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Liebe Kinder,
an diesem Weihnachten seid ihr neun, zwölf und 16 Jahre alt. Ihr habt, wie man so sagt, noch alles vor euch.
Ich schreibe euch, weil ich mir Sorgen mache, was da vor euch liegt. Und weil ich ein schlechtes Gewissen habe, welche Welt wir euch und euren Altersgenossen hinterlassen. Mir tut das von Herzen leid und weh.
Du, liebe Tochter, hast mich gestern an einer wunden Stelle gepackt, als du wissen wolltest: "Welche fünf Dinge brauchst du jeden Tag?" Ich war in Gedanken, räumte gerade irgendwas auf und sagte: "Toilettenpapier, meine Kaffeetasse, Wasser, mein Bett, etwas zu essen." Sofort merkte ich: Ich hatte "brauchen" nur im Sinne von "gebrauchen" verstanden, die Worte "Wärme" oder "Liebe" fehlten in meiner Antwort. Aber darauf wolltest du gar nicht hinaus. Du sagtest: "Siehst du, Konditionalsätze und wie man Brüche multipliziert – das gehört nicht zu den fünf Dingen, die du brauchst."
Wir mögen eure Schule, aber es stimmt ja: In den Lehrplänen stehen Dinge, die euch nicht vorbereiten auf das, was kommt. Ihr lernt etwas auswendig und habt es Tage später wahrscheinlich wieder vergessen. Wobei: Bruchrechnen ist wirklich wichtig.
Denn: Jedes Zehntelgrad zählt. Dass wir euch die Klimakrise vor die Füße kippen, ist furchtbar. Oft staune ich, wie lange das Problem schon bekannt ist. Es gibt einen Fernsehausschnitt aus dem Jahr 1978, in dem der Journalist Hoimar von Ditfurth die menschengemachte Erderwärmung erklärt. Das ist fast 50 Jahre her.
Seitdem ist viel passiert – auch viel Gutes. Wind- und Sonnenstrom sind heute günstiger als Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken. Aber wir könnten viel weiter sein – und sind immer noch nicht schnell genug, um die Erderwärmung auf ein erträgliches Maß zu begrenzen.
Was ist schiefgelaufen? Ich glaube, wir haben nicht gut genug erklärt. "1,5 oder 2 Grad mehr im Vergleich zum vorindustriellen Zeitraum": Ich weiß nicht, wie oft ich das geschrieben und für selbstverständlich gehalten habe, dass alle verstehen, wie gefährlich 2 Grad mehr wären. Heute glaube ich: Von selbst erklärt sich das nicht, weder für Kinder noch für Erwachsene. Wir müssen viel besser deutlich machen, was das alles bedeutet. Um 1,5 Grad hat sich die Erde schon erwärmt. In vielen Gebirgen sehen wir, dass die Gletscher schmelzen.
Viel früher hätten wir mehr darüber sprechen sollen, was wir gewinnen, wenn wir uns verändern. Wer Strom aus Wind und Sonne erzeugt, muss kein Geld in Weltregionen überweisen, um an Kohle, Öl und Gas zu kommen. Das ist ein Riesenvorteil, denn in vielen Gegenden dieser Welt passiert wenig Gutes mit diesem Geld. Russland führt Krieg mit den Mitteln, die es für Öl und Gas aus anderen Ländern erhält. Und wer nichts verbrennt, hat bessere Luft.
Vorige Woche haben wir schon wieder erlebt, wie Fortschritte zurückgedreht werden. Eigentlich hätten ab 2035 in der EU keine Autos mehr zugelassen werden dürfen, die Abgase ausstoßen. In zehn Jahren hätte man also nur noch Elektroautos anmelden können. Auch die sind nicht perfekt für die Umwelt, erhitzen das Klima aber weniger.
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Diese klare, einfache Regel soll nun verändert werden. Sie wird durch eine komplizierte Regel mit Ausnahmen ersetzt, die viel Bürokratie nach sich ziehen wird. Ich befürchte: Am Ende heißt es: "Das ist uns alles zu bürokratisch, auch die veränderte Regel muss weg, wir wollen ganz zurück zum Verbrenner." Darüber, wie man jenseits des Autos – ob nun elektrisch oder nicht – mobil sein kann, wird erst gar nicht geredet.
Am meisten ärgert mich, dass wir Erwachsenen und Eltern uns das alles gefallen lassen und so wenig für euch tun. Klar, wir haben alle unseren Alltag, der uns viel abverlangt. Aber wisst ihr noch, als wir vor zwei Jahren wegen des Wortes "Remigration" auf der Straße waren und demonstrierten? Es fühlte sich gut an, für etwas einzustehen, nämlich für die Demokratie - und gegen so ein übles Wort zusammenzustehen, das auf nichts anderes als Deportationen hinausliefe, wenn man es zu Ende denkt. Heute zieht eine rechtsextreme Partei mit diesem Wort in Wahlkämpfe, ganz offen. Wir stumpfen ab. Das ist furchtbar.
Advent heißt Ankunft: Christen erwarten die Ankunft Gottes in dieser Welt, als kleines Kind in der Krippe zu Weihnachten. Das ist ein Hoffnungszeichen in dunkler Zeit. Vielleicht könnt ihr daraus Zuversicht ziehen? Das wäre schön.
Ich verspreche, die ruhigen Tage zu nutzen und Politikerinnen und Politikern zu schreiben, dass es so nicht weitergehen kann – in der Klimapolitik nicht, in vielen anderen Bereichen auch nicht.



