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Wie viele andere habe auch ich den sechsteiligen Podcast "Die Peter Thiel Story" mit großem Interesse gehört. Er erzählt, wie der in Deutschland geborene Investor durch riskante und visionäre Entscheidungen zu einem der reichsten und politisch einflussreichsten Männer der Welt wurde. Donald Trump hat ihm viel zu verdanken. Besonders beeindruckt hat mich, wie der Podcast die religiösen Hintergründe von Thiels radikal-libertärer Ideologie ausleuchtet. Seit vielen Jahren beschäftigt sich Thiel intensiv mit katholischer Theologie. Vor allem die düsteren Spekulationen über den Antichrist, den Jüngsten Tag und das Letzte Gericht, haben es ihm angetan.
So entstand beim Hören in mir das beängstigende Bild eines geheimnisvollen, verstört-verstörenden Genies mit ungeheurer Macht: Peter Thiel, der wahre Weltherrscher, der Zerstörer unserer Demokratie, der Begründer eines techno-autoritären Zeitalters. Vielleicht ist das aber übertrieben.
Zum Abgleich habe ich mir das einstündige Video-Interview angesehen, das der New York Times-Redakteur Ross Douthat gerade mit ihm geführt hat. Um es gleich zu sagen: Es ist ein Paradebeispiel der Selbstentlarvung. Hatte ich vorher gedacht, Thiel sei zwar sozial-emotional unter-, dafür aber kognitiv überbegabt, habe ich jetzt den Eindruck gewonnen, dass es mit seiner viel gerühmten und gefürchteten Intellektualität doch nicht so weit her ist.
Das Interview setzt ein mit Thiels großer Unzufriedenheit an der Gegenwart: Überall nur Stillstand, Stagnation in der Gesellschaft, der Politik und leider auch in Wirtschaft und Technologie.
Sehnsüchtig erinnert er sich an die Zeit, als das Silicon Valley noch jung war und radikale Visionen entwarf: den Mars besiedeln, Krebs und Demenz besiegen, unsterblich werden. Aber dazu habe heute keiner mehr die Kraft. Niemand sei mehr bereit, radikal ins Risiko zu gehen. Seltsam ernüchtert und frustriert, fast verzagt wirkt Thiel auf mich, als er all dies beklagt.
Es gelingt ihm nicht, halbwegs konkrete Zukunftsideen zu entwickeln. Unterhalb überlebensgroßer, aber auch irgendwie hohler Visionen scheint er nichts im Programm zu haben. Deshalb kann er auf die Frage des Interviewers nichts antworten, was der von ihm geförderte Trump denn positiv bewirkt habe. Überhaupt stammelt Thiel in diesem Gespräch erstaunlich viel herum. Nach einigen ins Leere laufenden Sätzen erklärt er, dass Trump die Lügen und Heucheleien des sozialliberalen Lagers entlarvt habe. Die Leistung seines Protegés ist also für ihn eine hauptsächlich destruktive. Hat sich dafür der immense finanzielle und politische Aufwand gelohnt?
Thiel ist ein "contrarian investor", also einer, der genau das Gegenteil von dem tut, was die Mehrheit macht. Damit kann man manchmal – siehe Facebook oder PayPal – viel Geld verdienen. Wendet man diese Methode auf die Politik an – und fördert als erster Trump oder Vance –, kann man manchmal spektakulär Wahlen gewinnen. Aber wofür eigentlich? Das vermag Thiel nicht zu sagen. Denn ein positives Ziel kann er mit der aktuellen Präsidentschaft nicht verbinden. Ihm fällt einfach nichts Konstruktives ein. Dass Trump für mehr Innovation und Fortschritt sorgen wird, scheint er selbst nicht zu glauben. Ich habe gestaunt: Da hat ein Mann so viel Macht und Erfolg und weiß doch nicht zu sagen, wozu das gut sein soll. Selten habe ich einen Kaiser so nackt gesehen.
Wieder und wieder muss der Interviewer ihm helfen, unterbricht seine Platituden-Girlanden mit klaren, einfachen Fragen und versucht, ihn auf irgendeinen interessanten Punkt zu bringen. Aber da ist keiner. Nur einsam-verdrehtes Denken in verlorenen Höhen ohne reale Verantwortung für irgendetwas und irgendjemanden. Eine immense Leere, die Thiel mit schablonenhaften Feindbildern (die Woken, die Sozialisten) zu überdecken versucht. Stammelnd. Selbst auf die einfache Frage, ob er denn dafür sei, dass die Menschheit die gegenwärtigen Bedrohungen überlebe, weiß er erst einmal nichts zu sagen.
Am Ende des Gesprächs wird es religiös. Thiel bezeugt sein Christentum, aber so richtig schlau wird man daraus nicht. Von Liebe und Vertrauen, Hoffnung und Gewissheit, Verantwortung und Gerechtigkeit weiß er nichts zu sagen. Lieber dreht er sich um die scheinbar gefährlich-provokativen Spekulationen um den Antichrist und seine vermeintliche Aufgabe, diesen aufzuhalten. Absurd wird es, als Thiel erklärt, dass ausgerechnet die Umweltschützer und die UNO die endzeitlich-gegengöttlichen Mächte des Bösen sein sollen, die die Weltherrschaft erringen wollen. Wenn man vor etwas aktuell nun wirklich keine Angst zu haben braucht, dann – denke ich – sind es diese beiden Größen. Hier zeigt sich, dass Thiel über keine Urteilskraft verfügt.
Am Ende scheint der Interviewer keine rechte Lust mehr zu haben. Er hatte sich auf dieses Gespräch bestimmt sorgfältig vorbereitet, nun kann er bloß zuschauen, wie Thiel sich selbst entzaubert. So lässt Douthat ihn eine Weile lang ohne Unterbrechung herumlabern und schaut ihm dabei zu, mit einem Gesichtsausdruck, in dem ich Langeweile und eine Spur Mitleid wahrzunehmen meinte.
Zum Schluss habe ich mich gefragt, was es einem Menschen denn hilft, über Milliarden Dollar zu verfügen und nach Belieben seine Kandidaten ins Weiße Haus zu bringen, wenn er nicht zu sagen weiß, was das positive Ziel seines Lebens sein soll.