Das Heilende Museum im Bode-Museum
Das Museum als heilsamer und meditativer Ort
Hahn+Hartung
Museumsbesuch
Das heilende Museum
Ich war in Berlin im Bode-Museum - und habe meditiert. Erstaunlich? Aber nein, gar nicht
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
30.05.2025
3Min

Seltsam, in diesem Museumssaal ist etwas anders. Menschen sitzen mit Kissen auf dem Boden, die Augen geschlossen. Es ist hier noch stiller als in den übrigen Sälen. Andere Besucher gehen umher, aber sie lesen nicht die Texttafeln neben den Gemälden und Skulpturen. Sie wandeln umher, versunken in etwas Inneres. Andere schließlich betrachten ein Objekt viel länger als sonst üblich – so, als suchten sie darin etwas, was nicht vor Augen steht. Dürfen die das? Oder sollte man das Wachpersonal auf diese unnormalen Umtriebe aufmerksam machen?

Das wunderbare Bode-Museum, das auf der Berliner Museumsinsel eine der großartigsten Sammlungen alter sakraler Kunst beherbergt, versucht etwas Neues. Es hat einen Saal dauerhaft für meditative Übungen eingerichtet. Dazu hat die verantwortliche Kuratorin María López-Fanjul y Díez del Corral mit feinem Gespür die dort ausgestellten Objekte ergänzt: um einen Christus-Kopf, zwei Figuren aus dem Buddhismus, eine muslimische Gebetskette oder die Büste einer römischen Kaiserin, die von stoischen Vorstellungen inspiriert wurde.

Ein Audio-Guide führt durch den Raum. Aber er erklärt die Werke nicht, sondern leitet dazu an, zu sich selbst zu kommen, den Alltag der Hauptstadt hinter sich zu lassen, den eigenen Körper und diesen besonderen Raum wahrzunehmen – und dann auch die dort ausgestellten religiösen Werke.

Unter Meditation stellen sich manche Zeitgenossen etwas Exzentrisches und Angestrengtes vor, etwas nur für religiöse Virtuosen. Dabei geht es hier um etwas ganz Einfaches und Natürliches, nämlich Übungen, die einem helfen, aus der Zerstreuung in die Besinnung zu kommen, wieder Kontakt mit sich selbst aufzunehmen, den eigenen Atem zu spüren, sich der Müdigkeit und der Lebendigkeit des eigenen Körpers bewusst zu werden – und dann den Museumsaal mit seiner besonderen Atmosphäre in sich aufzunehmen – um schließlich in diesem gegenwärtigen Moment "da" zu sein. Die angenehm sachlich gesprochenen Meditationen unterstützen einen dabei, ohne einen in irgendeine – religiöse oder weltanschauliche – Richtung zu drängen.

Kurz habe ich in diesem musealen Meditationsraum gestutzt, dann habe ich mich daran erinnert, dass ich Museen eigentlich immer schon in diesem Sinne besucht habe. Wenn ich fremde Städte bereise oder wenn mir das Leben zu Hause zu anstrengend wird, gehe ich gern in Museen. Natürlich, um interessante Ausstellungen und Sammlungen kennenzulernen. Aber auch, weil ich diese Räume erhebend und beruhigend finde, ich mich hier geborgen und nicht mehr einsam fühle. Ein Museumsbesuch hat – das ging mir jetzt auf – stets etwas Meditatives und dabei Heilsames an sich.

Büste der römischen Kaiserin Faustina der Älteren

Im Bode-Museum wird dies jetzt explizit zum Thema gemacht. Das Erstaunliche daran ist also weniger, dass es hier einen eigenen Meditationssaal gibt, als die Tatsache, dass dies einige erstaunt. Museen sind immer noch eingezwängt in einen rein fachlich-kunsthistorischen Rahmen, der alles Über-Akademische außen vor halten will. Besonders bei einem Museum, das vollgepackt ist mit der herrlichsten christlichen Kunst, erscheint das befremdlich – so, als würde man dem religiösen Sinn der eigenen Sammlung nicht recht trauen. So regt der über- und multireligiöse Meditationssaal dazu an, das Christliche im Bode-Museum neu wahrzunehmen.

Damit es nicht bei einer isolierten Idee bleibt, wird das Projekt "Das heilende Museum. Achtsamkeit und Meditation im Kunstraum" in Kooperation mit der Charité wissenschaftlich begleitet und ausgewertet. Es ergänzt weitere Angebote, mit denen das Museum der mentalen Gesundheit oder der Suizidprävention dienen will. Dabei werden keine unrealistischen Versprechungen abgegeben. Achtsamkeit ist kein Rezept, das immer wirkt. Sie kann auch negative Tendenzen befördern. Deshalb ist die kritische Reflexion so wichtig.

Möglich wurde das neue Projekt durch die Unterstützung vieler Partner, zum Beispiel den Verein Andere Zeiten, die Berliner Fachstelle Suizidprävention, das Bonifatiuswerk, die Firma Futomania oder die Stiftung Bibel und Kultur.

So ist es möglich, ein großzügiges Kontingent von Freitickets bereitzustellen. Allerdings ist der Zuspruch so groß, dass dieses bald aufgebraucht sein könnte. Man sollte sich also – ohne Hetze – auf den Weg machen, um diese neuartige Museumserfahrung zu machen. Und danach sollte man nicht vergessen, das schönste Café in ganz Berlin besuchen. Das befindet sich ebenfalls im Bode-Museum.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur