Klimakrise: ein Generationenkonflikt?
"Die Älteren könnten der Politik Beine machen"
Der Physiker Achim Bubenzer ist längst pensioniert. Aber statt sich zur Ruhe zu setzen, reist er durchs Land und will seine Generation für den Klimaschutz begeistern
Demonstration der 'Omas for Future', Laughparade, Vatertag, Comedy for Future am 26. Mai 2022 vor dem Brandenburger Tor
Im Jahr 2022 demonstrierten die "Omas for Future" vor dem Brandenburger Tor
PR, picture alliance / Eibner-Pressefoto / Jürgen Biniasch
Tim Wegner
09.10.2024
5Min

Herr Bubenzer, Sie sind Jahrgang 1949. Wie nehmen Sie Ihre Altersgenossen in Klimafragen wahr – also Menschen, die heute um die 75 Jahre alt sind?

Achim Bubenzer: Die Stimmung unter meinen Altersgenossen ist zu diesem Thema sehr heterogen. Viele resignieren und glauben nicht daran, dass wir das Ruder noch herumreißen können. Das nehme ich niemandem übel, denn als Einzelner muss man sich gegenüber der menschengemachten Erderhitzung klein und machtlos fühlen. Einige haben Angst vor dem, was kommt. Manche haben viel Kampfgeist, um die Welt für unsere Kinder und Enkel zu retten. Es gibt natürlich auch Leute, die es gar nicht interessiert. Mein Buch habe ich für Menschen über 55 Jahre geschrieben. Das ist meine Zielgruppe, die ich deshalb anspreche, weil ich ihre Sprache und Werte – auch konservative Werte – teile. Ich bin sehr optimistisch, dass sie mir zuhören.

Achim Bubenzer Armin Buhl

Achim Bubenzer

Achim Bubenzer (Jahrgang 1949) ist Autor und Physiker. Nach Stationen in den USA, an Max-Planck- und Fraunhofer-Instituten war er am Aufbau einer Pilotfertigungsanlage für Solarmodule beteiligt und dann Professor und Rektor an der Hochschule Ulm. Im Ruhestand informiert er – vor allem in seiner Generation – über den Klimawandel.

Je mehr Extremwetterereignisse und Katastrophen wir sehen, desto mehr scheint das Thema Klimakrise auf der Agenda nach unten zu rutschen. Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Meine Zielgruppe kann ein echter Hoffnungsträger sein. Menschen über 55 Jahre haben viel Lebenserfahrung. Sie haben Verantwortung getragen – viele haben Familie, haben Kinder großgezogen. Andere engagieren sich in Vereinen, in der Kirche oder haben Menschen in Unternehmen geführt, weil sie Chefinnen und Chefs waren oder noch sind. Kurz gesagt: Die Älteren laufen nicht vor der Verantwortung davon. Und sie bilden eine riesige Wählergruppe. Bei den Bundestagswahlen 2021 waren mehr als 38 Prozent der Wahlberechtigten 60 Jahre und älter. Diese Gruppe ist sich noch gar nicht bewusst, welchen Einfluss sie haben könnte.

Es gibt aber auch das Bild vom älteren Menschen, der nichts mehr verändern möchte in seinem Leben – und statt einer neuen Wärmepumpe für das Haus zu kaufen lieber noch mal auf Kreuzfahrt gehen will …

Die gibt es, keine Frage. Aber die Älteren könnten der Politik Beine machen. Wir haben die längste Friedenszeit in Deutschland erleben dürfen, aber auf Kosten einer Umweltausbeutung, die dringend ein Ende finden muss. Es kommt nun darauf an, dass wir endlich besser kommunizieren – also angemessen über den menschengemachten Klimawandel streiten und reden.

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Wir reden doch seit Jahrzehnten darüber. Was müsste besser laufen?

Auch ich habe gedacht, dass die Klimapolitik automatisch vorankommt, wenn ich nur mit Fakten überzeuge und Zweifler bekehre. Wir wissen und sehen bereits, wie gefährlich die Erderwärmung ist. Aber es war ein Fehler, allein auf Einsicht durch Fakten zu setzen. Wir müssen den Menschen stattdessen mit Empathie und Neugier begegnen.

Haben Sie ein Beispiel?

Ja, als ich gelesen habe, dass im Permafrostboden in Sibirien möglicherweise Krankheitserreger schlummern, gegen die wir heute keine Immunität haben, wurde mir bange. Wer garantiert, dass die Erreger nicht frei werden, wenn die gefrorenen Böden nach Jahrtausenden tauen? Es mag noch so unwahrscheinlich sein, aber ich merkte, dass ich vor dem Hintergrund der Corona-Jahre bei diesem Gedanken erschrak. Also gilt: Wenn ich über die Klimakrise reden will, muss ich erst herausfinden, mit welchen Beispielen und Erlebnissen ich Menschen ansprechen kann. Ich muss ihre Lebenssituation, ihre Gefühle, ihre Interessen kennen.

