Sie gelten immer erst als Spinner, wenn nicht als öffentliche Gefahr: Menschen, die in der Geschichte etwas verändert, die Verhältnisse zum Besseren gewendet haben. Weil sie Grenzen überschreiten, die Ordnung und den Gang der Geschäfte stören. Streikende Arbeiter, Suffragetten, die Schwulen, die sich in der Christopher Street mit der Polizei prügelten, Black Lives Matter, die Blockupy-Bewegung oder die Klimakleber: Sie alle mussten und müssen sich sagen lassen, okay, wir verstehen, dass ihr diskriminiert, ausgebeutet und um die Zukunft der Menschheit besorgt seid – aber so geht's ja nun nicht, macht keine Scheiben kaputt und den Teppich nicht dreckig.
Heute stehen wir vor Krisen, die uns alle zu überfordern scheinen. Pandemie, Klimakatastrophe, Kriege, Rassismus, Antisemitismus, Rechtsextremismus – man könnte verzweifeln. Oder als Starthilfe in ein neues Aktivist*innenleben mal ein paar Filme schauen? Das Kino hatte, vom Proletarierepos "Kuhle Wampe" bis zum Frauenklassiker "Erin Brockovich", von Ken Loach’ Sozialdramen bis zur Bestsellerverfilmung "How to Blow Up a Pipeline" aus dem vergangenen Jahr, immer ein Herz für den zivilen Widerstand in schier aussichtsloser Lage – im vollen Bewusstsein der praktischen und ethischen Probleme. Dazu könnte man übrigens auch noch mal in Pasolinis "Das 1. Evangelium – Matthäus" reinschauen: Dieser Jesus war auch ein Aktivist mit einem sozialen Programm. Und als er die Geschäftsleute mit der Peitsche aus dem Tempel trieb, hatte er nicht mal eine Haftpflichtversicherung.
120 BPM (Beats per Minute)
Dunkelrotes Theaterblut tropft von den Wänden im Pariser Büro des Konzerns Melton Pharm. Die Teppiche sind hinüber. "Melton Pharm, Mörderbrut. An euren Händen, da klebt Blut!", skandieren die Aktivisten von Act Up. In einer Schule verteilen die jungen Leute, manche an Aids erkrankt, Kondome, beschimpft und bedroht vom Rektorat. Aber die Schüler sind nicht uninteressiert, einer lässt sich einen Aufklärungsflyer geben. Die Pride-Parade wird zum Anti-Aids-Happening, mit Cheerleadern in Motto-Shirts: rosa Winkel und die Worte "Silence = Death", Schweigen ist Tod – das Emblem ging um die Welt.
Act Up wurde 1987 in den USA als Lobbyverband gegründet, um politischen Druck im Kampf gegen Aids aufzubauen, Regierungen und Pharma- industrie zum Handeln zu zwingen. Die fantasievollen, oft drastischen und akribisch vorbereiteten Interventionen der Gruppe gelten heute als wegweisende Form des zivilen Widerstands, sie wirkten inspirierend, bis hin zur neuen Klimabewegung. Robin Campillos Spielfilm "120 BPM" führt ins Frankreich der Neunziger, wo jährlich Tausende Menschen an Aids starben.
Campillo war selbst bei Act Up engagiert, die persönliche Erfahrung spricht aus jeder Szene. Gefilmt werden kontroverse Gruppensitzungen, Demos, bei denen sich die Kamera delirierend in die Menge mischt, aber auch: die Komplexität queeren Beziehungslebens und die qualvollen Behandlungen von Aids-Patienten im Krankenhaus. Der Aktivistenfilm hat immer einen bedrückenden, erschütternden Kern: Weil es darum geht, Not, Elend, Missstände aufzudecken und zu bekämpfen. Campillos Film überführt Wut und Trauer in pure Energie. "120 Beats per Minute": Das ist der erhöhte Pulsschlag gerechter Empörung.
120 BPM F 2017, Robin Campillo, Original mit Untertiteln zum Streamen bei Filmfriend, FSK 16
All the Beauty and the Bloodshed
"Ich bin ganz schön nervös", flüsterte Nan Goldin vor ihrer ersten Anti-Sackler-Aktion im Metropolitan-Museum in New York 2018. Die Fotografin hatte die Aktivistengruppe "Prescription Addiction Intervention Now" (PAIN) gegründet, um auf die Machenschaften der Milliardärsfamilie Sackler aufmerksam zu machen, die auch viele Museen förderte. Das Geld verdienten die Sacklers mit dem Pharmakonzern Purdue und dem Schmerzmittel OxyContin, das extrem schnell abhängig macht. Hunderttausende Menschen sind mittlerweile an einer Überdosis gestorben. OxyContin wurde recht freizügig verordnet, sogar Jugendlichen nach Knochenbrüchen. Nan Goldin bekam es nach einer Operation. "Die dunkelsten Jahre meines Lebens", sagte sie über ihre Abhängigkeit.
