Maria Kleist auf ihrem Feld
Maria Kleist, 68, freut sich: 600 Bäume sollen verhindern, dass das Ackerland zur Wüstenei wird
Gordon Welters
Landwirtschaft
21 Hektar zu verschenken
Sie hätte das geerbte Ackerland teuer verkaufen können. Aber ihr Gewissen brachte sie auf eine andere Idee - und die finden auch ihre Kinder besser
22.07.2024
3Min

Maria Kleist (Jahrgang 1956):

Mein Vater hat immer gesagt: In einer Hand Erde steckt mehr Leben als auf der ganzen Welt. Viele Milliarden von Mikroben. Als Tochter eines Bauern habe ich früh gelernt, dass es einem Wunder gleicht, was auf einer kleinen Fläche wachsen kann – und dass man dieses Gut schützen sollte. Nach meinem Gartenbaustudium an der Humboldt-Uni in Berlin arbeitete ich nicht in der Praxis, sondern wegen des Stellenmangels in der Kreisverwaltung, aber eine Verbundenheit mit dem Boden und der Natur ist tief in mir drin.

Von meinen Eltern habe ich den Mittelhof geerbt, hier in Gessin, einem Dorf in der Mecklenburgischen Schweiz. Dort lebe ich mit meinem Mann Bernd, meiner 96-jährigen Mutter, meiner Tochter, ihrem Mann und meiner ­Enkelin unter einem Dach. Zum Hof gehören auch 21 Hektar Ackerland, das direkt an unser Grundstück reicht. Nach der ­Wende haben wir es an einen befreundeten Bauern verpachtet, was gut für uns war. Wir wussten, wer unser Feld bestellt, und jedes Jahr feierten wir zusammen Erntefest.

Für die Gesundheit meines Mannes stellten wir unsere Ernährung um, noch dazu auf Biokost. Das war der Anstoß, dass wir einen Bioladen mit Café auf unserem Hof eröffneten. Aber bald spürten wir einen Konflikt in uns: Einer­seits verkaufen wir Biolebensmittel, andererseits lassen wir unser Land konventionell bewirtschaften. Obwohl unser Bauer chemische Pflanzenschutzmittel sehr verantwortungsvoll verwendete, bekamen wir öfter kurzzeitig Atemprobleme, weil es die Schwaden seitlich verwehte.

Ein Zufall hat uns dann endgültig überzeugt, dass es Zeit wird, etwas zu ändern: Das staatliche Thünen-­Institut hatte für die Erstellung eines deutschlandweiten Humuskatasters auch von unserem Acker eine ­Bodenprobe genommen. Ergebnis: Der Humusgehalt ist seit der ­letzten Erhebung von 1935 um 60 Prozent zurückgegangen. Das ist dramatisch! Wenn wir mit der Bewirtschaftung so ­weitermachen, ist unser Boden in spätestens 40 Jahren eine Wüstenei, auf der nichts mehr wächst.

Als der Sohn unseres Bauern dann mit dem Wunsch auf uns zukam, dass er auf unserem Feld mit der ­Umstellung auf Bio beginnen möchte, haben wir vor Freude in die Hände geklatscht – endlich! Wir suchten nach alternativen Landnutzungsformen und entschieden uns für die Agroforstwirtschaft. Da werden Forstwirtschaft und Ackerbau kombiniert, also Baumstreifen auf dem Acker gepflanzt, auch mit Obstbäumen. Der Boden ist dann ­besser geschützt vor Trockenheit und Wind, und das Laub sorgt für Humus.

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Leider entschied sich der Jungbauer dann doch für ­einen anderen beruflichen Weg. Und unser Bauer konnte sich eine Umstellung ohne die Hilfe seines Sohnes nicht vorstellen. Nach intensiven Gesprächen einigten wir uns darauf, dass wir das Pachtverhältnis beenden und uns selbst um die Bewirtschaftung kümmern. Das war eine sehr aufwühlende Phase. Mit der Agroforstwirtschaft leisten wir in unserer Region Pionierarbeit, nicht jeder sieht in unserem Vorhaben denselben Sinn wie wir. Da musst du schon zu dem stehen, was du für richtig hältst, und dich von dem Urteil deiner Mitmenschen freimachen.

Es war mein Gewissen, das mich zu dieser Entscheidung getrieben hat, und das starke Bedürfnis, dass ich diesen Boden auch für die nächste Generation bewahren möchte. Mit politischen Absichten hat das nichts zu tun. Ich bin Christin, die Bewahrung der Schöpfung gehört ­ für mich zu meinem Glauben.

Mit der Zustimmung unserer fünf Kinder ­beschlossen wir, das Ackerland samt Hof perspektivisch in eine ­Stiftung zu übertragen. Sicherlich wäre es lukrativ, das Land zu verkaufen, ein Hektar ist zwischen 8000 und 30 000 Euro wert. Aber ein Verkauf kommt nicht infrage. Ich finde es großartig, dass sie unser Vorhaben mittragen.

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Uns schwebt eine Allmendewirtschaft vor, eine Art Mitmachgarten, der viele Menschen zusammenbringt. Wir werden sehen. Inzwischen haben wir schon 600 ­Bäume gepflanzt. Ich habe einen neuen Bezug zum Acker bekommen. In den letzten Jahren war es ein anonymes Stück Boden, das einen Pachtzins einbrachte, aber jetzt hüpft mein Herz vor Freude, wenn ich all diese kleinen Bäume sehe.

Protokoll: Annika Kiehn