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Es gibt ja dieses neumodische Wort für das alte Phänomen, dass man in ein Loch fällt, wenn die Kinder ausziehen: Empty-Nest-Syndrom. Unsere Kinder sind ja erst sechs, zehn und elf Jahre alt. Aber manchmal denke ich, dieses Empty-Nest-Syndrom, das habe ich schon jetzt, prophylaktisch sozusagen. Ich male mir gelegentlich aus, wie es sein wird, wenn wir keine Kinder mehr zu Hause haben und auf einmal alles still ist. Eine unendliche Leere und Stille tut sich auf. Fast wie der Tod, na ja, nicht ganz, aber trotzdem bedrückend.
Natürlich kann ich auch die guten Seiten sehen. Einfach wieder Zeit für die Dinge haben, die man sich selbst aussucht. Oder mehr Zeit für mich und meine Frau. Privatsphäre als Paar. Alles nicht schlecht. Im Gegenteil. Aber wie lange trägt das?
Letztens habe ich mich mit einer Bekannten unterhalten, die keine Kinder hat. Irgendwie kamen wir auf das Thema Elternsein. Ich sagte, dass ich das als meine wichtigste Aufgabe im Leben empfinde, ja, dass ich sogar sagen würde, das Vatersein gibt mir Sinn. Sie war dann plötzlich ziemlich aufgewühlt und sagte: Das verstehe sie gut und das sei auch der Grund, warum mein Leben Sinn ergebe und ihres nicht.
Das fand ich ziemlich krass und habe vehement widersprochen. Es gibt genug Menschen ohne Kinder, denen es gut geht und die sowohl aus der Außenperspektive als auch nach Eigenaussage ein sinnvolles Leben führen. Trotzdem dachte ich: Wie würde es mir gehen, wenn ich keine Kinder hätte? Oder eben, wenn die Kinder einmal ausgezogen sein werden?
Hier in Hessen sind Sommerferien und das bedeutet für meine Frau und mich immer auch: Wir können das Alleinsein ein bisschen üben. Denn wir können natürlich nicht die ganzen sechs Wochen Sommerferien freinehmen. Deswegen verbringen die Kinder mindestens eine Woche bei den Großeltern. Am Anfang ist das ganz befreiend. Wir haben sturmfrei, und es ist so ähnlich wie wenn Jugendliche sturmfrei haben: Party!
Wir kochen uns Dinge, die die Kinder nie essen würden: Leber mit Bratkartoffeln und Zwiebeln oder lieber ein Curry mit viel Gewürzen und Gemüse? Und dazu Wein und nach dem Essen einfach sitzen bleiben und reden und dann auf die Couch wechseln und nicht drei Kinder ins Bett bringen.
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Aber am vierten Tag wird es hart. Die Sehnsucht wird größer. Zum Beispiel, als ich zufällig im Zimmer unserer Tochter einen Hocker sehe, den sie sich unter das Fenster gestellt hat, um es kippen zu können. Eigentlich etwas Banales. Aber auf einmal haben wir sie vor uns gesehen, wie sie so selbstständig ist, und plötzlich haben wir sie wahnsinnig vermisst und sind in ihr Bett gesprungen.
Es ist eben auch mit Kindern so wie immer im Leben: Das Gras ist immer da grüner, wo man gerade nicht ist. Zum Glück sind wir fähig zu reflektieren und können uns das so sagen. Und zum Glück sind die Kinder nur im Urlaub und noch nicht ausgezogen. Das dauert ja noch ein paar Jahre.
Wer weiß, was wir dann empfinden. Wir haben ja die Pubertät unserer Kinder noch nicht durchgemacht. Nach allem, was andere Eltern erzählen, könnte es sein, dass wir danach gar nicht so unzufrieden sind, wenn die Kinder ausziehen. Vielleicht gar nicht so sehr, weil wir uns dann wieder selbst verwirklichen können, sondern einfach, weil wir uns erholen und ausruhen müssen.