Kulturstaatsminister Wolfram Weimer auf der Verleihung des Deutschen Filmpreis in Berlin
Kulturstaatsminister Wolfram Weimer bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises 2025 in Berlin
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Kulturstaatsminister Wolfram Weimer
Kulturpolitik ist vor allem: Politik
Der neue Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat sich vor allem als konservativer Publizist einen gewissen Namen gemacht. Was können wir von ihm erwarten - und was bitte nicht?
(Berlin) 11.02.16; Dr. Johann Hinrich Claussen, Portraet, Portrait; Kulturbeauftragter des Rates der EKD, Leiter des EKD-Kulturbueros, evangelischer Theologe Foto: Andreas Schoelzel/EKD-Kultur. Nutzung durch und fuer EKD honorarfreiAndreas Schoelzel
16.05.2025
3Min

Unterschiedlicher könnten die Begrüßungsrituale nicht sein. Als Claudia Roth vor vier Jahren das Amt der Kulturstaatsministerin antrat, sollen – so geht die Legende – wäschekörbeweise euphorische Fan-Post in ihr neues Büro geschleppt worden sein. Gegen ihren Nachfolger Wolfram Weimer dagegen wurde schon vor seinem ersten Arbeitstag eine negative Online-Petition losgeschickt, die an die 25.000 Menschen aus der Kulturbranche unterzeichnet haben.

An diesen zwei so gegensätzlichen Willkommensaktionen kann man eine Gemeinsamkeit erkennen: Mit der politischen Urteilskraft von Kulturleuten ist es oft nicht so weit her. Die Begeisterung für Claudia Roth ist schnell einer tiefen Enttäuschung gewichen, ihre Amtsjahre gelten heute über die Parteigrenzen hinweg als eine kulturpolitisch verlorene Zeit. Und was die digitale Attacke auf Wolfram Weimer angeht, gilt das 11. Gebot: "Du sollst keine Online-Petitionen und offenen Briefe unterzeichnen!" Denn sie sind dumme, feige, faule Formen kommunikativer Aggression.

Wie also sollte man sich auf den neuen Kulturstaatsminister einstellen, der sich bisher als konservativer Publizist einen gewissen Namen gemacht hat? Dazu muss man wissen, was seine Aufgabe ist. Um gleich ein Missverständnis auszuräumen: Kulturpolitik ist nicht Kultur. Die Wahrheit ist vielmehr: Kulturpolitik ist Politik.

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Das bedeutet, dass der Neue, der kein Mitglied des Bundestages ist, sich eine eigene Machtbasis verschaffen muss. Dann muss er aus all den vielen Problemfällen diejenigen Themen heraussuchen, bei denen er wirklich etwas bewirken kann. Anschließend beginnt das mühsame Alltagsgeschäft: das Haus kennenlernen und führen, Strukturen klären, Prozesse anstoßen, unangenehme Entscheidungen fällen, Geld besorgen, gute Personalentscheidungen treffen, dabei sich ständig mit allen anderen Entscheidungsträgern, besonders den Bundesländern, abstimmen. Wenn schließlich ein großer Kulturkonflikt ausbricht, muss man in der Lage sein, kluge und klärende Worte zu sprechen. Das ist für einen Quereinsteiger ein neuer Beruf.

Bisher haben konservative Kulturpolitiker diese Aufgaben vergleichsweise gut erledigt. Was vielleicht überrascht: Nicht selten waren sie erfolgreicher und bei den eher linksliberal eingestellten Kulturleuten am Ende beliebter als Politikerinnen, die dem eigenen Lager entstammten (siehe Claudia Roth). Denn sie erledigten ihre professionellen Aufgaben und mischten sich weniger in die inhaltliche Arbeit ein. Die überließen sie, wenn sie klug waren, den Künstlerinnen und Künstlern. Wenn Wolfram Weimer sich an Monika Grütters oder Bernd Neumann orientieren sollte, könnte er manche von denen, die diese Petition unterschrieben haben, eines Besseren belehren.

Sollte er dagegen versuchen, sich als Kulturkämpfer und Kulturstifter zu profilieren, dürfte er keinen Erfolg haben. Eine liberale Kulturpolitik lebt von der Unterscheidung der Sphären und Aufgaben. Die Politik setzt einen Rahmen und stellt Möglichkeiten zur Verfügung. Kunst und Kultur gestalten dann die Inhalte nach eigener Logik. Dieses liberale Grundverständnis muss gegen rechts wie links verteidigt werden.

Zur Erinnerung: Claudia Roth hatte viele auch deshalb gegen sich aufgebracht, weil sie Kunst und Kultur durchgängig als Instrumente der politischen Bildung (im eigenen Sinne) verstanden wissen wollte. Das von ihr beschworene Prinzip der Diversität, so sinnvoll es an und für sich ist, war ihre "Leitkultur", auf die sie alle Akteure festlegen wollte.

Diesen Fehler sollte Wolfram Weimer vermeiden und nicht eine progressive gegen eine konservative "Leitkultur" ersetzen wollen, sondern sich auf eine ruhige, seriöse politische Facharbeit konzentrieren. Am Ende geht es auch in der Kulturpolitik um dicke Bretter und nicht um steile Thesen.

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Kolumne

Johann Hinrich Claussen

Auch das Überflüssige ist lebens­notwendig: Der Autor und Theologe Johann Hinrich Claussen reist durch die Weiten von Kunst und Kultur