25 Jahre chrismon
Liebe ist Anfang und Ende
Liebe durchflutet uns, trägt durch Krisen, trotzt dem Tod. Wie hält man sie fest? Und was hat die Zuversicht damit zu tun? - Ein Glückwunsch zu 25 Jahre chrismon von der EKD-Ratsvorsitzenden Kirsten Fehrs
Amtierende Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck
EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs zeigt Herz
Heike Lyding/epd-bild
Bischofsrat in GreifswaldMarcelo Hernandez
Aktualisiert am 21.10.2025
3Min

"Wahre Liebe gleicht dem Ring, und der Ring hat kein Ende", sagt ein Sprichwort. Ach, wenn es doch so wäre! Mehr als jede dritte Ehe wird in Deutschland geschieden. Trotzdem erreichen viele verheiratete Paare die silberne Hochzeit, 25 gemeinsame Jahre. Was machen die anders als die anderen?

Bischofsrat in GreifswaldMarcelo Hernandez

Kirsten Fehrs

Kirsten Fehrs wurde 1961 geboren und ist seit November 2024 Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Amt hatte sie seit November 2023 kommissarisch inne. Die Theologin ist zudem Bischöfin der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland. Von 2018 bis 2020 war sie Sprecherin des fünfköpfigen Beauftragtenrats, den die EKD zum Schutz vor sexualisierter Gewalt einberufen hat. Bischöfin Fehrs engagiert sich außerdem für den Dialog der Religionen, sie ist Vorsitzende des Interreligiösen Forums Hamburg.

Manchmal ist es ganz einfach. Kürzlich durfte ich im Hamburger Michel einem Ehepaar zum 70. Hochzeitstag den Segen spenden. "Ich liebe sie wie am ersten Tag", sagte mir der Mann beim Vorgespräch. Der Trauspruch der beiden von 1955 steht im Römerbrief: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen."

Die Liebe ist ein göttliches Geschenk, aber wir erleben sie ganz und gar irdisch. Wir ­spüren sie, bevor wir sie in Worte fassen können. Sie durchflutet uns, verzückt uns und kann sich ganz verschieden äußern. Auf der An­kunfts­ebe­ne eines Flughafens sah ich neulich zwei Männer, alte Freunde offenbar, die sich nach einem kurzen Innehalten ganz still umarmten. Unmittelbar daneben schließt ­eine Großfamilie laut lachend die Heimgekehrte in mindes­tens 30 Arme gleichzeitig.

Zwei Liebende sehe ich, die mit einem Seufzer regelrecht ineinanderfallen und sich – ungeachtet der amüsierten Zuschauer – sehnsüchtig küssen. Ich sehe Kinder mit ­Blumen in der Hand, um sie der Großmutter in den Schoß zu legen, die im Rollstuhl in die Halle gefahren wird. Ein kleines Mädchen sehe ich, das auf ihren Großvater zuläuft und ihm selig die Ärmchen um den Hals schlingt. Ich sehe Menschen über Menschen, die in diesen Momenten des ­Ankommens nur dieses eine wollen: ihre Liebe zeigen.

Liebe bestimmt auch den Abschied. Als am 11. September 2001 die entführten Flugzeuge ins World Trade Center stürzten, wurden in den letzten Minuten vor dem Aufprall viele Liebeserklärungen versandt. "Ich liebe dich, was ­immer geschieht", "Vergiss nie, was wir uns waren", "Danke dir für deine Liebe" – das waren vor allem die Botschaften, die im Angesicht des Todes die Welt erreichten. Nicht der Schrecken, nicht die Angst, nicht der Hass auf die Gewalttäter – das letzte Wort im Tod hatte die Liebe.

Und es gibt die Liebe, die still bleibt. Die sich nicht ­äußert, weil sie nicht gezeigt werden darf, will oder kann. Sie muss nicht unglücklich sein. In "Wilhelm Meisters Lehrjahre" lässt Goethe die auf ihre Unabhängigkeit bedachte Philine zum Romanhelden sagen: "Wenn ich dich lieb habe, was geht’s dich an?" So selbstlos zu ­lieben, ­ohne Gegenliebe zu erwarten, finde ich bewunderns­wert.

Die Liebe, von der wir Christenmenschen ja immer und immer wieder berührt werden und von der wir zu erzählen haben, diese Lebensliebe Gottes ist etwas Reales und ­Irdisches. Keine abgehobene geisteswissenschaftliche Debatte, keine Phrase, sondern die höchstselbst zu erfahrende Tatsache, dass wir ohne Liebe vergehen würden. Ohne das Du, das dich sieht. Ohne gegenseitige Achtung und innere Bindung, die einen zugehörig macht.

Liebe ist tatsächlich A und O, Anfang und Ende. Denn aus dem Lieben heraus werden wir in ­diese Welt hineingeboren und, so Gott will, gehen wir geliebt wieder von dieser Erde. Nicht wir tragen sie, sie ist es, die uns trägt und die die Zuversicht nicht aufgibt – gerade in tiefer Erschütterung und gerade in Zeiten von Hass und Kriegen.

Diese Zuversicht zu bestärken, ist das selbst gesteckte Ziel von chrismon seit 25 Jahren. Ein Magazin, das die ­Liebe zum Leben feiert, das das Menschsein auch im Schweren und Skurrilen umarmt. Ein Magazin, das man selbst liebgewinnt, weil es ein Herz hat. Ich wünsche ­chrismon zum silbernen Jubiläum weiterhin eine so kreative Redaktion und viele treue Leserinnen und Leser.

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