Ein kleines Mädchen spielt ausgelassen und laut Schlagzeut
Begeisterte kleine Drummerin - Symbolfoto
Suteishi / Getty Images
Lärmende Kinder
Wie ich lernte, den Lärm zu lieben
Laute Geräusche waren für mich lange echte Folter. Heute kann ich damit umgehen. Warum mich nicht mal unsere Schlagzeug übende Tochter noch abschreckt
Lena Uphoff
30.01.2025
3Min

Wenn ich Staubsauge, ziehe ich mir einen Gehörschutz auf. Ich habe so einen großen orangefarbenen für die Baustelle. Den habe ich mir gekauft, als unser Erstgeborener ganz klein war. Als Baby ist er oft mitten in der Nacht aufgewacht und hat angefangen zu schreien. Er hat sich dann von mir nur beruhigen lassen, wenn ich alleine, aber mit ihm im Arm, im Wohnzimmer Tango tanzte. Das war ganz schön anstrengend, so mitten in der Nacht und übermüdet. Aber wenn ich stehen blieb, hat er wieder angefangen zu schreien. Damals dachte ich, dass ich nun weiß, warum manche Eltern ihre Kinder vor Verzweiflung schütteln.

Das ist natürlich schrecklich und gefährlich, und ich hatte mich auch immer im Griff. Aber nachts stundenlang angeschrien zu werden, ist wirklich Folter. Vor allem, wenn man keinen Ausweg sieht. Eine Zeit lang war ich wirklich verzweifelt und habe getanzt und getanzt und mir immer wieder gesagt, irgendwann wird es besser.

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Das wurde es dann auch - als ich den Gehörschutz gekauft habe. Der Sohn hat zwar immer noch geschrien, aber ich habe es einfach nicht mehr so laut gehört und wurde innerlich ruhiger und konnte ihn dadurch auch schneller beruhigen. Sowohl Aufregung als auch Ruhe überträgt sich von den Eltern aufs Kind. Der Gehörschutz hat also alles besser gemacht. Bis auf meine Tangofähigkeiten. Die haben ein wenig darunter gelitten, weil ich die Schritte nicht mehr ganz so oft wiederholt habe.

Seitdem habe ich eine innige Beziehung zu diesen Micky Mäusen, wie der Gehörschutz liebevoll genannt wird. Beim Zimmersaugen oder beim Löcher in die Wand Bohren oder Rasenmähen, stets nimmt er die Spitze des Lärms und lässt mich ausgeglichen bleiben. Denn, Sie haben es vielleicht schon erraten, eigentlich kann ich laute, nervige Geräusche schwer ertragen.

Weil unsere Freunde das wissen, waren sie einigermaßen überrascht, als ich erzählte, dass unsere Tochter nun Schlagzeugunterricht nimmt und wir ihr ein Schlagzeug gekauft haben. Es steht in ihrem Zimmer, und wenn sie übt, hallen die Geräusche der Drums durchs ganze Haus.

Interessanterweise stört mich die Lautstärke bisher nicht. Und das liegt nicht daran, dass unsere Tochter nach ein paar Wochen schon so gut ist, dass nur wohlklingende Töne aus ihrem Zimmer durchs Haus schweben. Auch für sie ist es ein langer Weg, fürchte ich, und der führt am Üben nicht vorbei.

Trotzdem ziehe ich keine Micky Mäuse auf, wenn sie übt. Die lauten Geräusche stören mich nicht, ich sitze im Wohnzimmer, lausche, wie sie übt, und freue mich daran. Ich spiele kein Instrument und habe das immer sehr bedauert. Wenn sie das jetzt anders macht, bin ich sehr stolz auf sie.

Aber ich glaube, es hat noch einen tieferen Grund, dass ich die Übungsgeräusche nicht als Lärm empfinde. Das zeigt einmal mehr, wie die Liebe alles verändern kann. Das klingt vielleicht etwas pathetisch. Aber ich glaube, es stimmt.

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Wenn ein anderes Kind über mir säße und lautstark üben würde, wäre ich sicher nicht so ausgeglichen. Wahre Liebe kann eben auch die größte Kakophonie in einen lieblichen Wohlklang verwandeln - außer stundenlanges nächtliches Babygeschrei. Umso mehr danke ich an dieser Stelle übrigens unseren Nachbarn, dass sie sich nicht beschweren!

Die Micky Mäuse könnte ich übrigens auch gar nicht aufziehen, selbst wenn ich wollte. Der Schlagzeuglehrer hat uns empfohlen, dass die Tochter sie beim Üben trägt.

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Kolumne

Michael Güthlein
,
Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (1) und drei Kinder (10, 9, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.