Oktoberfest
Wie ist es, auf der Wiesn zu bedienen?
Auf dem Oktoberfest zu arbeiten, ist hart: Schlafentzug, viel laufen und schleppen, Erbrochenes wegwischen. Warum Bilanzbuchhalterin Resi sich das trotzdem zum 13. Mal antut
Festzelt mit vielen Menschen
Auf dem Oktoberfest wollen viele Gäste versorgt werden
Ulli Bonnekamp/Getty Images
20.09.2025
4Min

Wenn ich will, kann ich 16 Maßkrüge tragen. Da ist dann viel Adrenalin und Show dabei. Am Anfang hab ich’s total gern gehört, wenn Leute zu mir sagen: "So viel Bier und so ein schmales Mädchen, lass mal ein Foto machen!" Wenn ich gestresst bin, wenig Schlaf hatte oder es am Ende der Wiesn ist, denke ich heute oft: Ja, geh halt trotzdem auf die Seite. Ich trage hier fast 50 Kilo!

Mit 16 habe ich im Biergarten als Tellerabräumerin angefangen. Für mich war das damals schon mehr Spaß als arbeiten. Man ratscht mit Gästen, und ich hatte immer was in der Tasche. Eine Kollegin hat mich dann auf ein Volksfest gelockt, da verdient man noch schneller Geld.

Am Anfang bin ich da erst mal viel hin- und hergelaufen. Ein voller Maßkrug wiegt rund drei Kilo. Aber mit Hilfe von Kolleginnen hab ich den Dreh schnell rausgekriegt, wie man mehrere Krüge auf einmal trägt und es für mich und für den Gast passt. Denn wenn’s dem Gast nicht passt, dann passt’s am Abend auch in deinem Geldbeutel nicht.

Kein Muskelkater dank Triathlon

Irgendwann hatte ich den Traum, die Wiesn zu schaffen. Für mich lag auch deshalb ein Reiz darin, weil ich um die Ecke aufgewachsen bin. Seit zwölf Jahren mache ich nur noch Volksfeste. Seit ich Mama geworden bin, mache ich nur noch zwei pro Jahr. In meinem Zelt auf der Wiesn gibt es ein großes Miteinander. Klar gibt’s auch Kellner, die nur Geld verdienen wollen, aber das sieht man ihnen an. Geld allein sollte nicht der Treiber sein. Wenn man Menschenmassen oder Menschen generell nicht so mag, ist es der falsche Job. Für mich ist es wie nach Hause kommen, wenn ich das Zelt betrete. Es haben sich viele Freundschaften entwickelt. Da wird vom Brötchen bis zum Schmerzpflaster alles geteilt. Manche Leute sehe ich nur auf dem Oktoberfest. Das macht für mich die Wiesn aus.

Resi ist Bilanzbuchhalterin aus München. Für ihren Einsatz beim Oktoberfest nimmt sie sich jedes Jahr 2 Wochen frei

Am Wochenende machen die Zelte um 9 Uhr auf, Schankschluss ist um 22.30 Uhr. In den zehn Stunden, in denen ich pro Tag arbeite, laufe ich 30.000 bis 50.000 Schritte und trage standardmäßig sechs bis sieben Maßkrüge pro Hand. Früher taten mir am Abend die Füße weh und ich hatte Muskelkater vom Schleppen. Seit ich Triathlon mache, ist es besser. Meine Wettkämpfe plane ich um die Volksfeste herum. Die körperliche Kraft, das Laufen und Durchhalten – es ergänzt sich gut. Je nach Zelt kann man in 16 Tagen 5000 bis 15.000 Euro verdienen. Wir sagen immer, dass ein Teil des Geldes Schmerzensgeld ist. Es kann passieren, dass du dreimal am Tag Kotze wegmachst und dann noch in eine Schlägerei gerätst.

Es sind übrigens nicht nur Männer, die Streit suchen! Wenn eine Situation heikel wird, versuche ich oft, es mit Charme zu lösen. Ich frag, was das Problem ist und sage, dass man sich doch eben noch verstanden hat. Manchmal hilft es, Leute umzusetzen. Wenn es eskaliert, rufe ich immer die Security. Ich bin schon ein paar Mal in ein Gerangel reingeraten, habe viele Situationen aber auch ganz smooth gelöst.

Und dann gibt’s natürlich die, die sexistische Sprüche machen. Meistens gibt’s dann einen richtig dummen Spruch zurück und das Thema ist durch. Wer mir am Rock zieht, dem sage ich, dass es für ihn heute hier vorbei ist, wenn er das noch mal macht. Das sehen auch die anderen und es ist meist Ruhe. Nur einmal hat mir einer an die Brüste gefasst. Für den war es dann gleich vorbei.

Sicherheit treibt den Preis

In die Zelte kommen unterschiedliche Gruppen. Die Einheimischen, die schon immer da sind, und die Jüngeren, die feiern wollen. Manche Gruppen nerven, weil sie sich zu fünft ein Hendl teilen und über Stunden nur ein Bier trinken. Man bedient sie trotzdem. Italiener sind oft laut und besitzergreifend. Australier und Amerikaner fragen oft freundlich, wie es abläuft. Viele Leute schimpfen über die Preise und denken, der Wirt steckt sich alles ein. Aber die Sicherheitskonzepte sind heute viel aufwendiger: Zäune, mehr Security und keine Mülltonnen im öffentlichen Bereich wegen Terrorgefahr.

Jetzt liegt alles auf dem Boden und muss aufgeräumt werden. Diese Kosten spiegeln sich im Preis wider. Wenn es vorbei ist, habe ich für zwei Wochen Wiesn-Blues. Ich finde es schade, dass ich wieder meine Jeans anziehen und ins Büro muss. Klar, schlafe ich erst mal viel und bin froh, dass ich nicht ständig laute Musik um mich habe. Aber es fehlt mir auch, und vormittags denke ich oft: Jetzt wär eigentlich Weißwurschtfrühstück.

Dieser Text erschien zuerst im JS Magazin.

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