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Es bedeutet immer Stress und trotzdem liebe ich es: das wochentägliche Frühstück. Bei uns zu Hause bin ich dafür zuständig.
Ich wecke die Kinder, wecke sie noch mal, bitte sie ganz freundlich, sich anzuziehen, mache das noch mal, dann noch mal vielleicht ein bisschen weniger freundlich und dann kommen sie nach und nach zum Frühstückstisch. Es gibt immer irgendein Obst, Müsli und Toast mit Marmelade oder was auch immer gewünscht wird. Ganz besonders wichtig ist mir: das Obst. Ganz besonders wichtig ist den Kindern: der Toast.
Daher ist es nicht so schlimm, wenn das Obst mal ausgeht, aber wenn es nur noch wenige Scheiben Toast gibt, dann gibt es Diskussionen.
Ich biete dann normales Brot an. Das haben wir auch immer, weil wir Erwachsenen nicht so gerne Toast essen. Aber das normale Brot wird meistens abgelehnt. "Ich möchte aber auch noch einen Toast!", sagt dann ein Kind, wenn eines der Geschwister den letzten Toast genommen hat. Und das dritte Kind sagt: "Ich auch."
Aber es gibt eben nur noch eine Scheibe. Was soll ich tun? Bekommt die letzte Scheibe dann das Kind, das zuerst danach gegriffen hat? Oder das Kind, das am lautesten schreit? Mal so, mal so.
Ungerecht ist es allerdings in beiden Fällen. Und das bemerken die Kinder natürlich und sagen es sofort: "Das ist aber nicht fair!" Das bringt mich dann in Schwierigkeiten, denn ich versuche natürlich, fair zu sein – das habe ich in dieser Kolumne ja auch schon mal beschrieben. Nur hier geht das nicht. Egal, was ich tue, ich werde keinen weitere Scheibe herzaubern können. Also bleibt mir nur Ablenken durch intellektuelles Fordern.
Ich sage: "So ist das im Leben. Entweder es gibt Freiheit oder Gerechtigkeit. Ich bin für Freiheit und ich glaube, das ist euch auch lieber so." Das muss ich dann natürlich erklären und versuche es so: "Wenn Gerechtigkeit das Wichtigste wäre, dann müsste ich alles überwachen, was ihr esst. Denn es könnte ja sein, dass eure Geschwister das Gleiche wollen, und vielleicht gibt es das dann nicht mehr, weil ihr es schon gegessen habt. Das heißt: Ich müsste einen großen Plan aufstellen und würde euch immer zuteilen, was ihr essen dürft. Ihr könntet dann leider nicht mehr aussuchen."
Ja, gut, das klappt natürlich nur beim ersten Mal. Beim zweiten Mal haben die Kinder mich durchschaut und lassen sich nicht mehr beeindrucken.
Aber so ganz halte ich das mit Freiheit vor Gerechtigkeit sowieso nicht durch. Denn besonders für unsere Tochter ist das mit der Freiheit natürlich manchmal fies, denn als Jüngste ist sie eben nicht die Schnellste, und dann nimmt einer der Brüder den Toast oder um was es sonst gerade geht.
Dann schreite ich ein, obwohl ich diese Freiheitspredigt gehalten habe, und sage: "Wer frei sein will, muss auch Verantwortung zeigen." Und dann nehme ich dem Bruder den Toast mit der Bemerkung weg, dass es unfair sei, weil er älter ist und deswegen schneller isst und dann nichts mehr für die anderen bleibt. Aber er sagt dann natürlich: "So ist das eben an einem freien Frühstückstisch!" Und dagegen kann ich dann nichts mehr sagen.
Zum Glück ist unsere Tochter zwar jünger und langsamer beim Essen, dafür aber umso stärker beim Durchsetzen ihres Willens. Sie kann ganz gut selbst dafür sorgen, dass ihr nicht der letzte Toast weggenommen wird.
Andernfalls blieben mir nur zwei Möglichkeiten:
1. Ich müsste versuchen, zu erklären, dass das mit der Freiheit eben kompliziert ist und nur funktioniert, wenn die Starken, Schnellen, Großen, Älteren freiwillig (!) auf die Schwächeren, Langsameren, Kleineren, Jüngeren achten.
2. Ich sorge dafür, dass der Toast niemals ausgeht und alle immer genug haben.