Filmtipp der Woche
Ein humorvoller Blick auf den Wahnsinn
Leonardo DiCaprio spielt in "One Battle After Another" einen abgehalfterten Widerständler und besorgten Vater - eine humorvolle und abgründige Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in den USA
Filmszene mit Leonardo di Caprio aus 'One Battle After Another'
Warner Bros. Pic.
25.09.2025
3Min

25 Jahre lang habe Regisseur Paul Thomas Anderson ("There Will Be Blood", "The Master") den Traum gehabt, einen Film in der Wüste zu drehen, in dessen Zentrum eine Verfolgungsjagd per Auto steht. Ähnlich lange trug er sich mit dem Gedanken, Thomas Pynchons Roman "Vineland" auf die Leinwand zu holen. Mit seinem zehnten Spielfilm "One Battle After Another" hat Anderson nun beide Pläne in gewisser Weise in die Tat umgesetzt – und nebenbei seinen vielleicht politischsten Film gedreht.

Mit politischem Kampf jedenfalls setzt "One Battle After Another" ein. Eine Gruppe militanter Widerständler*innen, genannt "The French 75", widmet sich dem Kampf gegen das reaktionäre Establishment. Gleich in der ersten Szene befreien sie hunderte Insassen einer Abschiebehaftanstalt, auch das Büro eines sich für ein Abtreibungsverbot einsetzenden Senators wird bombardiert; Banküberfälle halten die Aktionen am Laufen. Bob Ferguson (Leonardo DiCaprio) ist in dieser Truppe eine eher kleine Nummer, anders als seine weit radikalere Lebensgefährtin Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor). Doch von der ist nach der anfänglichen Aktion im ICE-Lager auch der perfide Militär-Macho Colonel Steven Lockjaw (Sean Penn) besessen. Als er sie unter Druck setzt, versucht Perfidia auf Kosten ihrer Mitstreiter*innen und nicht zuletzt der eigenen Familie samt neu geborenem Baby ihre Haut zu retten.

Rund 16 Jahre später leben Bob und Teenager-Tochter Willa (Chase Infiniti) mit neuer Identität in der kalifornischen Kleinstadt Baktan Cross. Zwischen zu viel Pott und Anflügen von Paranoia versucht er das Mädchen vor einer Vergangenheit zu schützen, über die sie kaum etwas weiß. Dann allerdings macht Lockjaw den einstigen Rivalen doch noch ausfindig. Mit einer ganzen Armee jagt er hinter Bob und Willa her. Unterstützung erhalten sie von Karate-Meister Sergio St. Carlos (Benicio del Toro) sowie alten "French 75"-Genoss*innen.

Eine Schlacht nach der anderen gilt es zu schlagen, im Widerstand genauso wie im Leben allgemein. Für Anderson bedeutet die sehr lose Pynchon-Adaption auch, dass er wie noch nie zuvor Actionsequenzen inszenieren muss. Mit welcher Lässigkeit und ganz eigenem Flair er das tut, ist nicht zuletzt im von ihm bevorzugten Breitbildformat (gedreht wurde unter anderem mit restaurierten VistaVision-Kameras) erstaunlich. Von der Einstiegssequenz über eine hinreichend komplizierte Fluchtaktion bis hin zu einer so noch nie gesehenen Autoverfolgungsjagd zum Schluss, die tatsächlich durch die Wüste führt, wirkt dies entschleunigt und rasant zugleich.

Überhaupt gelingt Anderson das Kunststück, eine gleichermaßen nervenaufreibende wie tiefenentspannte Atmosphäre zu kreieren, voller Anspannung und zugleich mit Unmengen Humor. "One Battle After Another" nimmt sich nie zu ernst und bietet – nicht zuletzt in den erschütterndsten Abgründen – viel zu lachen. Es kommen allerdings nie Zweifel daran auf, wie sehr der Regisseur in dieser Geschichte auch seinen Ängsten und Sorgen angesichts gegenwärtiger Entwicklungen in den USA Ausdruck verleiht.

Dass der Film zwischen seinen großen Ideen, der Zeitgemäßheit und den überzeichneten Bösewichtern nie aus dem Ruder läuft, sondern mit Lebendigkeit pulsiert, liegt auch daran, dass er im Kern von der Hingabe eines Vaters zu seiner Tochter erzählt. Die Beziehung zwischen DiCaprio – bekifft im Bademantel und in absoluter Topform – und die sehenswerte Newcomerin Infiniti (die jüngst schon in "Aus Mangel an Beweisen" überzeugte) ist das Herz von "One Battle After Another", und dass jede Schlacht mit Liebe geschlagen werden sollte, die zentrale Botschaft.

© Warner Bros. Pictures

USA 2025 Regie und Buch: Paul Thomas Anderson. Vorlage: Thomas Pynchon. Mit Leonardo DiCaprio, Chase Infiniti, Teyana Taylor, Sean Penn, Regina Hall, Benicio del Toro, Alana Haim. Länge: 170 Minuten FSK: 16. FBW: keine Angabe.

Infobox

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