kleiner Junge schaut fasziniert auf einen Plattenspieler
Faszination Vinyl - für Kleine und Große
moodboard/Getty Images
Geschichten für Kinder
Die Geister, die ich rief
Mit großem Enthusiasmus möchte ich meinem Sohn Hörspiele und Bücher aus meiner Kindheit näher bringen. Leider gehen unsere Geschmäcker etwas auseinander
Tim Wegener
01.05.2025
3Min

Das Erste, was ich zu meinem Sohn nach der Geburt gesagt habe, war: "Ich bin dein Vater!". Was ein bisschen pathetisch klingt, ist eines der bekanntesten Zitate aus "Star Wars". Ich fand mich selbst in dem Moment urkomisch. Er schrie mich nur an. Das passte gut zu der Szene, in der Bösewicht Darth Vader dem Helden Luke Skywalker offenbart, dass er sein Papa ist. Auch Luke schrie seinen Vater laut und mit verquollenem Gesicht an.

Ich erzähle das, weil ich hoffe, dass ich eines Tages mit ihm gemeinsam die Star Wars-Filme gucken kann, die mir nach wie vor viel Freude bereiten. Jetzt, da er gerade zwei Jahre alt ist, ist das noch ein bisschen früh. Immerhin zeigt er jetzt langsam Interesse an Unterhaltung, Popkultur und Franchises. Schon seit ein paar Monaten erkennt er zuverlässig alles von "Paw Patrol" oder "Peppa Wutz" – zwei Kinderserien, die gerade voll angesagt sind.

Mittlerweile hat er auch eine Menge Disney-Hörspiele auf seiner Tonie-Box (so eine Art Bluetooth-Box für Kinder). Da hört er gerne "Der König der Löwen" und "Die Monster AG". Wir haben sogar noch eine alte Schallplatte von den "Aristocats" aufgetrieben (richtig gelesen: Unser Sohn hört liebend gerne ganz analog auf dem Plattenspieler und schaut bedächtig dabei zu, wie sich das Vinyl im Kreis dreht). Das freut mich ein bisschen, weil ich diese Geschichten selbst aus meiner Kindheit kenne und damit mehr anfangen kann als mit "Paw Patrol".

Manchmal sitzen wir also zusammen im Wohnzimmer, singen "Hakuna matata" und ich versinke in Kindheitserinnerungen. Ich kann es kaum erwarten, ihm mit der Zeit alle meine fiktionalen Kindheitshelden und -heldinnen vorzustellen: Benjamin Blümchen, Pippi Langstrumpf, Bibi Blocksberg, Die drei Fragezeichen und Harry Potter.

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Das Problem ist: Schon jetzt hat er nicht immer Lust auf dieselben Geschichten wie ich. Während für mich die Vorlese- oder Hörbücher mit einer spannenden Handlung interessanter sind, möchte er einfach nur witzige Geräusche, absurd verstellte Quiek-Stimmen oder anstrengende Kinderlieder hören. Dann laufen auf Dauerschleife Ohrwürmer wie "Alle meine Entchen", "Baby Shark" und "Bruder Jakob" auf Spotify. Oder er will zum achten Mal in Folge die Sesamstraße hören, während meine Gegenvorschläge auf Widerstand treffen und ich schließlich genervt das Weite suche.

Andererseits bin ich froh, dass er sich überhaupt so sehr für Hörspiele und Bücher interessiert und nicht schon ständig an irgendwelchen Bildschirmen hängt. Klar, Smartphones findet er total faszinierend, aber vom Fernseher und Tablet konnten wir ihn noch erfolgreich fernhalten. Keine Bildschirmzeit vor drei Jahren, raten Kinderärzte. Auch danach sollten sie nur sehr wenig Zeit damit verbringen. Das klappt bis auf regelmäßige Videocalls mit Oma und Opa bislang recht gut.

Noch dazu soll er ruhig seinen eigenen Geschmack entwickeln und neue Sachen ausprobieren, die seine Peergroup cool findet – und nicht nur Papas olle Kindergeschichten. Manchmal muss ich mir deshalb bewusst machen, dass es hauptsächlich darum geht, ihn zu unterhalten und nicht mich. Auch wenn es die Sache wesentlich erträglicher macht, wenn man wenigstens einen nostalgischen Bezug zum Gedudel hat, das den ganzen Tag durch die Wohnung schallt.

Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, eines Tages mit ihm gemeinsam in weit entfernte Galaxien einzutauchen, die Rätsel der Zauberschule Hogwarts aufzudecken und zu bangen, ob Frodo rechtzeitig den Schicksalsberg erreicht, um den Ring hineinzuwerfen. Bis dahin muss ich dafür wohl auf meine Kumpels zurückgreifen und mit meinem Sohn zum neunten Mal die Sesamstraße anhören.

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Kolumne

Michael Güthlein
,
Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (2) und drei Kinder (11, 10, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.