chrismon: Wie Ihre Hauptperson sind auch Sie im ländlichen Franken groß geworden, einer Region, die schon seit langem als Nährboden für Neonazis gilt. Wie viel davon haben Sie mitbekommen?
Annegret Liepold: Dass sich in unserer Gegend viele Neonazis herumtrieben, war unübersehbar. Es war beispielsweise bekannt, dass im Gasthof Göb, der Dorfkneipe in meinem Heimatort Gremsdorf, Parteiversammlungen der NPD abgehalten wurden und Rechtsrock-Konzerte stattfanden. Und genau wie in meinem Buch redete sich der Wirt mit Geldsorgen heraus. Zum Glück existierte auch eine Gegenbewegung: "Gremsdorf ist bunt". Man wusste also durchaus Bescheid. Aber das Ausmaß habe ich damals nicht begriffen. Dass diese Szene deutschlandweit vernetzt war. Und dass viele Namen aus der Region später auch im Kontext rechtsterroristischer Aktivitäten des NSU auftauchen würden.
Die rechte Szene war also auch für Sie als Schülerin sichtbar und keinesfalls nur im Untergrund tätig?
Sie war Teil der lokalen Jugendkultur. Es gab eben Leute, die Punk oder Indie-Rock hörten, zu denen ich mich damals eher zählte. Und andere, bei denen Rechtsrock lief. Man wusste von Leuten mit Hakenkreuztätowierungen, die sich in einschlägigen Gruppen tummelten. Ich selbst fand die rechte Szene total unattraktiv, nicht zuletzt, weil alles unerträglich männlich geprägt war. Als Dorfpunk mit einem Nietengürtel von H&M wurde man schon mal von den Nazis auf der Kirchweih angepöbelt. Ein Freund von mir war zum Beispiel sehr aktiv in der Antifa und hat sich mit den Rechten auch geprügelt.
4 Wochen gratis testen, danach mit 10 € guten Journalismus und gute Projekte unterstützen.
Vierwöchentlich kündbar.