Würden Sie es auch schaffen, einer Vielfliegerin oder einem SUV-Fahrer mit Empathie zu begegnen?

Da bin ich ganz zuversichtlich, muss aber einfach zugeben, dass ich selber weite Teile der Welt bereist habe, vor allem aus beruflichen Gründen. Ich bin viel geflogen und habe gute Freunde und Verwandte in den USA und Mexiko. Hier kommt das komplexe Thema einer ehrlichen und wirksamen CO2-Kompensation ins Spiel. Die kann man nicht pauschal als Ablasshandel verdammen. Und mit Flugzeug- und Autofans verbindet mich zudem meine Technikbegeisterung. Das ist eine wichtige kommunikative Brücke. Ohne diese Technikaffinität hätte ich keine Hochschule mit Themen wie Fahrzeugtechnik und auch Kerntechnik leiten können. Nur muss sich die Technik Mensch und Natur unterordnen und nicht umgekehrt.

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Ihr Buch heißt: "Opa, du hast es doch gewusst!" Sie spielen damit auf Ihre eigene Geschichte mit Ihrem Vater an, den Sie als junger Mann auf die Gräueltaten im von den Nazis entfesselten Zweiten Weltkrieg ansprachen. Damals geschah ein Menschheitsverbrechen. Ist der Vergleich zur menschengemachten Erderwärmung statthaft?

Tja, darf, kann man das vergleichen? Ich weiß es nicht. Ehrlich gesagt: Ich musste dieses Buch einfach schreiben, weil mich so sehr bewegt, was wir nachfolgenden Generationen hinterlassen. Ein Neffe von mir ist Historiker, er warnte mich: So ein Vergleich ist gefährlich. Ich weiß, man kann nicht Unrecht gegen Unrecht aufwerten – aber es musste raus.

Sie sind Experte, haben sich als Physiker viele Jahre mit erneuerbaren Energien befasst. Macht Sie das glaubwürdiger in Ihrer Zielgruppe?

Das Feedback ist jedenfalls sehr positiv. Vielen ist nicht bewusst, dass wir vier technologische Pfeiler brauchen: erstens Strom aus erneuerbaren Energien und zweitens Effizienzgewinne. Wir müssen also Strom und Energie sparsam und effizient einsetzen. Drittens braucht es eine Wasserstoffstrategie und viertens den Erhalt bzw. die Wiederherstellung von CO2-Senken wie zum Beispiel Moore und Wälder. Es gibt zig Studien, die sagen: Mit diesen vier Pfeilern ist es möglich, unsere Wirtschaft und unser Leben klimaneutral zu gestalten.

Aber?

Es braucht den politischen Willen, die Wende auch durchzuziehen. Und dieser Wille kann nicht von einer Wahl zur nächsten immer wieder aus polittaktischen Gründen hinterfragt werden. Ein Beispiel: Wir haben eine wichtige Entscheidung zu treffen – keine neuen Autos mehr mit Verbrennungsmotoren neu zuzulassen, nicht sofort, aber in zehn Jahren? Das Europaparlament stimmt zu, in Deutschland machen bestimmte Parteien Stimmung dagegen. Das geht nicht. Ich bin felsenfest überzeugt: Energiewende und Klimaneutralität funktionieren, wenn wir es wollen. Die viel gescholtene Ampel hat große Erfolge erreicht. Über 50 Prozent unseres Stroms liefern heute schon Wind und Sonne – das ist gigantisch und hat uns vor den schlimmsten Auswirkungen des Krieges in der Ukraine bewahrt. Wir dürfen nicht rumeiern und meine Generation muss richtig Dampf machen!

Es klingt so, als sei vor allem die Politik in der Pflicht und schuld daran, dass die Erderwärmung noch weiter voranschreitet. Aber wann immer es konkret wird mit dem Klimaschutz, wollen viele Menschen doch nicht mehr mitziehen. Wer also trägt die größte Verantwortung – wir als einzelne Menschen oder die Politik?

Wir haben in unserem Land gottlob einen im weltweiten Vergleich noch recht gut funktionierenden demokratischen Rechtsstaat, wenn er auch an vielen Stellen dringend verbessert werden muss. Aber das heißt, man kann "die Politik" – diese Pauschalierung mag ich schon mal gar nicht – nicht für alles verantwortlich machen. Denn der Wähler ist der Souverän. Nur muss er das auch einfordern und das geht eben nicht vom Sofa aus. Wobei ich zugeben muss, es wird ihm von gut organisierten und finanzierten Lobbygruppen auch nicht immer ganz leicht gemacht.

Opa, Du hast es doch gewusst!
Antworten und Einsichten eines Großvaters zum Klimawandel, Oekom Verlag, 160 Seiten, Euro 19