Zu viel Alkohol: Wie es ist, mit dem Trinken aufzuhören
Anne Mair
Alkoholkonsum
Und dann war Schluss mit Saufen
Elend, Übelkeit, Kopfschmerzen: Der Tag danach hielt unseren Autor lange nicht davon ab, es mit dem Alkohol zu übertreiben. Erst als er beinahe einen wichtigen Termin absagen musste, änderte sich das
Privat
28.05.2025
3Min

Jetzt reichts. Die Kopfschmerzen und mein flauer Magen erleichtern mir den Entschluss: Nie wieder will ich von zu viel Alkohol erbrechen. In der Nacht hing ich wieder einmal über der Kloschüssel. Die letzte Tasse Met war eine zu viel gewesen. Vielleicht auch schon das Guinness davor. So genau weiß ich das nicht mehr.

An diesem Morgen zwinge ich mich trotzdem aus dem Bett. Liegenbleiben ist keine Option. Drei Stunden habe ich noch, um mich zu erholen. Dann geht das Kinderprogramm der Kirchengemeinde los: Bauernhof, ­Traktor fahren, Ziegen streicheln und Stockbrot ­machen. Und zu meinem Unglück habe ich das Ganze geplant. Sonst hätte ich längst abgesagt.

So aber setze ich mich an den Esstisch und trinke erst einmal zwei Liter Wasser. Nach zwei Bissen Nutellabrot ist Schluss. Mehr geht nicht. Zu den Kopfschmerzen gesellen sich Schwindel und Schüttelfrost. Ich sitze apathisch auf dem Küchenstuhl. Und sitze und sitze und hoffe, dass es besser wird.
Der Alkohol und ich, das ist keine lang­jährige Beziehung, es sind eher seltene, aber definitiv zu intensive One-Night-Stands. Ich bin zwar auf dem Land aufgewachsen, aber entgegen dem Klischee habe ich nicht schon mit 14 angefangen zu trinken und mich mit 17 nicht jedes Wochenende abgeschossen. Wenn ich mal auf Partys war, dann trank ich nie mehr als zwei Bier und vielleicht eine Rum-Cola.

Als Jugendlicher war ich kein Rebell. Und da meine Eltern von Alkohol nichts hielten, hielt ich mich davon fern. Das änderte sich mit dem Studium. Weg von zu Hause schien ich einiges nachholen zu müssen. Die große WG-Party im Wohnheim war eben nur einmal im Jahr. Und mit einer Flasche Bier in der Hand und zwei oder drei oder auch vier Shots Berliner Luft in der Blutbahn unterhielt es sich besser.

Noch eine Stunde, bis ich losmuss zum Bauernhof. Der Schüttelfrost kommt und geht in Wellen. Der Teller ist inzwischen leer. An diesem Vormittag geht es mir zu schlecht, um auch nur im Entferntesten meinen Alkoholkonsum zu überdenken. Aber im Nachhinein frage ich mich: Warum musste ich es so übertreiben? Der Abend in der Kneipe wäre mit drei Bier weniger deutlich schöner gewesen.

Warum nur konnte ich bei der letzten Runde nicht Nein sagen?

Während meine Freunde weiterzogen, ging bei mir nichts mehr. Das wurde mir in dem Moment klar, als ich mich vom Tisch ­erhob und kaum noch stehen konnte. Gestützt auf mein Fahrrad kämpfte ich mich Schritt für Schritt nach Hause. Mein Gleichgewichtssinn hatte sich nach der Tasse Met in den Feier­abend verabschiedet. Warum nur konnte ich bei der letzten Runde nicht Nein sagen?

Lesetipp: Die Lebensgefährtin des Onkels ist Alkoholikerin und vergiftet die festliche Stimmung. Wie geht man damit um?

Meistens wachte ich nach den ­WG-Partys nur mit einem Kater auf. Von Filmriss und Krankenhaus blieb ich zum Glück verschont, aber teilweise nur knapp. So zum Beispiel auf einem Junggesellenabschied. Die ­anderen ­hatten kaum etwas getrunken. Und so ­nahmen ein Freund und ich uns im Zug der Reste an: eine Flasche Sekt hier, ein Bier da, und dann noch die Pfeffi-Flasche. Das letzte Stück zu unserem Zeltplatz fuhren wir mit dem VW-Bus über einen Waldweg. Und da nicht alle reinpassten, stand ich in der offenen Schiebetür und hielt mich oben am Dach fest. Als wir ankamen, stieg ich ab – und kippte einfach um. Gerade noch mal gut gegangen.

Jetzt schleppe ich mich die Treppen ­runter und Richtung Gemeindehaus. Die frische Luft tut gut. Hoffentlich bin ich nicht zu bleich im Gesicht. Das Kinderprogramm beginnt, und mir geht es zum Glück mit jeder Stunde besser. Doch mein Entschluss bleibt bestehen: Nicht dass ich ganz auf Alkohol verzichten will, aber Erbrechen muss in meinem Alter nun wirklich nicht mehr sein. Nie wieder.

Das ist nun fast drei Jahre her. Und ich habe die Entscheidung bisher keinen einzigen Tag bereut. Bei Hauspartys und Kneipenabenden muss ich mich zwar manchmal zusammenreißen, um nicht zu viel zu trinken. Aber mit einem langsameren Trinktempo und der ein oder anderen Cola zwischendurch klappt das ganz gut. Gut drauf bin ich auch mit etwas weniger Alkohol im Blut. Und das Beste ist sowieso der Morgen danach: keine Übelkeit, keine Kopfschmerzen, kein Elend. Wenn ich mal etwas mehr getrunken habe, merke ich das durchaus am nächsten Morgen. Aber ver­glichen mit früher ist das nichts.

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.