Der Dokumentarfilm "All the Beauty and the Bloodshed" begleitet Nan Goldin und ihre Gruppe bei Aktionen in Museen, und man möchte sich sofort ähnlich kreative Formen ausdenken, um gegen Missstände zu protestieren. Im Guggenheim-Museum regneten Flugblätter herab, die wie Rezepte aussahen. Die Aktivisten inszenierten den Tod, indem sie sich zu Dutzenden zu Boden fallen ließen. Ihr Zorn ist ansteckend, weil man viele Fakten erfährt; sie kommen einem nah, weil ihr Ringen und die Scheu vor öffentlichen Auftritten nicht ausgespart werden. Als Goldin die Möglichkeit hat, den Sacklers direkt etwas zu sagen, hält eine Freundin ihre Hand.
Der Film ist auch ein großartiges Zeitporträt: Nach und nach erfährt man in Rückblenden und Gesprächen mit Nan Goldin, wie sie, die verschüchterte, vom Suizid der Schwester verstörte junge Frau, in der queeren Community der 60er und 70er Jahre Freiraum findet, um sich von ihren Ängsten zu lösen und kreativ zu werden. Als später viele von Goldins Freunden an Aids starben, kämpfte sie öffentlichkeitswirksam gegen die Tabuisierung der Krankheit an. Der Protest war erfolgreich.
So wie auch diesmal: Mittlerweile haben viele große Museen ihre Zusammenarbeit mit den Sacklers beendet und ihre Namen entfernt. Purdue ging 2019 insolvent, die Sacklers einigten sich mit Klägerinnen 2021 auf die Zahlung von 4,5 Milliarden Dollar Schadensersatz. Ein Gericht kippte die Einigung. Mittlerweile beschäftigt sich der Oberste Gerichtshof in Washington mit dem Fall.
All the Beauty and the Bloodshed USA 2022, Laura Poitras, DVD und Stream (Prime Video, Google Play, Apple TV u. a.)
Sam - Ein Sachse
Es ist die erste deutsche Serie, die der Disney-Konzern für seinen internationalen Streamingdienst Disney+ produziert. Und es geht in der siebenteiligen Miniserie auch um ein sehr deutsches Thema, basierend auf realen Ereignissen: Die Geschichte von Samuel Meffire, der als erster "afrodeutscher" Polizist Ostdeutschlands gilt.
"Ein Sachse" ist der Slogan über einem Foto von Meffire, das Teil einer großen Werbekampagne ist. Mit der versucht die "Sächsische Zeitung" 1992, das Image der Region aufzupolieren und sich gegen Ausländerfeindlichkeit zu positionieren. Dadurch wird der Sohn eines Kameruners und einer Deutschen bundesweit bekannt und sitzt plötzlich in Talkshows.
Zuvor war der ehemalige Volkspolizist immer wieder Opfer rassistisch motivierter Übergriffe geworden – nun jagt er selbst Neonazis mit seiner Polizeispezialeinheit. Doch hier begegnet er nun anderen Formen von Rassismus: unter anderem als mögliche Festnahmen "von oben" verhindert werden. Frustriert quittiert er den Dienst, gründet sein eigenes Sicherheitsunternehmen, wird straffällig, flüchtet in den Kongo und landet schließlich im Gefängnis.
Was die Serie so sehenswert macht, ist, dass sie ganz ohne erhobenen Zeigefinger versucht, verstehbar zu machen, was Schwarze Identität in Deutschland bedeutet und was das mit Ausgrenzung zu tun hat. Das beginnt bei Szenen, in denen Sam einer Gruppe von DDR-Oppositionellen klarmacht, wen sie nicht im Blick haben bei ihren Aktionen. Es wird auch vor Augen geführt, wenn Sam mit seiner Truppe von Schwarzen Türstehern diskutiert, was Heimat und Gemeinschaft für sie heißen. Vor allem aber gibt es Schlüsselmomente wie den, als Sam auf einem Treffen von Aktivist*innen der Schwarzen Community erlebt, was es bedeutet, eine Identität als Person of Color in Deutschland zu haben und zu behaupten. Und sei es in Form eines Gedichts.
