Gestern entdeckten oppositionelle Kräfte die Leiche von Mazen Hamada, einem der bekanntesten Kritiker des Assad-Regimes. Sein Körper lag zusammen mit Dutzenden anderer Leichen in einem Militärkrankenhaus des Regimes. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Toten offenbar erst vor Kurzem hingerichtet wurden.
Mazen Hamada wurde zwischen 2011 und 2013 während der Proteste dreimal inhaftiert und war brutaler Folter ausgesetzt. Nach seiner Flucht aus Syrien im Jahr 2014 ließ er sich in den Niederlanden nieder und wurde zu einer bedeutenden Stimme gegen die Verbrechen des Regimes. Mazen berichtete weltweit, auch vor dem Europäischen Gerichtshof in Den Haag, über die Menschenrechtsverletzungen in Syrien.
Doch der zunehmende Druck auf seine in Syrien lebende Familie belastete ihn psychisch schwer. In der Hoffnung auf Sicherheit kehrte er 2020 nach Syrien zurück, nachdem ihm eine syrische Botschaft Schutz zugesichert hatte. Seitdem fehlte jede Spur von ihm – bis gestern.
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Die tragische Geschichte von Mazen Hamada steht exemplarisch für die Unterdrückung durch das Assad-Regime. Berichten zufolge hat Baschir al-Assad nach dem Verlust der russischen und iranischen Unterstützung einen Großteil seiner Macht eingebüßt. Doch das Vermächtnis seiner Herrschaft wiegt schwer: Tausende Inhaftierte, Folteropfer und zerstörte Familien.
Die Syrer und Syrerinnen erleben derzeit eine Mischung aus Freude über das Ende des diktatorischen Regimes und Trauer über die Grausamkeiten, die ans Licht kommen. Die Befreiung von Gefangenen aus den Foltergefängnissen wird gefeiert, doch die Enthüllung weiterer Gräueltaten erfüllt die Gemeinschaft mit Schrecken.
Trotz der Freude über die Befreiung herrscht Unsicherheit. Viele fordern eine neue Verfassung, die die Rechte aller Bevölkerungsgruppen garantiert, Rachekampagnen eindämmt und den Weg für faire Gerichtsverfahren ebnet. Nur so können freie Wahlen und ein nachhaltiger Wiederaufbau des Landes gelingen.
Die syrische Gemeinschaft in Deutschland ist besorgt über politische Entwicklungen, insbesondere die Aussetzung von Asylanträgen und Aussagen deutscher Politiker, die eine freiwillige Rückkehr mit finanziellen Anreizen fördern. Viele von uns sind noch dabei, sich zu sortieren, wissen nicht, wie es weitergeht in Syrien – und schon signalisieren uns deutsche Politiker, dass man uns so schnell wie möglich loshaben will. Viele von uns hoffen dennoch, dass die deutsche Regierung ihrer Verantwortung gerecht wird, um diese schwierige Phase gemeinsam mit uns zu bewältigen.
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Syrien ist offiziell frei von Assad, doch die Herausforderungen bleiben gewaltig. Die kommenden Monate werden zeigen, ob das Land die Chance ergreifen kann, eine neue Ära des Friedens und der Gerechtigkeit einzuleiten.