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Mein Sohn ist für sein Alter (2,5 Jahre) sprachlich relativ weit. Das behaupte nicht ich, sondern die Kita-Leitung! (Okay, ich sage das natürlich auch, aber es ist nun auch von Experten offiziell abgesegnet.) Er erzählt den lieben langen Tag von seinen Gedankengängen und Beobachtungen. Seit einiger Zeit schleichen sich auch immer mal wieder abstraktere Themen ein ("Wir haben keinen Kleber mehr. Wir müssen zum Rewe. Wo ist der?").
Es ist immer wieder verblüffend, was ein Kind wahrnimmt, wie es Informationen interpretiert, woran es sich erinnert und welche Bezüge es herstellt. Wenn ich ihm aufmerksam zuhöre, ist es manchmal, als könnte ich einer kleinen Bahn in seinem Gehirn dabei zusehen, wie sie von Station zu Station fährt, hier und dort abbiegt und wieder zurückkommt. Zwar handelt es sich selten um konsistente Geschichten, aber ich kann einigermaßen nachvollziehen, wie er gedanklich vom Bobbycar über Opas Auto zur Fähre an der Nordsee kommt und vom Meer irgendwie wieder in unsere Dusche und schließlich beim Regen landet.
Wie Sie sehen, spielen Fahrzeuge auch in diesem Text eine größere Rolle. Insbesondere Schienenfahrzeuge üben nach wie vor eine große Faszination auf meinen Sohn aus. Er kann sehr genau zwischen ICE, IC, RE, RB, Güterzug, U-Bahn, Straßenbahn und S-Bahn unterscheiden. Amüsant sind für mich aber die kleinen alltagssprachlichen Stolperfallen und die weniger präzisen Zuordnungen. Man merkt, dass er etwas sagen will, das inhaltlich zusammenpasst. Dabei bringt er die Begriffe aber manchmal leicht durcheinander.
Beim Frühstück durfte der feine Herr beispielsweise ein Croissant essen. Das reichte ihm aber nicht, er wollte auch noch meins. Ich fragte ihn, ob ich wenigstens ein bisschen davon haben könne, woraufhin er sagte: "Ja, Papa. Wir können das Croissant beide auffressen." Fressen und essen sind natürlich nah beieinander. Für ihn vermischen sich die Begriffe gerade, weil ich zurzeit jeden Feierabend mindestens eine Stunde als Pferd auf allen vieren über den Teppich rutschen und meine Knie ruinieren muss, während der Kleine auf mir reitet und befiehlt, dass ich "noch ein Gras fressen" soll.
Apropos Pferd: Kürzlich habe ich seine abstehende Mähne betrachtet und ihn gefragt, ob wir am Wochenende nicht mal zum Friseur gehen wollen. Seine Antwort: "Nein, Papa, nicht zum Friseur. Ich lieb den nicht. Die Oma soll Haare schneiden." Eine äußerst klare Antwort, wenn auch ein wenig traurig für den ungeliebten Friseur.
Es kam auch schon vor, dass er Wörter erfand, die recht gut zum jeweiligen Kontext passten. Vor ein paar Wochen rutschte er auf der Treppe ab und kam zwei Stufen weiter unten zum Stehen. Er kommentierte: "Ups, ich hab mit den Schuhen geruntert. Das ist nicht schlimm!"
Oder der Kontext wird von einem Bereich auf einen anderen übertragen: Als er neulich wütend war, weil er keine Socken anziehen wollte, stampfte er auf den Boden und rief: "Ich bin sauer und eklig!" Er meinte natürlich "wütend", aber "sauer" hatte er in diesem Zusammenhang schon öfter von uns gehört. Da saures Essen manchmal auch eklig sein kann, passte das in seinem Kopf gut zusammen. Meine Frau und ich haben das direkt in unseren Sprachgebrauch übernommen und sagen jetzt ständig, dass wir sauer und eklig sind, wenn uns etwas ärgert.
Ob das unserem Sohn hilft, die feinen sprachlichen Unterschiede zu lernen? Ich bin mir nicht sicher. Andererseits hat er bisher jeden Unsinn irgendwann hinter sich gelassen, egal, wie oft wir ihn wiederholt haben. Zum Glück sind wir nicht der einzige Einfluss auf ihn. Das würde er gar nicht lieben - und wäre wieder sauer und eklig.



