Die USA rutschen immer weiter in eine autoritäre, antidemokratische, vielleicht sogar faschistische Staatsform ab. Die Regierung unter Donald Trump ist dabei, die älteste Demokratie der Welt zu zerstören. Darüber ist viel zu lesen. Und doch: Erst wenn man persönlich damit konfrontiert ist, begreift man, wie schnell und umfassend das gehen kann.
Die Säulen, auf denen eine Demokratie basiert, sind Gewaltenteilung und Rechtsstaat. Dazu gehören die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit, aber auch Pressefreiheit und Wissenschaftsfreiheit. Wie dramatisch es um die letzten beiden steht, habe ich kürzlich in meinem Berufsalltag erlebt.
Wissenschaftler fürchten den Druck der Regierung
Ich führte ein Interview mit einer Wissenschaftlerin, die in den USA an einer Hochschule arbeitet. Sie sprach mit mir über den Druck der US-Regierung auf die Universitäten: Forschungsprojekte kommen zum Erliegen, Mitarbeitende werden entlassen, die Selbstzensur greift um sich, Studierende werden nicht mehr zugelassen, all das kann den Wissenschaftsstandort USA in den nächsten Jahren und Jahrzehnten enorm schädigen.
Es war ein nüchternes, informatives Gespräch, ohne direkte Angriffe auf Donald Trump. Die Informationen waren ohnehin schon öffentlich durch die Medien gegangen. Trotzdem zog die Wissenschaftlerin das Interview vor der Veröffentlichung zurück - aus Angst vor Repressalien der Regierung. Das muss man sich einmal vorstellen: Wir reden hier nicht von iranischen Dissidenten oder Whistleblowern, sondern von einer renommierten Professorin an einer Universität in einer westlichen Demokratie.
Ein anderer Fall sorgte vorige Woche in der US-Medienlandschaft für Entrüstung. Der US-Sender CBS, ein gigantisches Medienkonglomerat, verkündete das Ende der Late-Show von Stephen Colbert im nächsten Jahr. Colbert, der Nachfolger des legendären Showmasters David Letterman, ist einer der bekanntesten und profiliertesten Late-Night-Moderatoren der USA und seit Jahrzehnten eine Größe im Geschäft mit über zwei Millionen regelmäßigen Zuschauern. Außerdem ist er ein bekennender Trump-Kritiker, der keine Gelegenheit auslässt, die Bösartigkeit und Inkompetenz dieser Regierung mit beißendem Sarkasmus vorzuführen.
CBS betonte, dass es sich um eine "rein finanzielle Entscheidung" handeln würde. Colberts "The Late Show" hat zwar mit einem Zuschauerrückgang zu kämpfen, ist aber immer noch die meistgesehene Late-Show in Nordamerika. Was wahrscheinlicher ist und was viele US-amerikanische Kommentatoren und Medien schreiben: Die Trump-Regierung hat CBS unter Druck gesetzt, Colbert abzusägen, da sie sonst ein geplantes Milliarden-Geschäft des Mutterkonzerns Paramount unterbinden könnte. CBS knickte ein.
Korrupte Regierungen lassen sich nicht einlullen
Trump feierte die Entscheidung auf seinem Netzwerk Truth Social und drohte weiteren Moderatoren wie Jimmy Kimmel. Colbert wird vermutlich irgendwo anders unterkommen. Er ist äußerst populär. Trotzdem zeigt es erneut, wie große Konzerne vor einer populistischen Regierungen einknicken, in der Hoffnung, dass die Regierung ihnen dann wohlgesonnen sein wird.
Das ist ein Trugschluss. Derzeit verklagt Donald Trump das Wall Street Journal von Medienmogul Rupert Murdoch, weil es auf Trumps Verwicklungen zum Epstein-Fall hingewiesen hat. Murdoch ist auch Besitzer des TV-Senders Fox News, die Donald Trump mit ins Amt verholfen haben. Korrupte Regierungen lassen sich nicht einlullen, weil man sich vor ihnen in den Staub wirft.
Dass sich die Verhältnisse derart ändern, droht überall dort, wo Populisten an die Macht kommen und an den Säulen sägen, auf denen unsere Demokratien - und unsere Freiheit - gebaut sind. Wenn die Freiheiten einmal weg sind, ist es nur schwer möglich, sie wieder zurückzuerobern. Es gibt keine persönliche Freiheit ohne Pressefreiheit, ohne Meinungsfreiheit, ohne Wissenschaftsfreiheit. Punkt. Was hilft: Standhaft bleiben. Sich nicht erpressen lassen. Sich gegen Vereinnahmung zur Wehr setzen. Unrecht adressieren. Sich einmischen. Und sich nicht darauf verlassen, dass ausgerechnet Unternehmen das für einen tun. Noch ist es in Deutschland nicht zu spät. In den USA vielleicht schon.