Wer im Ausland in der Entwicklungszusammenarbeit tätig ist, muss immer damit rechnen, kurzfristig nach Hause fliegen zu müssen oder evakuiert zu werden, vor allem bei Einsätzen in Krisenregionen oder politisch instabilen Staaten. Genau das droht nun Tausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der US-amerikanischen Behörde für Entwicklungshilfe USAID. Sie werden in den kommenden Wochen die Heimreise antreten müssen, allerdings nicht, weil in ihren Einsatzländern Chaos ausgebrochen ist, sondern in ihrer Heimat. Seit dem vergangenen Wochenende ist ihr Arbeitgeber praktisch geschlossen, bis auf ein Rumpfteam von 600 Mitarbeitern gelten alle der rund 10.000 Beschäftigten der 1961 gegründeten Behörde als beurlaubt.
Das ist der vorläufige Höhepunkt einer beispiellosen Kampagne, die US-Präsident Donald Trump und sein "Berater für Regierungseffizienz", Elon Musk, gegen die US-amerikanische Entwicklungshilfe losgetreten haben. Gleich nach seinem Amtsantritt Ende Januar ließ Trump alle Auslandsprojekte und Hilfeleistungen für zunächst 90 Tage stoppen. Dann folgte der Angriff auf USAID, wo Korruption und Betrug herrschten, wie Trump behauptet, ohne Belege dafür vorzulegen. In nur drei Wochen hat die neue Regierung damit fast die gesamte internationale Zusammenarbeit der USA auf Eis gelegt und die dafür zuständige Behörde zerschlagen.
Mehrere US-Gewerkschaften für Regierungsangestellte haben gegen die fristlose Beurlaubung der USAID-Angestellten geklagt, ein Bundesrichter hat eine erste einstweilige Verfügung dagegen erlassen. Demokratische Kongressabgeordnete wollen vor Gericht ziehen, weil die Regierung nicht befugt sei, eine vom Kongress geschaffene Behörde zu schließen. Wie diese Verfahren ausgehen, ist offen. Werden Trump und Musk nicht gestoppt, dann hätte das schwerwiegende Folgen für die internationale Zusammenarbeit und die humanitäre Hilfe weltweit. Die USA sind seit Jahrzehnten der größte Geber von Entwicklungshilfe, im Jahr 2023 waren es rund 65 Milliarden US-Dollar, davon entfielen gut 43 Milliarden Dollar allein auf USAID.
Die USA waren in der Vergangenheit führend in der Finanzierung von Gesundheitsdiensten in Afrika, ohne das Geld aus Washington könnte zum Beispiel die Versorgung von an Aids erkrankten Menschen mit lebensrettenden Medikamenten zusammenbrechen. Die Nahrungsmittelhilfe weltweit, etwa in Bürgerkriegsländern wie dem Sudan oder in großen Flüchtlingslagern wie in Kenia oder Thailand, muss ohne Unterstützung der USA und die Logistik von USAID stark reduziert werden. Auf dem Balkan und in Osteuropa hat USAID Medien unterstützt, die der Propaganda aus Russland etwas entgegensetzen wollen. Und in der Ukraine hat die US-Behörde Hilfe geleistet, um von Russland bombardierte Kraftwerke und Umspannwerke zu reparieren.
Für Trump und Musk dient all das nicht der Doktrin "America first!". Das ist allerdings eine sehr beschränkte Sichtweise. Denn eine Welt ohne US-amerikanische Entwicklungshilfe dürfte noch instabiler und unsicherer werden, als sie es derzeit ohnehin schon ist. Und das werden früher oder später auch die USA zu spüren kriegen.
"Wie kaum ein Land haben die USA ihre Entwicklungshilfe genutzt, um eigene Interessen zu verfolgen"
Tillmann Elliesen
Hinzu kommt: Wie kaum ein anderes Geberland haben die USA ihre Entwicklungshilfe unverhohlen als Instrument genutzt, um rund um den Globus eigene Interessen zu verfolgen. Das hat USAID immer wieder auch Kritik eingetragen – etwa die, dass es in der Unterstützung der Landwirtschaft in Afrika vor allem auf agrarindustrielle Ansätze gesetzt hat, von der vor allem US-amerikanische Saatgutproduzenten und Hersteller von Agrarchemie profitieren. Das scheinen Trump und Musk nicht zu wissen, oder es ist ihnen egal.
Grundsätzlich ist nichts dagegen einzuwenden, dass eine neue Regierung Politikbereiche unter die Lupe nimmt und neu gestaltet. Aber eine Überprüfung von USAID hätte auch bei laufendem Betrieb stattfinden können, ohne alles für 90 Tage anzuhalten. Trump und Musk geht es nicht um eine bessere und effizientere Entwicklungshilfe. Musk hat gesagt, USAID sei ein "Vipernnest linksradikaler Marxisten, die Amerika hassen". Das zeigt: Den beiden ist die gesamte Idee suspekt, mit Hilfe internationaler Zusammenarbeit die Welt gerechter und friedlicher zu machen.
Die Entwicklungshilfe ist eine leichte Beute für libertäre und nationalistische Populisten vom Schlage Trump und Musk. Sie hat eine nur schwache Lobby, weil sie nicht unmittelbar die Interessen der einheimischen Bevölkerung berührt. Das zeigt sich zunehmend auch in Europa, wo in vielen Ländern die Mittel für internationale Zusammenarbeit gekürzt werden. In Deutschland haben im vergangenen Jahr Politiker der CDU/CSU und der FDP die Entwicklungshilfe populistisch attackiert, wie man das bis dahin nur von der rechtsextremen AfD kannte.
Das muss aufhören. Entwicklungszusammenarbeit allein schafft keine bessere Welt, aber ohne sie wäre vieles noch schlimmer. Sollten die USA in den kommenden Monaten und Jahren tatsächlich als Geberland und als Partner in der internationalen Zusammenarbeit ausfallen, darf sich Europa nicht auch noch zurückziehen.