Kleiner Junge im Flugzeug nimmt Kontakt auf zu anderen Passagieren
Unterwegs mit Baby oder Kleinkind kommt man immer ins Gespräch, oftmals auch unfreiwillig
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Unverhoffte Kontaktaufnahme
Wenn Kleinkinder Fremde zum Smalltalk einladen
Unser Sohn grinst gerne Fremde in der U-Bahn an. Die verstehen das oft als Einladung zum Smalltalk - zum Leidwesen des Vaters
Tim Wegener
02.05.2024
5Min

Kleine Kinder haben die nahezu unnachahmliche Eigenschaft, fremde Menschen zum Smalltalk zu bewegen, wie es sonst vielleicht nur noch süße Hunde haben. Als Journalist bin ich es zwar gewohnt, mit fremden Menschen über Gott und die Welt zu sprechen. Aber im beruflichen Kontext ist man dafür meistens gut vorbereitet. Plötzlich sind unverhoffte Gespräche mit Menschen, die ich nicht kenne, Teil meines Alltags. Und die Frage: Wie komme ich da wieder raus, wenn ich die Person unsympathisch finde?

Denn: Mein Sohn grinst unablässig fremde Leute in der U-Bahn an. Oder im Bus, im Park, auf dem Spielplatz, im Supermarkt, im Restaurant. Ein breites, fröhliches Kleinkindgrinsen mit Zähnchen. Das ist einerseits süß, weil sich viele Menschen darüber freuen, von einem Einjährigen angelächelt zu werden, und dann zurücklächeln (was ihn wiederum freut, weil er dann ein neues Publikum hat und nicht nur den langweiligen Papa). Andererseits nehmen es fremde Passanten oft genug zum Anlass, mit mir ein Gespräch anzufangen.

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Das beginnt bei harmlosen Begegnungen mit Senioren, die nach Name, Alter und Geschlecht des Kindes fragen und ob er schon laufen kann. Oft gefolgt von einem: „Unser Jürgen hat damals auch ständig seinen Schnuller weggeworfen, aber der ist jetzt schon 47 und arbeitet als Rechtsanwalt.“ Gut, dass ich das jetzt weiß, falls ich ihm mal vor Gericht begegne.

Anstrengendere Fälle waren etwa der stark alkoholisierte Mann, der auf einer Parkbank lag und meiner Frau folgte, um mit dem grinsenden Kind herumzualbern. Das Kind hat sich gefreut. Meine Frau fand es eher unangenehm.

Und dann sind da noch Menschen wie Carl. Carl sprach uns, nach einer kindlichen Grinse-Offensive, in der Lobby eines Hotels an. Carl, 56, ist in den USA geboren, hat aber schwedische Vorfahren. Er hat seine Kindheit in Kanada verbracht und lebt seit 30 Jahren in Japan. Sein Geld verdient er als Englischlehrer in Onlinekursen. Und er betreibt eine IT-Firma mit Sitz in der Ukraine. Ich weiß außerdem, dass er General Pattons Strategien im Zweiten Weltkrieg schätzt und was ihn an japanischen Häusern stört (dass nicht alle Räume beheizt werden), wie seine Corona-Infektion im Detail verlief und dass sein Sohn eine neue Freundin hat, die zu Carls Freude auch Japanerin ist. Puh! 

Natürlich könnte ich diese Unterhaltungen einfach abwimmeln, aber ich will ja nicht unhöflich sein. Und manchmal kommen sogar überraschend nette Gespräche zustande. Mit anderen Eltern kann man über defekte Fahrstühle, fehlende Wickeltische im Restaurant jammern oder sich Tipps geben, wo die besten Spielplätze zu finden sind. 

Oder der ältere Herr, der meiner Frau erzählt hat, wie er in den 1980er Jahren schräg angeguckt wurde, wenn er als Vater alleine mit seinen Kindern auf den Spielplatz gegangen ist – ohne die Mutter. „Dabei wussten die anderen Väter gar nicht, was sie verpassen!“, sagte er ihr stolz.

Hin und wieder habe ich sogar schon einen hilfreichen (!) Ratschlag erhalten. Als ich mit dem quengelnden Kleinen an einer Bushaltestelle stand und eine Milch mischen wollte, löste sich das Pulver in der Flasche partout nicht auf. Eine erfahrenere Mutter zeigte mir, wie ich die Flasche korrekt schütteln musste, damit es klappt.

Mit der Zeit fällt es mir jedenfalls leichter, mich auf die Gespräche einzulassen und die hilfreichen von den anstrengenden zu unterscheiden. Im Notfall hilft die Flucht oder eine schlechte Ausrede. Und wer weiß, vielleicht spreche ich, wenn mein Sohn ein Teenager ist, auch einfach mal andere Teenager an, wenn er mit mir Bahn fährt. Das wird ihn sicher freuen!

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Kolumne

Michael Güthlein
,
Konstantin Sacher

Michael Güthlein und Konstantin Sacher sind Väter: ein (1) und drei Kinder (10, 9, 6). Beide erzählen über ihr Rollenverständnis und ihre Abenteuer zwischen Kinderkrabbeln und Elternabend, zwischen Beikost und Ferienlager. Ihre Kolumne erscheint alle zwei Wochen; sie schreiben im Wechsel.