Eigentlich lässt sich die Serie nicht anschauen, ohne ein Buch wie "Exit Racism" von Tupoka Ogette zu lesen. Und dann eine eigene Haltung zu strukturellem Rassismus – jenseits vom Klischee fremdenhassender Springerstiefelträger – zu entwickeln. Und zum Beispiel über Privilegien nachzudenken. Oder über Mikroaggressionen und verinnerlichte (Klischee-)Vorstellungen. Aber vor allem über Zugehörigkeit und Teilhabe.
Sam – Ein Sachse D 2023, Tyron Ricketts und Jörg Winger, auf Disney+
Pride
United we stand, divided we fall", lautet ein berühmter Slogan, der auch beim Bergarbeiterstreik in Großbritannien 1984/85 auf Protestbannern stand. In diesem Jahr bildete sich in Großbritannien eine schräge Allianz. Die von Margaret Thatchers rigider Politik geknechteten Minenarbeiter drohten ihre Jobs zu verlieren, die Gewerkschaften kämpften um ihren Einfluss. Spontan beschloss eine andere, ebenfalls unterdrückte Minderheit, sich mit den Minenarbeitern zu solidarisieren: eine LGBTQ-Gruppe aus London. Unter dem Motto "Lesbians and Gays Support the Miners" sammelten sie Spenden für die Bergarbeiter.
Anfangs waren die konservativen Arbeiter überfordert von der unerwartet schrillen Schützenhilfe, doch nach und nach reifte die Gewissheit, dass man gemeinsam mehr erreichen kann als alleine.
Der Film "Pride" von Matthew Warchus aus dem Jahr 2014 setzt der ungewöhnlichen Solidarität ein Denkmal. Eine charmante Culture-Clash-Komödie, die in herrlicher Situationskomik mündet. Als die Gruppe queerer Aktivisten im grau-nassen walisischen Bergarbeiterdorf ankommt, ruft eine ältere Dame in breitem walisischem Akzent dem Anführer der lokalen Minenarbeiter, Dai Donovan, zu: "Dai, your gays have arrived!" Am Ende marschieren alle Seit’ an Seit’ beim Gay Pride durch London, zuvor organisieren sie als "Pits and Perverts" ein Benefizkonzert.
Auch wenn der Streik am Ende wenig erfolgreich war: Es motiviert zu sehen, wie weit man es bringen kann und welche Vorurteile überwunden werden können, wenn Menschen in einer Sache an einem Strang ziehen. Mächtige suchen sich immer die Schwächsten und versuchen, sie gegeneinander auszuspielen, weil klar ist: Wenn sie sich verbünden würden, ließen sie sich nicht leicht brechen! "Pride" demonstriert das eindrucksvoll.
Pride GB 2014, Matthew Warchus, auf DVD und im Stream (Apple TV, Prime Video u. a.)
Okja
Woran erkennt man eine Veganerin? Ganz einfach: Sie wird es Ihnen erzählen! Ein beliebter Witz, der auf den missionarischen Eifer anspielt, der vegan lebenden Menschen unterstellt wird. Und zum Teil auch zutrifft. Denn auch wenn ich nur auf Nachfrage davon erzähle, möchte ich ehrlicherweise doch Denkanstöße geben. Deshalb empfehle ich Bong Joon-hos "Okja" (2017), einen der nachhaltigsten Filme zum Thema: Es geht darin um die Freundschaft zwischen Mija und Okja, die gemeinsam in der Abgeschiedenheit Südkoreas aufwachsen. Mija ist ein zehnjähriges Mädchen, Okja wirkt wie eine Mischung aus mutiertem Meerschwein und Nilpferd, tollpatschig, empathisch, friedfertig – und riesengroß.
Sie ist eine von 26 über die Welt verteilten Prototypen, die der Mirando-Konzern als ressourcenschonende Nahrungsquelle für Milliarden genetisch kreiert und in der freien Feldforschung beobachtet hat. Ein anspruchsloses Tier, das jede Menge wohlschmeckendes Fleisch produzieren soll. Mija weiß davon nichts. Als Okja schließlich zum Superschwein auserkoren und für Experimente und die serielle Produktion in die USA verbracht wird, nimmt eine wilde Rettungsmission ihren Lauf, bei der Mija von der Tierrechtsorganisation Animal Liberation Front (ALF) unterstützt wird.
