Hafiza Qasimi, 23:
Wenigstens meine Bilder haben es in die Freiheit geschafft. Wobei, eigentlich sind es nur Fotos von meinen Bildern, denn die Bilder selbst habe ich verbrannt, aus Angst, dass die Taliban sie finden könnten. Die Ausstellungen, die mein Bruder Anosh nun für mich in Deutschland organisiert, sind gewissermaßen ein Anfang, eine kleine Hoffnung.
Mit meiner Kunst möchte ich zeigen, wie gleichwertig wir afghanischen Frauen den Männern und allen anderen Menschen auf der Welt sind. Ich möchte das den Menschen in Afghanistan, aber auch der ganzen Welt zeigen.
Vor der Machtübernahme der Taliban hatte ich eine Galerie, in der ich meine Bilder ausstellte. Ich hatte Schülerinnen und Schüler, die ich im Zeichnen unterrichtete. Ich verdiente eigenes Geld, ich konnte von meiner Arbeit als Künstlerin leben. Wenn ich etwas brauchte, konnte ich es mir kaufen. Nun muss ich meinen Bruder, bei dem ich in Kabul lebe, um Geld bitten. Ich wollte an einer Kunsthochschule studieren, besser werden, wirklich gut werden. Das alles ist nun völlig außer Reichweite gerückt.
Die Taliban haben meine Bilder mit Messern aufgeschlitzt
Nachdem die Taliban am 21. August 2021, eine Woche nach der Machtübernahme, alles in der Galerie zerstört hatten, meine Bilder mit Messern aufgeschlitzt, bin ich für einige Monate untergetaucht. Jetzt lebe ich wieder bei meinen Eltern, in einem Haus mit ihnen und der Familie meines Bruders. Mein Bruder in Deutschland, Anosh, ermutigte mich, meine Gefühle und Gedanken zum Leben unter den Taliban zu malen. Geradezu rauschhaft malte ich dann im Februar 13 Bilder. Ein befreundeter Fotograf lichtete sie ab und schickte sie meinem Bruder, die Originale habe ich sofort verbrannt. Gerade noch rechtzeitig, denn im März kamen Taliban, um unser Haus zu durchsuchen. Wenn sie die Bilder gesehen hätten, sie hätten mich umgebracht. Ich habe Frauen gemalt, ohne Schleier, als träumende, starke Menschen.
Seither fühle ich mich wie gelähmt. Weiter zu malen wäre lebensgefährlich. Heute Morgen habe ich für alle Frühstück gemacht, Geschirr gewaschen, was man so macht als Hausfrau. Ich kann nur schwer beschreiben, wie furchtbar ich die Vorstellung finde, das mein ganzes Leben lang tun zu müssen. Ich bin Künstlerin, ich habe all diese Dinge im Kopf, die ich ausdrücken möchte. Und nun mache ich Hausarbeit und passe auf die Kinder auf – wer weiß für wie lange, vielleicht für immer.
Auch ohne diese Probleme ist das Leben in Afghanistan zurzeit schlimm, viele sind arbeitslos, in meiner Familie ist mein hiesiger Bruder der Einzige, der Geld verdient. Er besitzt einen Lebensmittelladen. Dass wir abhängig von ihm sind, ist nicht gut. Luxusprodukte wie Farben sind unerschwinglich geworden. Eine Farbe kostete 17 Afghani, heute sind es 120. Selbst wenn ich mich trauen würde zu malen, könnte ich es mir nicht leisten. Ab und zu muss ich einfach rausgehen, auch wenn die Situation sehr unsicher ist, immer wieder gibt es Selbstmordattentate. Manchmal treffe ich andere Künstlerinnen. Es hilft zu wissen, dass ich nicht die Einzige in dieser Situation bin.
Als Frau kann ich nicht allein reisen. Kabul ist mein Gefängnis
Mein Bruder Anosh ist 2015 nach Deutschland geflohen. Er hatte in Afghanistan eine Software gegen Korruption entwickelt und war deswegen in Lebensgefahr geraten. Er hat meinen Berufsweg von Anfang an unterstützt, er hat mir den Kunstunterricht an einem Kulturzentrum bezahlt, und nun organisiert er diese Ausstellungen für mich in Deutschland. Er hat auch versucht, mich nach Deutschland zu holen, aber es gibt keine Chance – Familiennachzug ist nicht möglich, weil ich nicht zur Kernfamilie gehöre; und für ein Studienvisum müsste ich einen Studienplatz und 10 000 Euro auf einem Konto haben.
