Friedrich Schorlemmer
Immer gegen den Strom
Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer legte sich in der DDR mit den SED-Oberen an und war doch Gegner einer schnellen Wiedervereinigung. Jetzt ist er gestorben
Bürgerrechtler und Theologe Friedrich Schorlemmer ist tot
Friedrich Schorlemmer 2022 in seinem Lesezimmer in seiner Wohnung in Wittenberg.
epd-bild/Paul-Philipp Braun
10.09.2024
3Min

Es war eine kleine, eher unscheinbare Aktion, aber sie wurde weltberühmt. Am Abend des 24. September 1983 versammelten sich auf dem evangelischen Kirchentag in Wittenberg - damals in der DDR - rund 600 Menschen. Sie schauten zu, wie auf Initiative des Wittenberger Theologen Friedrich Schorlemmer der Kunstschmied Stefan Nau ein Schwert zu einer Pflugschar schmiedete. Mit dem symbolischen Akt "Schwerter zu Pflugscharen" sollte der Wunsch nach Frieden ausgedrückt werden.

Schorlemmer gehörte zu den prominenten Kritikern des DDR-Regimes. Wenige Monate nach seinem 80. Geburtstag am 16. Mai ist der Theologe, Publizist und Bürgerrechtler am Montag nach langer Krankheit in einem Berliner Pflegeheim gestorben.

Geboren wurde Schorlemmer 1944 im brandenburgischen Wittenberge in der Prignitz. Als Dozent kam er 1978 ans Evangelische Predigerseminar in die Lutherstadt Wittenberg. Er predigte an Martin Luthers (1483-1546) ehemaliger Wirkungsstätte in der Schlosskirche, an deren Tür der Reformator vor mehr als 500 Jahren die 95 Thesen angeschlagen haben soll, die zum Auslöser der Reformation wurden.

Schorlemmer, der Sohn eines evangelischen Pfarrers, war unangepasst. Er verweigerte als Pazifist den Wehrdienst. Als Pfarrerskind musste er sein Abitur an einer Volkshochschule ablegen.

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Später studierte er in Halle Theologie. In Wittenberg bildete sich um ihn eine oppositionelle Gruppe, der Wittenberger Friedenskreis. Die Aktion "Schwerter zu Pflugscharen" 1983 war ein offener Affront gegen den sozialistischen Staat, es war der Slogan der DDR-Friedensbewegung.

Fünf Jahre später, rund ein Jahr vor dem Mauerfall, legte Schorlemmer gemeinsam mit seiner Friedensgruppe die "20 Wittenberger Thesen" für eine Demokratisierung der DDR vor: Freie Wahlen, unabhängige Gerichte, Reisefreiheit, diese und andere Forderungen waren im Juni 1988 eine pure Provokation.

Im Herbst 1989 sah der Theologe Schorlemmer schließlich seine Stunde gekommen. Auf der berühmten Demonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz war er einer der Redner, engagierte sich in der Partei "Demokratischer Aufbruch" - und blieb das, was er auch vor der friedlichen Revolution war: unangepasst. Als sich die Partei im Zuge der ersten freien Volkskammerwahlen im Frühjahr 1990 der CDU zuwendete, trat er aus und schloss sich der SPD an. Er war Gegner einer schnellen Wiedervereinigung.

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Der Wittenberger Pfarrer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Carl-von-Ossietzky-Medaille, den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und das Bundesverdienstkreuz. In höhere Ämter gelangte Schorlemmer allerdings nicht. Von 1990 bis 1994 war er Fraktionsvorsitzender der SPD im Wittenberger Stadtparlament, 1992 wurde er Studienleiter an der Evangelischen Akademie Wittenberg.

Einer seiner Weggefährten aus dieser Zeit war Eckhard Naumann (SPD), von 1990 bis 2015 Bürgermeister und später Oberbürgermeister von Wittenberg. Kennengelernt hatten sich die beiden Anfang der 1980er Jahre in den kirchlichen Friedenskreisen, später wirkten sie gemeinsam in der Wittenberger Kommunalpolitik. Schorlemmer sei immer ein kritischer Beobachter der politischen Verhältnisse geblieben, und das auf einem starken theologischen Fundament, sagte Naumann dem Evangelischen Pressedienst (epd) über seinen Weggefährten. Die neuen gesellschaftlichen Realitäten habe er aus links-protestantischer Tradition heraus bewertet.

So setzte sich Schorlemmer nach 1990 rasch für eine Rehabilitierung der in PDS umbenannten SED ein. 1993 forderte er, die Stasi-Akten zu vernichten, was ihm Kritik anderer Bürgerrechtler einbrachte. 1999 schloss er sich der Forderung nach einer strafrechtlichen Amnestie für die DDR-Verantwortlichen an.

Frieden und soziale Gerechtigkeit hätten für Schorlemmer immer eine zentrale Rolle gespielt, sagt Naumann. Und er sei zeit seines Lebens streitbar geblieben: "Wenn es ihm nicht gepasst hat, dann hat er es deutlich gesagt." Das habe ihm nicht immer nur Freundschaften, sondern auch gehässige Anmerkungen eingebracht. In den vergangenen Jahren war der mehrfache Vater und Großvater Friedrich Schorlemmer an Demenz und Parkinson erkrankt, lebte in einem Berliner Pflegeheim und äußerte sich nicht mehr öffentlich.

Diesen Nachruf hat Oliver Gierens für den Evangelischen Pressedienst (epd) geschrieben.

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Zitat im CHRISMON Bericht über Schorlemmer "...Schlosskirche, an deren Tür der Reformator vor mehr als 500 Jahren die 95 Thesen angeschlagen haben 'soll', die zum Auslöser der Reformation wurden".
SOLL?? Eine weitere Unsicherheit, obwohl doch mit Glauben die Hoffnung etwas sicherer werden sollte. Könnte dann auch Luther ein "Fake" sein? Die EKD-Herausgeber haben ja bereits die Auferstehung ("irgendwo mußte ER ja hin!") in das Reich der Fabeln verwiesen und die Erbsünde als Erfindung von Augustinus demaskieren lassen. Dass damit Jesus seiner Funktion als Erlöser beraubt wird, die aber immer noch von jeder Kanzel behauptet wird, ficht Sie nicht an. Wo 3 sind, werden doch noch mehr sein.
Was ist als nächste von der EKD veröffentlichte Unsicherheit des Glaubens zu erwarten?