"Okja" ist dabei so viel mehr als die rührende Geschichte um ein kleines Mädchen und sein geliebtes Haustier. Das Streben des Mirando-Konzerns nach umweltschonender globaler Ernährungssicherheit wird ebenso wenig als das pure Böse dargestellt, wie die Ideale der ALF verklärt werden. Die teils actionreiche, teils emotionale und mit Tilda Swinton und Paul Dano prominent besetzte Geschichte spart dabei die Bilder von Tierversuchen und Massentierhaltung nicht aus. Bis dahin sind wir aber so fasziniert, dass wir nicht mehr wegsehen können.
Auch wenn der Showdown im Schlachthaus auf allzu blutige Details verzichtet und ein Happy End folgt, ist klar: Okjas Rettung wird Milliarden anderen Tieren nicht zuteil – im Film und in der Wirklichkeit. Sie alle empfinden Schmerz und Todesangst, sie alle wollen leben. "Okja" wird überzeugte Fleischesser*innen nicht zu Veganern machen. Nach dem Film dürfte es aber deutlich schwerer sein, all das Leid zu verdrängen, das wir Millionen von Tieren jeden Tag durch unseren Fleischkonsum zufügen.
Okja USA/Südkorea 2017, Bong Joon-ho, Stream bei Netflix, DVD für Liebhaber bei Criterion Collection
Erin Brokovich
Sie ist ordinär, trägt sehr kurze Lederröcke und versemmelt mit ihrem losen Mundwerk ziemlich viele Chancen: Erin Brockovich, im wahren Leben wie im Film eine amerikanische Vorstadtmutter, die zur Umweltaktivistin wird. Als ungelernte Anwaltsgehilfin deckt sie einen Mega-Skandal rund um den Energieversorger "Pacific Gas and Electric" (PG&E) auf. Ihr ist es maßgeblich zu verdanken, dass 1996 eine Sammelklage der Bewohner von Hinkley in Kalifornien gegen die Rekordsumme von 333 Millionen US-Dollar beigelegt wurde. Einer der ganz großen Erfolge der Umweltbewegung in den USA.
Julia Roberts – 2001 zurecht mit dem Oscar ausgezeichnet – spielt die alleinerziehende Mutter so hinreißend, dass ihr mein Herz sofort zuflog. Ich hatte im Jahr 2000 selber gerade ein Kind bekommen und kannte alles: das schlechte Gewissen, für den Job die Kinder zu vernachlässigen ("Du willst doch, dass Mummy ihre Sache gut macht"). Die Zerrissenheit zwischen Liebesleben, Kinderbetreuung und Beruf. Aber vor allem: dieses unbändige Selbstbewusstsein, das einem die Mutterschaft trotz allem einträgt.
Fürs Kindergroßziehen gibt es zwar kein Diplom, drum will der Anwalt im Film sie zunächst auch gar nicht einstellen. Aber man versteht was vom Leben. Die zweifache Mutter kann alle Eltern im kontaminierten PG&E-Gebiet überzeugen, bei der Klage mitzumachen. Weil sie weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein Kind krank ist. Und weil sie ihrem Anwaltschef im richtigen Moment sagt: "Doch, wir trinken hier noch einen Kaffee. Auch wenn Sie keinen Kaffee und keine Biskuittorte mögen." Nach der Biskuittorte bekommen sie die Unterschrift. Emotionale Intelligenz, das bringt die alleinerziehende Mutter im Übermaß mit.
Gut, man würde im Jahr 2023 vielleicht auf die Frage ihres Chefs, wie Erin an die Kontaminationswerte im Wasserwerk herankam, einen anderen Text ins Drehbuch schreiben als: "Wozu hab ich Titten?" Aber vielleicht wars ja im echten Leben wirklich so. Geheimwaffe Erin.
Erin Brockovich USA 2000, Steven Soderbergh, auf DVD und im Stream (Apple TV, Prime Video u. a.)
Die Autobahn - Kampf um die A 49
Seit ich "Die Autobahn – Kampf um die A 49" gesehen habe, führt mir dieser Film immer wieder vor Augen: Was ist, wenn eines meiner drei Kinder mich eines Tages fragt, warum ich nicht mehr getan habe gegen die Klimakrise?
