chrismon: Marie, wir stehen auf einem Gemüseacker in Freudenthal bei Witzenhausen - was macht du da gerade?
Marie L.: Ich bearbeite den Boden mit einer Radhacke. Fast alle unsere Flächen liegen am Hang. Daher ist das Wirtschaften mit großen Maschinen schwierig. Es ist viel Handarbeit.
Machst du das gern?
Ist schon anstrengend und die Arbeit geht auf den Rücken. Aber ich arbeite viel lieber hier draußen mit den Pflanzen, als im Büro zu sitzen.
Marie Langenscheidt
Julia Pfaller
Was ist das eigentlich: Solidarische Landwirtschaft oder, wie ihr alle hier sagt: Solawi?
Das Prinzip einer Solawi ist Gemeinschaft zwischen den Menschen, die produzieren, und denen, die konsumieren. Wer mitmachen will, unterzeichnet einen Jahresvertrag und zahlt pro Monat einen festen Betrag. Im Gegenzug gibt es einen Gemüseanteil pro Woche.
Wie viele Mitglieder habt ihr und was zahlen die?
Wir versorgen 130 Mitglieder ganzjährig mit Gemüse. Dafür brauchen wir 87,50 Euro pro Anteil. Das ist aber nur ein Richtwert, denn bei uns gilt die Solidarität auch unter den Mitgliedern: Einige zahlen mehr, andere weniger. Alle zusammen kommen für die Kosten des Betriebes auf.
Euer Stundenlohn beträgt zwölf Euro. Kommst du damit aus?
Gerade so. Wir machen hier viel selbst und die Miete ist günstig. Zwölf Euro Stundenlohn sind für die Landwirtschaft sogar ganz gut, trotzdem sind bessere Arbeitsbedingungen wichtig. Wir leisten alle viele unbezahlte Überstunden. Aber die Arbeit im Team gibt mir viel. Wir sind zu fünft, ein Frauenkollektiv. Das fetzt! Alle arbeiten Teilzeit und teilen die Verantwortung. Bei uns wird im Konsens entschieden. Und mittags kochen wir immer abwechselnd vegan und essen dann zusammen.
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Du wohnst auch auf dem Gelände in einer WG.
Ja, das ist schön und praktisch. Andererseits kann ich auch schlecht abschalten. Gestern war ich eigentlich krank. Aber dann musste der Acker vorm Haus gegossen werden. Da bin ich natürlich runtergegangen.
Arbeiten alle, die mit dir zusammenwohnen, in der Solawi?
Nein, ich bin die einzige Festangestellte der Solawi, aber viele aus dem Haus helfen regelmäßig mit oder arbeiten gegen einen Gemüseanteil. Wir sind insgesamt 18 Leute, verteilt auf drei WGs: Student:innen, Berufstätige in den unterschiedlichsten Jobs und Erwerbslose. Alle zusammen kümmern sich auch um Arbeiten rund ums Haus.
Wem gehören Haus und Land?
Der Eigentümer war hier selbst Landwirt, jetzt hat er das Haus an die WGs vermietet und die Flächen an die Solawi verpachtet. Es gibt viel Platz. Oben unterm Dach gibts eine große Tenne, auf der wir werkeln, tanzen oder unsere Zwiebeln trocknen können. Manche halten Hühner, Bienen, Rinder und Ziegen und machen Käse. Wir trocknen unser Obst im Dörrofen im Garten, kochen Gemüse ein und irgendjemand backt immer Brot.
In meiner früheren WG hatten wir getrennte Fächer im Kühlschrank . . .
Nee, so was gibt es bei uns nicht. Wer was Spezielles für sich haben will, macht eine Wäscheklammer dran. Alles andere teilen wir. So was wie Mehl und Nudeln kaufen wir in Großgebinden. Menschen aus dem Haus retten auch Lebensmittel von Supermärkten. Ich wohne hier seit fünf Jahren und habe, glaube ich, noch nie Obst eingekauft.
Gibt es auch mal Streit?
Natürlich. Wir leben extrem dicht miteinander. Aber wir versuchen, offen und konstruktiv mit Konflikten umzugehen, und lernen da immer weiter dazu. Das Haus ist seit Corona noch mal mehr zusammengewachsen. Es gibt gemeinsames Yoga und ein Sonntagsfrühstück für alle, einen queer-feministischen Lesekreis und eine patriarchatskritische Runde.
Willst du hier noch länger leben?
Ja. Ich glaube, ich werde nie wieder einen solchen Grad an Selbstversorgung erreichen. Hier ist es auch einfach schön. Es gibt alte Streuobstwiesen voller Blumen an den Hängen. Da kommt gerade ein Schachbrettfalter. Die leben nur da, wo die Natur wirklich noch intakt ist.
zweierlei Maß?
Der Artikel beschreibt, wie in der Solidarischen Landwirtschaft eine festangestellte Geringverdienerin mit 12 Euro Stundenlohn unbezahlte Überstunden macht und trotz Krankheit zur Arbeit kommt, weil offenbar die Personaldecke so gering ist, dass jeder krankheitsbedingte Ausfall ein Problem ist. Normalerweise würden solche Verhältnisse zu massiver (berechtigter) Kritik an den Arbeitsbedingungen führen. Seltsamerweise sind diese Zustände aber völlig unproblematisch, wenn man sich "solidarisch" nennt. Bin ich der einzige, der das nicht versteht?
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Ihr Kommentar
LIeber Herr Mohr, danke für Ihren Beitrag - ich finde ehrlich gesagt, dass genau das im Interview gesagt wird: Ja, die finanziellen Bedingungen sind nicht gut und müssen unbedingt verbessert werden. Dafür kämpfen viele Leute in den Solawis - aber ein gutes Einkommen ist nicht alles im Leben. Im Gegensatz zu vielen Menschen in der angeblich so fairen freien Wirtschaft, verdienen da auch viele viel zu wenig, machen auch unbezahlte Überstunden und sind dazu zutiefst unglücklichin ihrem Job. Ich würde zehnmal lieber so leben wie Marie, also wie jemand mit vielleicht etwas mehr Stundenlohn und einem schlechten Arbeitsumfeld.
Und im übrigen: Ich wäre froh, wenn mein Text dazu beiträgt, dass vielleicht innerhalb der Solawis überlegt wird, wie man die völllig zurecht zu kritisierenden Arbeitsbedingungen ändern könnte.
Mit bestem Gruß
Dorothea Heintze
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Wenn ich das richtig
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist Marie, die laut Homepage Solawi Freudenthal , Zitat: " Sie ( Marie als Team Mitglied ) liebt das Freudenthal schon lange für seine Schönheit und die solidarische Gemeinschaft und findet Solidarische Landwirtschaft einfach genial! ", mit ihren 12 Euro Stundenlohn unzufrieden, und kontaktiert aus diesem Grunde Chrismon ?
Um sich über diese " untragbaren " Arbeitsbedingungen zu beschweren ?
Oder wie ist der Kommentar von Frau Heintze zu verstehen ?
Kein Biss, keine Vorabrecherche, wie es scheint, b.z.w. nur sehr oberflächlich, und eben leicht einzuschüchtern, wenn ich ihre Reaktion auf den eindeutig feindseligen Kommentar von Sebastian Mohr mir so ansehe.
Das ist übel, finde ich. Und geht am Thema Solawi völig vorbei.
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