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Ich habe ein Problem. Ich gehe nicht gerne ins Bett, bin aber auch nicht gerne müde. Das ist natürlich eine schwierige Kombination, vor allem, wenn man noch mitbedenkt, dass ich durchaus gerne schlafe. Nur das Schlafengehen, das macht mir Schwierigkeiten. Denn es könnte ja noch etwas passieren und außerdem gibt es immer mindestens noch drei bis vier Bücher, die ich weiterlesen möchte.
Leider habe ich diese schwierige Kombination aus Eigenschaften an meine Kinder vererbt, glaube ich. Das zeigt sich immer, wenn es daran geht, ins Bett zu gehen. Es gibt dann am Abend immer noch eine Geschichte aus der Schule, die unbedingt erzählt werden muss. Oder ein Buch, das unbedingt noch weitergelesen werden muss oder ein Bild, das noch nicht ganz fertig gemalt ist. Oder einen Magen, der plötzlich doch noch merkt, dass er nicht ganz gefüllt ist und mindestens noch ein Käse- oder Salami-Brot bräuchte.
Ich verstehe diese Anliegen und möchte die Geschichten natürlich auch hören und die Bilder gerne fertig gemalt sehen und all das. Also stellt sich mir die Frage: Was ist eigentlich wichtiger? Ausgeschlafensein oder einen angenehmen und entspannten Abend zu haben? Überhaupt: Wie teilt man seine Zeit gut ein und was will ich meinen Kindern vermitteln?
Das geht ja nicht nur abends so, sondern auch morgens. Da stehen das entspannte Frühstück und der gute Start in den Tag in Konkurrenz zum ein bisschen länger schlafen und rechtzeitig in die Schule kommen. Ich erinnere mich noch, dass mein Bruder meine Eltern schon vor dreißig Jahren damit verrückt gemacht hat, dass er sich morgens nicht aus der Ruhe bringen ließ. Er war sowieso schon zu spät, meine Mama drängelte und er nahm sich im Bad so viel Zeit, wie er brauchte, frühstückte in seinem Tempo und setzte sich gemütlich auf die Treppe, um sich in aller Seelenruhe die Schuhe zu binden. Als er endlich aus der Tür war, lief er los, ohne ein Anzeichen des Gestresstseins. Er kam ständig zu spät. Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Es hat ihm nicht geschadet. Vielleicht sogar im Gegenteil. Sich nicht stressen lassen, das ist durchaus eine wichtige Eigenschaft im Leben
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Da unsere Kinder mit dem Bus in die Schule fahren, ist es morgens klar, dass es rechtzeitig losgehen muss. Denn der Bus fährt genau einmal und wenn er weg ist, kommt kein anderer. Aber abends kann man sich eben schon mehr Zeit lassen oder streng auf die richtige Insbettgehzeit achten.
Bei uns wird schon das Abendessen meistens doch später als geplant. Schon ist sie also wieder da, die Frage, ob nun Stress angesagt ist oder ruhig bleiben. Denn Schlaf ist ja erwiesenermaßen wichtig: Unsere sechsjährige Tochter sollte elf Stunden schlafen, unser zehnjähriger und unser elfjähriger Sohn auch nicht viel weniger. Da sie um sieben aufstehen müssen, um noch gut frühstücken zu können, müssten sie also um acht im Bett sein. Die Betonung liegt hier auf müssten.
Um acht sitzen wir meistens noch beim Abendessen. Dann sage ich: Jetzt aber schnell. Die Kinder aber bleiben einfach sitzen, wechseln auf die Couch und nehmen sich ein Buch oder merken an, dass sie gerne noch einen Nachtisch hätten. Dann versuche ich es also fünf Minuten später wieder: Jetzt aber schnell. Und die Kinder wiederholen ihr Programm. Wenn sich unsere Tochter dann endlich auf den Weg macht, die Treppe hoch in Richtung Bad und Schlafzimmer zu gehen, lässt sie sich so viel Zeit wie möglich. Sie spielt auf der Treppe, setzt sich immer wieder hin und kommt dann plötzlich wieder runter in die Küche, um noch etwas zu sagen. Die Jungs machen es ähnlich.
Eine Möglichkeit ist dann, den Druck zu erhöhen. Das bedeutet mit strenger Stimme und in stetig kürzer werdenden Intervallen einzuklagen, dass es nun wirklich Zeit ist und daran zu erinnern, dass sie doch schon heute Morgen so müde waren und unbedingt weiterschlafen wollten. Mit dieser Taktik liegen sie dann irgendwann im Bett und ich kann mich vor lauter Antreiben und Strengsein gleich dazu legen. Ohne Stress kann es dann aber halb zehn werden, bis die Kinder schlafen. Was ist besser? Ich weiß es nicht, aber ich denke, mein Bruder hat es früher vielleicht doch richtig gemacht. Dieses Leben stresst uns schon genug, ohne dass wir etwas machen können. Dann doch lieber eine halbe Stunde weniger Schlaf, aber beim Einschlafen ein Lächeln auf den Lippen.