Asyldebatte
Das ist Sündenbockpolitik
Migration pauschal verteufeln bringt wenig. Wo das eigentliche Problem liegt und was in der Asylfrage tatsächlich helfen würde
Eine Frau geht in Berlin am Berliner Büro des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorbei
Eine Frau vor dem Berliner Büro des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
Sean Gallup / Getty Images
Yağmur Ekim ÇayPrivat
08.10.2024
3Min

Die Demokratie in Deutschland steht unter akuter Bedrohung. Die Gefahr geht aber nicht von vermeintlich "gefährlichen Ausländern" aus, wie mittlerweile fast alle Parteien suggerieren, sondern von der AfD. Diese Partei agiert offen mit rechtsextremen Inhalten und greift gezielt das Grundgesetz und demokratische Strukturen an. Führende AfD-Politiker:innen verstecken ihre Absichten kaum noch: Am Wahlabend in Brandenburg etwa feierten sie mit Parolen wie "Wir schieben euch alle ab".

Wie eine Zukunft in Deutschland unter einer erstarkten AfD aussehen könnte, demonstrierte der Thüringer Alterspräsident in der ersten Landtagssitzung nach den Wahlen. Er blockierte die Wahl eines Landtagspräsidenten und sabotierte demokratische Abläufe.

Am 28. September 2025 wird der nächste Bundestag gewählt. Deutschland hat also weniger als ein Jahr Zeit, um die AfD zu schwächen. Gelingt es nicht, scheint ein Wahlergebnis wie in Österreich auch in Deutschland möglich. Dabei warnen Wissenschaftler:innen längst, und auch die Ergebnisse der Landtagswahlen und der Wahl in Österreich zeigten das deutlich: Wenn andere Parteien die rechte Propaganda übernehmen, nutzt es den Rechtsextremen.

Anstatt daraus zu lernen, setzt die Bundesregierung auf eine Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts – eine stark vereinfachte und populistische Antwort in einer zunehmend komplexen Zeit. Auch die Opposition stellt etwa das im Grundgesetz verankerte Asylrecht infrage. Solche Maßnahmen, gepaart mit entmenschlichenden Aussagen wie "Nur noch Bett, Brot und Seife", sind nichts anderes als Sündenbockpolitik.

Kurzfristige, teils verfassungswidrige Schritte wie etwa die Zurückweisung an der deutschen Grenze, die aus Angst vor der AfD umgesetzt werden, spielen letztlich nur der AfD in die Hände. Denn die Botschaft, die damit ausgesendet wird, ist klar: "Die AfD hat recht, Ausländer sind hier nicht willkommen." In der Hoffnung auf mehr Stimmen für die eigene Partei wird eine diskriminierende Strategie auf dem Rücken der Schwächsten ausgetragen und der Boden für rechte Gewalt bereitet. Dabei ist unbestreitbar und das weiß die Bundesregierung auch: Deutschland braucht Migration – sie ist keine Bedrohung, sondern eine Notwendigkeit.

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Nun braucht Deutschland dringend umfassende soziale Antworten auf die aktuellen Krisen – sei es Krieg, Klimawandel oder die Wirtschaftskrise - aber keine Sündenböcke. Um diese Herausforderungen zu meistern, braucht es eine menschliche, lösungsorientierte Politik.

Migration als Problem darzustellen, bringt wenig. Denn ohne zugewanderte Arbeitskräfte können wir Pflegeheime, Krankenhäuser, Gaststätten, Kindergärten bald schließen. Was wir dringender brauchen als Abschiebungen, ist eine Entlastung der Kommunen – durch finanzielle Unterstützung, eine bessere Umverteilung der Geflüchteten auf die Kommunen und umfassendere Integrationsmöglichkeiten für Geflüchtete - über den Rahmen von Integrationskursen hinaus.

Anstatt den Schutz der Geflüchteten zu vernachlässigen, sollten Politiker darüber nachdenken, wie man ihn besser gewährleisten kann. Das Dublin-Verfahren muss grundlegend reformiert werden, da es in seiner jetzigen Form nicht mehr funktioniert. Länder wie Bulgarien und Griechenland übernehmen deutlich weniger Verantwortung, als sie eigentlich müssten. Stattdessen nutzen sie EU-Gelder teilweise, um rechte Politik zu betreiben und verweigern Schutzsuchenden ihre Hilfe.

Wenn die demokratischen Parteien die Demokratie stärken wollen, sollten sie klare Kante zeigen und sich entschieden gegen die AfD stellen, statt ihre Parolen zu kopieren.