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"Papa, bringst du uns etwas mit?" Immer, wenn ich verreise, kommt dieser Wunsch der Kinder. Er nervt mich dann zwar kurz, aber eigentlich finde ihn auch süß. Es ist noch nicht lange her, da ging es hoch her, wenn ich das Haus verließ und sie wussten, dass ich nun für ein oder zwei Nächte nicht zu Hause sein werde. Es wurde schon weit bevor ich losging ausführlich geweint und dann schließlich die süße Hand von innen gegen das Fenster geschlagen und so laut "Papa!" gerufen, dass ich beim Loslaufen immer einen riesigen Klos im Hals hatte.
Das hat es mir oftmals schwer gemacht. Also hatte ich damals die Idee, ich könnte ja von jeder Reise irgendetwas mitbringen, damit die väterliche Abwesenheit wenigstens auch sein Gutes hat. Das hat insoweit geholfen, als die Kinder dann während des Weinens immerhin freudig gefragt haben, ob ich ihnen wieder etwas mitbringe. Erwachsene können ja von Kindern sowieso viel lernen, aber unter anderem auch das: Es ist kein Widerspruch gleichzeitig über etwas traurig zu sein und sich darüber zu freuen. Heute weinen sie zum Glück nicht mehr, aber traurig sind die Kinder immer noch. Ich übrigens auch.
Zwar freue ich mich auch darüber, mal ein wenig freier zu sein und nicht so einen engen Zeitplan voller Familientermine zu haben. Aber es schwingt immer eine Portion Schwere mit – sie werden so schnell älter und die Zeit, in der sie sich über die Gesellschaft ihres Vaters einfach nur freuen, wird früh genug zu Ende gehen. Bald schon werden sie vielleicht denken "endlich mal ist er nicht da!" Und jeder Tag, an dem sie sich wünschen, etwas mit mir zusammen zu unternehmen oder einfach nur zu Hause zu sein und zu spielen und noch einfacher nur gleichzeitig im selben Raum zu sein und gemeinsam die Zeit zu erleben, jeder Tag, an dem sie sich das wünschen, ich aber nicht da bin, ist unwiderruflich verloren. Bei diesem Gedanken werde ich auch jetzt während des Schreibens ganz wehmütig.
Umso mehr macht es mir theoretisch Spaß, ihnen ein kleines Mitbringsel zu kaufen. Theoretisch, denn praktisch ist es ziemlich kompliziert. Meistens sind die Dienstreisen eng getaktet und es bleibt keine Zeit durch die Geschäfte zu streifen und sich umzuschauen. Da bleiben nur die Shops am Bahnhof: Buchladen oder Drogerie gibt es meistens.
Früher, als sie noch kleiner waren, war es einfacher. Ein Pixibuch oder einen sogenannten Quetschi – also ein Trinkpäckchen mit Obstmus – das hat immer gut geklappt. Doch diese Zeiten sind vorbei. An vielen Bahnhöfen gibt es mittlerweile auch diese Souvenirläden. Kappen mit dem Städtenamen, oder Magnete, Schürzen, Schlüsselanhänger, Riesenbleistifte oder Döschen mit Minzbonbons. Grundsätzlich ist dagegen nichts einzuwenden, aber anderseits will man auch nicht aus jeder beliebigen Stadt eine Schirmmütze haben. Außerdem sehen sie alle gleich aus – bis auf den Schriftzug. Sie kommen sicher auch alle aus der gleichen Fabrik irgendwo in China oder einem anderen fernen Land. Und sie sind völlig überteuert.
Gerade war ich Dresden und bin zwischen zwei Terminen durch die Altstadt gelaufen, um nach etwas für die Kinder Ausschau zu halten. Auch da waren überall diese Souvenirläden – drei bis vier direkt nebeneinander. Ich habe noch nie verstanden, welcher Logik es folgt, dass sich so oft Geschäfte, die mehr oder weniger das Gleiche verkaufen, direkt nebeneinander ansiedeln – vielleicht kann mir das mal jemand erklären. Ich freue mich über E-Mails. In Dresden hatte ich schließlich Glück, denn auf einmal stand ich vor mehreren Keks- und Stollen-Bäckereien. Und da gerade schon fast Vorweihnachtszeit ist, habe ich mich erst mal eingedeckt.
Letztlich ist es aber auch bei Mitbringseln so: Es kommt nicht so sehr darauf an, was ich mitbringe, sondern mehr darauf, dass ich etwas mitbringe. Und so habe ich schon ein paar Mal spätabends an der Tankstelle 500 Meter von unserem Haus entfernt drei Schokoriegel gekauft und die Kinder haben sich gefreut und laut Danke gerufen. Und jetzt freue ich mich auf die nächste Reise und bin gleichzeitig schon mal traurig darüber, dass ich dann weg sein werde.



