Solarpanel auf einem Dach eines Fachwerkhauses in Düsseldorf
Es soll einfacher werden, auch denkmalgeschützte Häuser mit Solarpaneelen auszustatten
Robert Poorten / IMAGO
Energiewende
"Wir alle können von solchen Experimenten lernen"
Deutschland ist ein Bürokratiemonster, sagt Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. Er fordert Ausnahmeregelungen vom Denkmalschutz, damit man auch alte Häuser einfacher mit Solarmodulen ausstatten kann
Tim Wegner
23.01.2025
3Min

Herr Schneidewind, gehen Denkmal- und Klimaschutz Hand in Hand?

Uwe Schneidewind: Theoretisch ja. Praktisch haben wir gerade im Denkmalschutz viel zu viele Vorschriften. Diese Übernormierung macht uns handlungsunfähig.

Sie haben deshalb "Reallabore" vorgeschlagen. Was meinen Sie damit?

Ich möchte erreichen, dass in deutschen Städten in bestimmten Einzelfällen und für bestimmte denkmalgeschützte Gebäude im Privatbesitz der Denkmalschutz für fünf Jahre für den Umbau mit Solaranlagen ausgesetzt wird.

Das wird vermutlich schön scheußlich aussehen …

Wie kommen Sie darauf? Die Menschen, die ich in Wuppertal kenne und die so ein Haus haben, setzen sich schon immer für den Denkmalschutz ein. Sie haben auch die finanziellen Mittel dafür, sonst hätten sie dieses Gebäude nie gekauft. Aber Ihre Antwort zeigt mir noch mal mehr: Es fehlt an Vertrauen.

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Wo soll es diese Reallabore geben?

In ausgewählten Städten und Kommunen, denn der notwendige klimagerechte Umbau ist ein gewaltiges Investitionsprojekt. Wir haben das für Wuppertal mal hochgerechnet und kommen auf gut eine Milliarde Euro, die benötigt werden. Wir brauchen die privaten Investoren, damit das läuft.

Uwe SchneidewindPrivat

Uwe Schneidewind

Uwe Schneidewind (Jahrgang 1966) ist Wirtschaftswissenschaftler und amtierender Oberbürgermeister von Wuppertal. Zehn Jahre lang war er Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie und hat schon auf dieser Position mehr Experimentierfreude in Deutschland eingefordert. Uwe Schneidewind war Vorsitzender der Kammer für nachhaltige Entwicklung der Evangelischen Kirche in Deutschland und er ist Mitglied im Club of Rome. Im Dezember 2024 kündigte er an, bei der Kommunalwahl im Herbst 2025 nicht mehr anzutreten.

Warum nur Solardächer?

In allen Städten spielt gerade der Solarausbau auf den Dächern eine zentrale Rolle; Windkraft ist begrenzt. Und wer sich eine Solaranlage aufs Dach baut, hat einen direkten Vorteil: weniger Heizkosten, das Auto aufladen …

In Hamburg bauen wir ein Parkhaus zu einem Wohn- und Gewerbeort um. Ich habe Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher gefragt, warum es für eine gemeinwohlorientierte Genossenschaft wie unsere keine Ausnahmegenehmigungen bei den Bauvorschriften geben darf. Er antwortete in etwa so: Dann wollen das alle und jeder baut, wie er will.

Genau das meine ich. Einerseits das komplett geschwundene Vertrauen in die eigenen Bürgerinnen und Bürger; andererseits eine "Vollkasko"-Mentalität von Staat und Verwaltung, die jedes noch so geringe Risiko absichern wollen. Unser Staat will alles kontrollieren und ist damit gnadenlos überfordert.

Ein bisschen kommen Sie diesem Misstrauen entgegen, denn nach einer Experimentierzeit von fünf Jahren soll das Denkmalschutzamt den Abbau fordern können …

Es gibt Fachleute, die haben vielleicht auch berechtigte Sorgen. Wir möchten ihnen entgegenkommen. Meine optimistische Hypothese ist, dass wir nach den fünf Jahren sehen: Das sieht nicht nur ganz gut aus, sondern hier haben auch schlaue Leute neue Technologien ausprobiert, und das können wir auf andere Gebäude übertragen. Ich glaube, wir alle können von solchen Experimenten lernen.

Momentan gibt es das alles noch nicht in der Praxis?

Noch nicht, aber ich bin Mitglied in einem Staatsreform-Think Tank, dem Project Together. Dort arbeiten wir eng mit allen großen Parteien zusammen und alle haben sich ähnliche Vorschläge in ihre Parteiprogramme geschrieben. Alle haben realisiert, dass wir in unserer Bürokratie ersticken und klassische Reformen einfach viel zu lange brauchen.

Was würde durch ein Reallabor schneller gehen?

Wir könnten dort zum Beispiel den "Erlaubnisvorbehalt" umkehren …

Das müssen Sie bitte erklären.

Beim Erlaubnisvorbehalt muss ich fragen: "Darf ich das so und so machen?" Beim "Verbotsvorbehalt" kann ich das ohne Fragen machen, aber der Staat kann es verbieten.

Das spricht aber sehr gegen die bei uns vorherrschende Sicherheitsmentalität …

Ich erlebe eher, dass die Bereitschaft für Experimentierräume wächst. Alle, mit denen ich spreche, wissen, dass wir schon jetzt ein Bürokratiemonster sind. Seit Jahren verschleppen wir Reformen, weil wir uns selbst im Weg stehen. Wenn wir so weitermachen, dann sind wir in 30 Jahren das Museums-Land, wo man hinfährt, weil es noch Automaten gibt, aus denen Papierfahrscheine herauskommen ...

Wuppertal nennt sich gern auch das "Berlin des Rheinlandes", weil hier so viel experimentiert wird. Sind Sie stolz auf Ihre Stadt?

Unbedingt. Es ist großartig, was sich in den letzten Jahren in Wuppertal verändert hat.

Ihr liebstes Beispiel?

Es gab hier eine in den 1970er Jahren stillgelegte Bahntrasse. Die läuft auf den Nordhöhen der Stadt, 20 Kilometer über Viadukte mit Tunneln. Die wurde durch eine Bürgerbewegung wiederbelebt. Heute können wir dort entlang radeln; es gibt den Bob-Campus der Montag-Stiftung und Studierende haben 2021/22 im Rahmen des Solar-Decathlon-Wettbewerbes dort energieeffiziente Gebäude errichtet, in denen sie heute experimentell wohnen und arbeiten. Es gab Express-Genehmigungspläne, und was sonst fünf Jahre gedauert hätte, stand da innerhalb von drei Monaten. Ich lade alle Skeptiker unserer Reallabor-Idee ein, sich das mal anzusehen. Besser geht es nicht.

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Kolumne

Dorothea Heintze

Wohnen wollen wir alle. Bitte bezahlbar. Mit Familie, allein oder in größerer Gemeinschaft. Doch wo gibt es gute Beispiele, herausragende Architekturen, eine zukunftsorientierte Planung? Was muss sich baupolitisch ändern? Wohnlage-Autorin Dorothea Heintze lebt in einer Baugemeinschaft in Hamburg und weiß: Das eigene Wohnglück zu finden, ist gar nicht so einfach. Alle zwei Wochen.