Ukrainerinnen bei der Jobberatung der Deutschen Bahn in Köln
Ukrainerinnen bei der Jobberatung der Deutschen Bahn in Köln
Political-Moments/IMAGO
Geflüchtete am Arbeitsmarkt
Dürfen Ukrainer und Ukrainerinnen weiterhin sofort arbeiten?
Meine Landsleute konnten sich bisher sofort in Deutschland eine Arbeit suchen. Eine Formulierung im Koalitionsvertrag lässt mich fürchten, dass das womöglich geändert werden soll
Lena Uphoff
15.04.2025
3Min

"Flüchtlinge mit Aufenthaltsrecht nach der Massenzustrom-Richtlinie, die nach dem 01.04.2025 eingereist sind, sollen wieder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, sofern sie bedürftig sind. Die Bedürftigkeit muss durch konsequente und bundesweit einheitliche Vermögensprüfungen nachgewiesen werden" – so steht es im neuen Koalitionsvertrag. Das betrifft nun auch Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind.

Bisher galt ein anderes Recht für ukrainische Geflüchtete. Sie genossen gemäß der sogenannten "Massenzustrom-Richtlinie" vom März 2022 ein besonderes "Schutzrecht". Dafür mussten sie nur einen Fragebogen ausfüllen und einen gültigen Reisepass vorlegen. Anders als jetzt im Koalitionsvertrag vereinbart, gab es keine ernsthafte Überprüfung des Vermögens oder anderer finanzieller Mittel. Waren diese (wenigen) Voraussetzungen erfüllt, konnten Ukrainer und Ukrainerinnen vom ersten Tag an Sozialhilfe, also Bürgergeld, und Wohngeld beantragen und, fast noch wichtiger, sofort eine Arbeit aufnehmen.

Lesetipp: Warum eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge eine schlechte Idee ist

Ich habe vor den Lockdowns in Deutschland gelebt und damals im Rahmen der Deutschkurse viel mit Geflüchteten aus anderen Ländern gesprochen. Ich kannte die Bedingungen, unter denen sie in Deutschland leben, sehr gut. Und ich war überrascht, dass für ukrainische Flüchtlinge andere Regeln galten.

So habe ich nicht verstanden, warum Ukrainer das Bürgergeld auf gleicher Basis wie die Einheimischen erhalten sollten. So schrecklich ihr Schicksal auch oft ist, sie sind nun mal keine "Einheimischen", und diese Vermischung und auch der dadurch entstandene Unterschied zu anderen Geflüchteten hat zu vielen Missverständnissen und Neiddebatten geführt. Was ich jedoch immer begrüßt habe, war die Ausnahmeregelung für die Arbeitsaufnahme. Das war und ist sinnvoll.

Aus meiner journalistischen Arbeit und vielen Interviews mit Mitarbeitenden der Agentur für Arbeit oder Jobcentern oder mit Organisationen, die mit Flüchtlingen arbeiten, weiß ich: Keiner findet es sinnvoll, wenn geflüchtete Menschen, egal aus welchem Land, in Deutschland schwer in Arbeit kommen. Denn das ist leider die Regel. Andere Asylsuchende als die aus der Ukraine dürfen in der Regel erst drei Monate nach Einreichen ihres Asylantrags arbeiten; wohnen sie noch in einer Aufnahmeeinrichtung, also in einem Flüchtlingsheim, dauert es noch länger. Und wenn sie den Antrag auf Arbeitserlaubnis gestellt haben, muss dieser bearbeitet werden. Die Ausländerbehörden sind überlastet. Monate, manchmal sogar Jahre, können so mit sinnloser Warterei ins Land gehen.

Das Land braucht diese Menschen - doch anstatt sie schnell zu integrieren, lässt man sie "draußen" warten: unter oft unwürdigen Verhältnissen in Flüchtlingsheimen und Containern. Weil sie keine Arbeitserlaubnis bekommen. Das schadet nicht nur den Geflüchteten, es schadet vor allem der deutschen Wirtschaft. Denn überall werden Arbeitskräfte gesucht; und da gibt es diese Menschen, doch sie dürfen nicht arbeiten, zahlen keine Steuern - sondern kosten auch noch Steuergelder, weil sie nicht für sich selber sorgen können.

Ich weiß noch genau, wie froh ich war, dass es bei meinen Landsleuten anders laufen sollte. Ich wusste, dass sich viele schnell selbständig machen würden, um selbst verantwortlich sein zu können, keine Sprachzeugnisse vorlegen oder andere Hürden nehmen zu müssen, die in Unternehmen oft da sind.

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Im Rückblick hat das in vielen Fällen gut funktioniert. Viele Ukrainerinnen und Ukrainer haben sich trotz vieler bürokratischer Hürden schnell integriert. Über 250 000 haben laut Mediendienst Integration seit Kriegsausbruch und Flucht in Deutschland Arbeit gefunden beziehungsweise ein eigenes Unternehmen gegründet: Sie haben Restaurants, Galerien oder Schönheitssalons eröffnet; viele arbeiten in Krankenhäusern und Pflegeheimen, sie zahlen Steuern. Dieser Ansatz sollte ein Vorbild für den Umgang mit Geflüchteten sein, egal aus welchem Land sie kommen.

Was sich in dieser Frage genau durch den neuen Koalitionsvertrag ändern wird, ist noch nicht klar. Wird den Ukrainern das Bürgergeld gestrichen? Verlieren neu angekommene Ukrainerinnen und Ukrainer nun auch die Möglichkeit, vom ersten Tag ihrer Ankunft in Deutschland zu arbeiten?

Für mich wäre das ein trauriger Rückschritt. Wir würden alle darunter leiden.

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Kolumne

Tamriko Sholi

Wer bin ich, wenn ich keine Heimatgefühle mehr habe? Was machen Krieg und Flüchtingsdasein mit mir? Darüber schreibt die ukrainisch-georgische Schriftstellerin Tamriko Sholi in Transitraum