für die Verdammnis. Der Wehrlose wird mit dem frühen Tode belohnt und darf hoffen, vom Paradies aus zuschauen zu dürfen. Der wahre Sünder und Gewalttätige darf leben und dermaleinst auf die Nächstenliebe hoffen. Die größte Gefahr sind die, die allen anderen den Weg weisen wollen, sich verrennen und dann den Weg nicht mehr wissen.

Permalink

Selig sind die Friedfertigen! Das Gegenteil, die Verdammung, gilt dann ja wohl sicher auch für die Sympathiesanten der Gewalt und deren Umfeld. Die EKD hat mehrmals ihr Wohlwollen für die Gewalt der Kleber bekundet. Die Polizei hat jetzt bei Mitgliedern der Letzten Generation Hausdurchsuchungen gemacht. Zur Durchleuchtung des Umfeldes wäre dann auch eine Gewissensprüfung der EKD fällig. Eine "Me Too" Selbstbezichtigung der EKD wäre als Buße das Mindeste, was man erwarten könnte, aber nicht kann. Von dem, der seine Würden (Sakramente) auf dem Jahrmarkt verkauft, Unwahrheiten (Erbsünde als Erfindung lt. K. Sacher) von der Kanzel den freien Lauf läßt, sich mit der Kist von der politischen Gewalt (AFD) bezahlen lässt und die Gewalt der Kleber mit dem Glauben authorisiert, ist auch nichts anderes zu erwarten. Sowohl der EMMA-Brief wie der bedingungslose Pazifismus ist eine angewandte Form der Nächstenliebe als Toleranz der der Gewalt resp. der Intoleranz. Und dafür läßt man auf den Kirchentag jubeln! Ockenga.

Permalink

Die Nächstenliebe als PARADOXON.
Kann es sein, dass sich die Nächstenliebe gegen sich selbst wendet und sich zum Paradoxon entwickelt?. Gestorben weil alles gegeben? Typisch dafür die Toleranz der Intoleranz. Bejubelt von den Gedankenlosen nur deshalb, weil sich dahinter ein verlogener Friede verbirgt, der mit Gewalt erzwungen wird?. Also mit dem Guten das Schlechte pflegen oder gar fordern. Ähnlich wie eine Verführung mit Zuckerwatte (bzw. Süßkram), wird man dadurch nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste unförmig. Noch kurioser ist, wenn das Gute, das Paradies (die Reinheit des Herzens) mit der Opferung (totaler Pazifismus!) von 100.000 Anderen "erkauft" wird. Dieser "Handel" der ehemaligen EKD-Führung ist unehrenhaft, widerspricht der Ethik und fördert Gewalt.  Steht dafür die Evangelische Kirche mit ihrer eigenartigen Nächstenliebe und dem Jubel auf Kirchentagen

Bevor Andere mich rüffeln, JA, JA, Sie haben JA Recht, doppelt gemoppelt. Bleibt nur zu hoffen, das Treffer aus verschiedenen Winkel auf die gleiche Stelle tiefer eindringen.

Kolumne

Christian Kurzke

Christian Kurzke ist Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen. Täglich diskutiert er mit Menschen, die anders denken als er. Er will versuchen, sie zu verstehen, und schreibt über diese und andere Fragen in seiner Kolumne, alle zwei Wochen montags.