Solange die Taliban die Macht haben, kann es kein gutes Leben in Afghanistan geben. Nicht für mich, nicht für Frauen. Ich hoffe, dass ich irgendwann zu meiner Schwester gehen kann, die mit ihrer Familie im Iran lebt. Dort könnte ich vielleicht studieren, wieder malen. Aber die Grenzübergänge werden überwacht, und als Frau kann ich nicht allein reisen. Kabul ist mein Gefängnis und alles andere nur ein ferner Traum, den meine Bilder in Deutschland für mich träumen.
Protokoll: Anke Lübbert
Hafiza Oasimi
Ihr Artikel über die Künstlerin hat mich sehr berührt. Kommt diese Verweigerung für die Familienzusammenführung von Deutschland? Wenn ja, was für eine Schande!!! Ist diese Veröffentlichung nicht gefährlich für die junge Frau?
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Was ist eine Kernfamilie
Hallo, Herr Franke,
als "Kernfamilie" betrachtet die Bundesrepublik Deutschland nur EhepartnerInnen und Kinder, nicht aber Schwestern oder Eltern. Ob die Veröffentlichung nicht gefährlich sei fü die junge Frau, das hatten wir vorher ihren in Deutschland lebenden Bruder gefragt. Er fand: Das geht.
Mit freundlichen Grüßen
Christine Holch
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Hafiza
Liebe Jana Husmann, ich bleibe dran. Meine Tochter arbeitet in einem Flüchtlingsprojekt und dort waren sie schon erfolgreich damit. Bitte schicken Sie mir ihr Email, dann informiere ich sie. Liebe Grüsse Dieter Halbach (meine ist d.halbach@rumiprojekt.de)
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Hafiza will studieren
Liebe Leserinnen und Leser,
einige von Ihnen haben ihre Unterstützung für Hafiza angeboten. Das ist wunderbar. Allerdings stehen vor einem künstlerischen Studium oder einer grafisch-schulischen Ausbildung in Deutschland mehrere ziemlich hohe Hürden. An einer Kunsthochschule bewerben darf man sich nur, wenn man Deutsch auf Niveau von B2 kann (Deutsch lernen könnte Hafiza derzeit nur online, das Goethe-Institut in Afghanistan ist geschlossen); man muss eine Mappe mit den besten Arbeiten vorlegen (die könnte sie aber erst in Deutschland erstellen); sie müsste überhaupt mal aus dem Land rauskommen, etwa nach Iran, doch kommt es an der Grenze derzeit zu Festnahmen; und auch Asyl kann man nur beantragen, wenn man bereits auf deutschem Boden ist... Dass der fürs erste Studienjahr vorzuweisende Finanzierungsnachweis in Kürze vermutlich auf über 11.000 Euro steigt (https://kurzelinks.de/pqt3 ), ist da noch die geringste Hürde. Chrismon könnte, sollte sich für Hafiza tatsächlich ein Weg finden, Geld an sie "durchreichen". Insofern wäre es gut, Sie ließen mir Ihre Kontaktdaten zukommen, damit sich Sie dann informieren könnte: holch@chrismon.de
Mit freundlichen Grüßen
Christine Holch
Redaktion chrismon
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Hafiza
Mich hat der Bericht von Hafiza und ihrer Kunst auch nachhaltig bewegt. Ich bin bei einer Unterstützung auch gerne dabei. Sehen Sie vielleicht auch eine Möglichkeit, wie wir dabei unterstützen könnten, dass Hafiza in den Iran zu ihrer Schwester kommen kann?
Ich denke auch darüber nach, dass weitere Künstlerinnen in Afghanistan von Ihrer kreativen Arbeit und ihrem Schaffen abgehalten werden. Wie könnte dazu eine gemeinschaftliche Unterstützung aus Deutschland aussehen? Oder kennt jemand eine bestehende Initiative, die sich dafür einsetzt, an die ich mich wenden könnte, um mehr Informationen zu bekommen?
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