Rasmus Rasmussen
"An denen Nazis gucken wir vorbei!"
Vor einem Jahr flog die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) auf, gegen das NSU-Mitglied Beate Zschäpe ist Anklage erhoben worden. Der Autor Toralf Staud warnt: Es gibt noch viel mehr Gefahren in der Neonaziszene
Tim Wegner
11.12.2012

chrismon: Wer sind die „neuen Nazis“?

Toralf Staud: Die Autonomen Nationalisten und die Rechts­populisten. Die Öffentlichkeit übersieht beide Gruppen, weil sie sich auf die NPD und überholte Bilder konzentriert: Glatze, Bomber­jacke, Springerstiefel. So sieht aber kaum ein Nazi noch aus.

Ist die Terrorgruppe NSU ein Beispiel für die neuen Nazis?

Nein. Die NSU, das waren Terroristen von gestern, mit Wurzeln ­in der Kameradschaftsszene der neunziger Jahre.

Was macht die Autonomen Nationalisten aus?

Sie sind inhaltlich alte Schule, verehren Hitler, die NSDAP-Ideologie. Auftreten und Struktur  sind aber modern. Sie tragen Kapuzenpullis, Turnschuhe, hören Hip-Hop. Sie sind nicht als Nazis erkennbar. Sie twittern, erstellen Videoclips fürs Internet. Es gibt keinen Verhaltenskodex wie in den Kameradschaften. Ein Aussteiger – er war früher Skin –, hat erzählt, dass die Autonomen Nationalisten für ihn wie eine Befreiung waren. Er konnte alles essen und anziehen – wichtig war das Weltbild im Kopf.

Ist das gefährlich?

Ja, weil sie niemandem gefallen wollen. Die NPD fordert taktische Disziplin, Gewalt kostet Wählerstimmen. Den Autonomen Nationalisten ist das egal. Die meisten Mitglieder sind um die 20 Jahre alt. Innnerhalb von ein, zwei Jahren radikalisieren sie sich, bis hin zum Bombenbau.

Ein ostdeutsches Problem?

Nein. Es gibt auch im Westen Hochburgen, etwa in Dortmund.

Und wer sind die Rechtspopulisten?

Die gerieren sich gern als Kämpfer für „den kleinen Mann“ und hetzen am liebsten gegen „die Muslime“ oder „die da oben“. Sie sagen, sie hätten mit harten Nazis nichts am Hut; aber auch sie sind Rassisten. Das Buch von ­Thilo Sarrazin etwa war in vielem rechtspopulistisch. Dass es sich millionenfach verkaufte, zeigt, dass rassistische Ansichten ziemlich weit verbreitet sind.

Erklärt das die schleppende Aufklärung der NSU-Morde?

Na ja, offenbar hatte auch die Polizei das Zerrbild vom kriminellen Ausländer im Kopf – und war blind für die Gefahr, die vom Rechtsextremismus ausgeht.