Hunderte Aktivisten stemmten sich im Dannenröder Forst gegen die menschengemachte Erderwärmung. Die Trasse der A 49 soll durch jahrhundertealten Mischwald führen, von Kassel südwärts zur A 5. Im Oktober 2020 begannen die Rodungsarbeiten, die bis Ende Februar 2021 fertig sein mussten, denn in der Vegetationsphase im Frühling hätte kein Baum mehr fallen dürfen. Die Aktivisten setzten deshalb alles daran, die Arbeiten zu verzögern. Sie bauten Baumhäuser, lebten viele Monate darin, vernetzten sich und machten den Kampf für den "Danni" zu einem Symbol für den Klimaschutz. Die Dokumentation spielt im Herbst und Winter 2020, ihre Dramaturgie folgt der Frage, ob die Staatsmacht den Wald rechtzeitig räumen kann. Sie kann.
Die Filmemacher Klaus Stern und Frank Marten Pfeiffer ergreifen nicht Partei. Alle Seiten kommen zu Wort: Polizisten und Aktivistinnen, Menschen aus der Region, die in die Jahre gekommen sind und sich seit Jahrzehnten gegen die Pläne stemmen – aber auch Anwohner, die sich von der A 49 eine Entlastung versprechen, weil dann weniger Verkehr durch die Orte rollen soll, in denen sie leben. Wer hat recht? Das muss das Publikum entscheiden.
Meine Schlüsselszene: Eine Radioreporterin interviewt eine Aktivistin. Die junge Frau erklärt der Journalistin, sie hätten ein Jahr lang versucht, abseits von Leistungsdruck und Konsumzwang zu leben. Die Reporterin insistiert: "Ist das die Weise, wie die Menschen leben sollen? Im Wald auf den Bäumen?" Als ob es darum ginge! Als ob wir im Wald oder in Höhlen leben sollten wie in der Steinzeit.
Wenn meine Kinder mich also eines Tages fragen sollten, was ich für ihre Zukunft getan habe, werde ich ihnen vielleicht diese Szene, am liebsten aber die ganze Dokumentation vorspielen und entschuldigend mit den Achseln zucken. So war der Diskurs 2020: Schwarz-Weiß-Denken, nichts Gemeinsames.
Noch in diesem Jahr soll der Verkehr auf den neuen Abschnitten der A 49 rollen.
Die Autobahn – Kampf um die A 49 D 2022, Frank Marten Pfeiffer und Klaus Stern, Mediathek der Bundeszentrale für politische Bildung
She Said
2017 erschütterten die "New York Times"-Reporterinnen Jodi Kantor und Megan Twohey mit ihren Berichten zu Harvey Weinstein Hollywood. Über Jahre hatte der mächtige Produzent Dutzende Frauen aus der Filmindustrie sexuell belästigt, genötigt und vergewaltigt; geschützt von einer Branche, die von den Taten wusste, sie aber immer wieder vertuscht hat.
Der Film "She Said" verzichtet auf explizite Darstellungen der Taten. Die Berichte der Frauen bei den Befragungen sowie kurze, symbolische Aufnahmen von Hotelzimmern, Duschen und Betten reichen aus, um den Horror greifbar zu machen.
Die Erzählung konzentriert sich auf die journalistische Arbeit von Kantor und Twohey. Der Weg bis zur Veröffentlichung ihres Artikels ist lang und mühselig. Das Umfeld von Weinstein setzt die Betroffenen unter Druck, damit sie Schweigeerklärungen unterschreiben, viele sind traumatisiert und fürchten sich davor, über die Ereignisse zu sprechen.
Auch versuchen Weinsteins Verbündete mit allen Mitteln, die Recherchen zu behindern. Kantor und Twohey aber lassen sich nicht beirren. Mit viel Hartnäckigkeit und großer Sensibilität gegenüber den betroffenen Frauen schaffen sie es, das Schweigen zu brechen.
"She Said" zeigt, wie viel Kraft und Mut es braucht, um solche Recherchen durchzuführen. Kantor und Twohey sind oft gestresst, haben Angst und wenig Zeit fürs Privatleben. Die Strapazen lohnen sich: Ihre Veröffentlichungen setzen die MeToo-Bewegung nicht nur in Hollywood in Gang und verdeutlichen, wie wichtig es ist, dass Journalistinnen und Journalisten hartnäckig weiter recherchieren, auch wenn sie zunächst auf Widerstand treffen.
Der Film zeigt zudem, wie seriöse Journalisten nicht nur bei der "New York Times" arbeiten: Alles, was die betroffenen Frauen erzählen, belegen sie mit weiteren Quellen, bis zuletzt wird der Artikel geprüft. Zweifeln Sie am Journalismus und vertrauen lieber Fake News? Dies ist Ihr Film!
She Said USA 2022, Maria Schrader, auf DVD und zum Streamen bei Sky Go und Wow