Was ist das Gute an Künstlicher Intelligenz?
Was kann uns die Künstliche Intelligenz sagen? Symbolfoto
J Studios/Getty Images
Religionsfreiheit
Was ist das Gute an Künstlicher Intelligenz?
Ich habe einen neuen Mitarbeiter, der rund um die Uhr verfügbar ist, keine Pause braucht und blitzschnell Ergebnisse bringt. Ziemlich super, oder?
Peter Grewer
14.04.2025
4Min

Bis vor Kurzem war ich eher skeptisch, was den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in meiner beruflichen Arbeit betrifft. Als Wissenschaftler erschien es mir fragwürdig, grundlegende Aufgaben wie die Recherche zur aktuellen Forschung oder die Vorbereitung meiner Lehrveranstaltungen mit Hilfe einer Maschine zu erledigen. Schließlich trage ich die Verantwortung für die Inhalte – und diese Verantwortung wollte ich nicht abgeben.

Doch dann überwog die Neugier. Ich wagte den Versuch – und war überrascht. Innerhalb kürzester Zeit erkannte ich, dass ich keinen seelenlosen Ersatz, sondern vielmehr einen neuen, zuverlässigen Mitarbeiter gewonnen hatte: einen, der rund um die Uhr verfügbar ist, keine Pausen braucht und Aufgaben in Sekundenschnelle erledigt. Natürlich stellt sich nun die Frage: Muss ich mir Sorgen machen um die Zukunft meiner realen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Künstliche Intelligenz ist heute in aller Munde. Viele fürchten sie, manche überschätzen sie, andere unterschätzen sie. Klar ist: Sie verändert rasant unsere Welt. KI kann Dinge, die vor wenigen Jahren unmöglich schienen. Sie schreibt Gedichte, erkennt Krankheiten – manchmal sogar früher als erfahrene Ärztinnen und Ärzte –, übersetzt blitzschnell komplexe Texte und beantwortet Fragen, oft noch bevor wir sie ganz zu Ende gedacht haben.

Diese Fähigkeiten beeindrucken – und verunsichern zugleich. Denn wenn Maschinen plötzlich schneller und günstiger arbeiten als wir Menschen: Was bleibt dann noch für uns übrig? Ist das der Anfang vom Ende menschlicher Arbeit, Kreativität und Bedeutung? Viele fürchten, dass KI ihnen die Arbeitsplätze wegnimmt oder unsere Gesellschaft zunehmend entmenschlicht.

Doch bei aller berechtigten Skepsis: Steckt in dieser Technologie nicht auch eine große Chance? Vielleicht sogar die Möglichkeit, unser Leben humaner zu gestalten? KI kann uns entlasten. Sie übernimmt monotone, mühsame oder wiederkehrende Aufgaben – also genau die Tätigkeiten, die uns oft erschöpfen. Dadurch entsteht Freiraum: zum Nachdenken, zur Begegnung mit anderen Menschen, für kreative Prozesse und für das, was uns als Menschen wirklich ausmacht. Vielleicht sollten wir die Frage nicht nur stellen: Was kann KI besser als der Mensch? Sondern auch: Was bleibt dem Menschen vorbehalten – und was macht ihn einzigartig?

KI ist schnell, logisch und leistungsfähig. Aber sie hat keine Emotionen. Sie spürt nichts, liebt nicht, leidet nicht. Sie übernimmt keine Verantwortung, tröstet nicht, hat kein Gewissen. Und genau darin liegt ihre Begrenzung – aber auch ihre Stärke für uns. Denn je mehr KI das rein Funktionale übernimmt, desto mehr können wir uns auf das zwischenmenschlich Wertvolle konzentrieren: auf Empathie, aufs Zuhören, das gemeinsame Lachen und Weinen, auf Familie, Freundschaft, soziale Bindung und echtes Miteinander.

KI zwingt uns auch, unser Verständnis von Arbeit und Erfolg neu zu überdenken. Vielleicht ist die eigentliche Gefahr nicht, dass KI den Menschen ersetzt – sondern dass wir Menschen uns selbst nur noch über Leistung definieren. Doch genau dieses Menschenbild stellt KI nun infrage. Wenn Maschinen effizienter sind als wir, muss unser Wert woanders liegen.

Vielleicht, und das ist eine hoffnungsvolle Perspektive, können wir als Gesellschaft gerade durch KI wieder stärker entdecken, dass unser Wert nicht in unserer Nützlichkeit liegt, sondern in unserer Menschlichkeit.

Auch im Bereich der Religion zeigt sich das deutlich. KI kann heute schon den Zugang zu Heiligen Schriften wie der Bibel oder dem Koran erleichtern. Sie kann verständlich erklären, übersetzen und historische Zusammenhänge aufzeigen. Sie kann uns vieles über Religionen dieser Welt erzählen. Das ist besonders hilfreich für Menschen, die sich neu mit religiösen Inhalten beschäftigen.

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Aber: Glaube lebt nicht allein von Information. Glaube ist Beziehung – zu Gott, zu anderen, zu sich selbst. Das kann keine Maschine leisten. Doch indem KI uns Zeit schenkt, können wir uns diesen Beziehungen vielleicht wieder mit mehr Tiefe widmen.

So kann KI – richtig eingesetzt – dazu beitragen, dass wir nicht weniger, sondern mehr Mensch werden. Nicht weniger spirituell, sondern offener für das, was uns im Innersten berührt. Die Zukunft mit KI muss kein Schreckensszenario sein. Sie kann uns vielmehr die Chance geben, uns selbst als Menschen neu zu entdecken, nicht als Maschinen, die ständig leisten müssen, sondern als Wesen mit Herz, Gefühl und Tiefe.

Vielleicht ist das ihre größte Stärke: dass sie uns daran erinnert, was es heißt, wirklich Mensch zu sein. Ich bin mir sicher, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch meine Studierenden, nach und nach spüren werden, dass ich mehr Zeit für sie habe: mehr Kapazitäten, um gemeinsam nicht nur über Kreativität und Innovation in der Forschung zu sprechen, sondern vor allem über das, was uns als Menschen ausmacht und worin unsere eigentliche Stärke liegt.

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Kolumne

Mouhanad Khorchide

Für den islamischen Theologen Mouhanad Khorchide ist die Freiheit des Glaubens sehr wichtig. Er tritt ein für einen Glauben, der die Menschen frei macht und die Liebe Gottes vermittelt. Für chrismon blickt er auf Gott und die Welt, mal religiös, mal politisch, immer pointiert.