Jürgen Saß in seiner Küche
Jürgen Saß muss sich nicht mehr sklavisch an die Rezepte halten
Daniel Schumann
Kochkurs für Männer
Er kocht jetzt lässiger
Als Kind war Jürgen Saß' Leibspeise Kartoffelbrei mit Wurststückchen, heute liebt er seinen mediterranen "Mittwochstopf". Der Männerkochkurs beschwingt ihn. Mit dem Essen kommen auch gute Gespräche
Privat
18.04.2024
3Min

Jürgen Saß, Jahrgang 1952:

Als es 1978 bei mir richtig schieflief, wurde mir glasklar bewusst, dass ich nicht ­einmal ausreichend zu essen hatte. Ich war 25 und plötzlich von Frau und kleinem Sohn verlassen. Ich war sehr allein. Mein Job in der Versicherungsbranche war wacklig, ich hatte Schulden, es gab kaum mehr Möbel in unserer Düsseldorfer Wohnung. Leeres Konto, leerer Magen. Ich kaufte den minderwertigsten Schinkenspeck, Margarine und günstigstes Brot im Discounter. Meine ­Billigstverpflegung habe ich trotzdem wertgeschätzt, denn selbst das einfachste Leinsamenbrot schmeckt Scheibe für Scheibe aus dem Toaster ganz großartig.

Aufgrund dieser einseitigen Ernährung ohne Vitamine bekam ich eine massive Darmerkrankung, psychisch ­ saß ich ja eh im Loch. Immerhin hatte ich es nach einem Jahr eisernen Sparens geschafft, einen Großteil der ­Schulden abzubauen. Als dann auch mein Job als ­Versicherungskaufmann sicher war, erfüllte ich mir ­meinen Traum von einem Motorrad, auch wenn ich immer noch wenig verdiente.

Ein Freund überredete mich zu einem Frankreich-­Urlaub per Motorrad. Er war kurz vor dem Abschluss zum Maître de Cuisine, zum Küchenchef, deshalb habe ich auf den Campingplätzen genau geschaut, was er so alles in einem einzigen Blechtopf zauberte. Da wurden dann Gerichte nicht nur mit Fleisch, sondern gleichzeitig auch mit ­Gemüse geschmort, zum Beispiel mit Paprika. Irgendwann bekamen wir in einem Fernfahrerlokal, das eigentlich schon geschlossen hatte, nur noch ein paar aufgeschnittene Tomaten mit Kräutern, Öl und Essig. Wie öde, dachte ich, und dann wurde es zu einem gigantischen Geschmackserlebnis.

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Durch diesen Urlaub war Essen für mich Freude geworden. Ich traute mich zunehmend an neue Gerichte. Bei der ersten Einladung zu mir servierte ich meiner späteren Frau zum Beispiel einen Spieß mit Filet, Paprika, Zwiebeln und feinen Gewürzen. Das hat sie für mich eingenommen.

Aber ich kann immer noch dazulernen, und als ­Rentner habe ich Zeit. Deshalb gehe ich seit vergangenem Jahr ­regelmäßig in den Männerkochkurs der Evangelischen ­Oster-Kirchengemeinde Düsseldorf-Düsseltal. Da lernen wir auch Basics, die jeder nachkochen kann, zum Beispiel eine Kartoffelsuppe mit vielen verschiedenen ­Gemüsesorten. So kannte ich die noch gar nicht.

Ich halte mich nun nicht mehr sklavisch an Rezepte, sondern dosiere Gewürze und Kräuter mehr aus der Hand, tausche auch Zutaten aus. Suppen und Soßen zum ­Beispiel lassen sich variieren, mit Kohlrabi statt Sellerie, mit Schnittlauch statt Petersilie. Ich koche jetzt lässiger und zugleich professioneller.

Wir sind bis zu sechs Männer gut über 60. Wir ­schauen, was die Jahreszeit bietet, erfahren viel über energiesparende Zubereitung – wenn alles klein geschnitten wird, gart es ja viel schneller. Wir lernen auch, welche Kräuter ein Gericht unterstreichen. Als Kind war meine Leibspeise Kartoffelbrei mit Wurststückchen, heute liebe ich so was wie meinen "Mittwochstopf" mit angebratenen Zwiebeln, Hackfleisch, Tomaten, Erdäpfeln, mediterranen Kräutern.

Wir kochen eine Stunde, dann essen wir eine Stunde und reden. Da sind wir sehr lustig, aber wir erzählen vorsichtig auch ganz private Dinge und Gedanken. Wenn zum Beispiel der Chirurg aus der Urologie dabei ist, kommt einiges ans Licht, was nicht immer im Detail auch zu Hause ausgesprochen wird. Das geht ans Eingemachte, wenn ich das so ausdrücken darf. Beim Kneipenstammtisch kannst du nie so privat reden, da sind wir ja nicht ungestört. Das ist auch ein Unterschied zu den gängigen Kochkursen für Männer. Die sprechen mich eh nicht an, weil es da oft dieses Wetteifern gibt, wer der Tollste oder Raffinierteste ist.

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Gemeinsam zu essen, das hat manchmal fast etwas ­Magisches. Wenn während des Essens eine gewisse Grundzufriedenheit eingetreten ist, dann entspannen sich die Menschen und geben auch schon mal tiefere ­Gedanken frei. Das spürt man auch in unserem Kochkurs ganz ­deutlich. Da scheint jemand erst völlig in sich ­gekehrt, dann öffnet er sich, und die guten Gespräche beginnen. Wenn ich nach dem Kochkurs mit dem Fahrrad heimfahre, bin ich immer sehr beschwingt und fröhlich.

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Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit in diesem Bericht auch über das Konsumieren von Fleisch gesprochen
wird, und das in einem evangelischen Magazin.
Mittlerweile weiß doch jeder Mensch, der die Medien nutzt (also die meisten) über die Grausamkeiten, die Tieren angetan werden, bevor ihr Fleisch auf dem Teller liegt, Bescheid!
Das ist nicht im Sinne Gottes, der Liebe, Frieden und Leben ist, und das gilt für alle seine Geschöpfe!
Wir müssen zurück zum Schöpfungsfrieden, wie er ursprünglich von Gott vorgesehen war!
Wir müssen raus aus der Tiertötungsindustrie!

Christiane Lamprecht