Mahlzeit Topflappen
sbk
Aua, heiß!
Küchen-Geschenke haben manchmal eine therapeutischer Funktion. Topflappen beispielsweise können alte Kränkungen in ein anderes Licht rücken
01.11.2023

Es gibt Geschenke, die sind bei mir hoch willkommen. Sie besitzen nämlich therapeutische Funktion. Fast alle dieser Geschenke haben mit dem Handarbeitsunterricht zu tun. Den habe ich, anders als andere Fächer, zutiefst verabscheut. Warum? Weil die wenig begnadeten Pädagoginnen, die ihn erteilten, mich jahrelang als ihr Lieblingsopfer auserkoren hatten.  

Sie trennten vor den interessierten Augen meiner Mitschülerinnen demonstrativ auf, was ich tapfer gestrickt, gestickt, gehäkelt oder genäht hatte. Nichts war ihnen gut genug. Sie unterstellten sogar, dass ich das Design für bestimmte Werkstücke von meiner Freundin geklaut hätte - dabei hatte die sich das von mir erbeten, weil ihr meine Ideen gut gefielen.  

Zu den heilsamen Gaben gehören Socken, die ich in anhaltendem Protest nicht selbst anfertige. Aber ich liebe bunte, bequeme, selbstgestrickte Strümpfe! Es ist schön, dass die, die handarbeiten können, mich mit solchen Produkten eindecken oder ich sie ihnen auf diversen Basaren abkaufen darf. Großartig finde ich auch Topflappen, die ich im Leben nicht selber machen würde. 

Ohne Topflappen ist die Köchin, der Koch verloren. Heiße Töpfe und Pfannen auf dem Herd, Auflauf- und Backformen im Ofen - alles muss behutsam angefasst werden, will man keine Verletzungen davontragen. Ich vergesse gelegentlich, rechtzeitig nach dem Schutz für die Hände zu greifen, und habe dann tagelang mit Brandblasen zu tun. Das bremst gehörig aus.  

Also her mit den geschenkten Topflappen! Jedes einzelne Paar erinnert mich an die Menschen, die sie geschickt gemacht oder liebevoll für mich ausgesucht haben. Da ist die Mischung aus einer großen Bärentatze und der Ansammlung von fröhlichen Bären im Blätter- und Beerenfeld. Hat etwas mit festem Zupacken und spielerischem Vergnügen beim Kochen zu tun.  

Eine optische Bereicherung sind die Topflappen, die very british anmuten - rot und grün bedruckt mit Weihnachtssternen, Mistelzweigen, Hagebutten, Blumen und Blättern. Die Schenkende weiß genau, wie anglophil ich bin und was für ein Weihnachtsfreak. Sie hat die Lappen auf einer kirchlichen Wohltätigkeitsveranstaltung gekauft. Selbst genäht natürlich.  

Aus dem Museumsshop Weimar besitze ich feuerrote Back- und Ofenhandschuhe - für Schwergewichtiges und alles, was einem Kampf mit der Materie gleichkommt. Sie sind einem studentischen Projekt der Bauhaus-Universität entsprungen: Goethes Meisterwerk inspirierte zu „Faust I“ und „Faust II“. Die Hände bleiben auch bei diabolischer Hitze geschützt … 

Zuletzt rosa-weiß-grau gehäkelte, klassische Topflappen, wie wir sie damals in der Schule abliefern mussten. Die Meisterin der Nadel, die sie gearbeitet hat, hätte vermutlich einen Einser bekommen. Sie sehen: Den Gefährdungen in der Küche kann ich souverän entgegentreten - durch die grandiosen Handarbeiten derer, die sich mit mir freundlich solidarisieren. Danke.  

Von der Kolumne zum Buch:
Sie wollen mehr lesen? Dann gibt es jetzt das Buch dazu von Susanne Breit-Keßler

"Prost Mahlzeit!".  Für gute Laune beim Kochen, mit vielen Rezepten, Kolumnen und Illustrationen. edition chrismon, 144 Seiten

Die Kommentarfunktion ist nur noch für registrierte Nutzer verfügbar. Um einen Leserkommentar schreiben zu können, schließen Sie bitte ein Abo ab, schreiben Sie uns eine Mail an leserpost@chrismon.de oder diskutieren Sie auf Instagram, Facebook und LinkedIn mit.

Kolumne

Susanne Breit-Keßler

Essen und Trinken hält Leib und ­Seele zusammen. Und darüber Neues zu lesen, macht den Geist fit. Viele Folgen lang hat Susanne Breit-Keßler Ihnen Woche für Woche ihre Gedanken dazu aufgeschrieben und guten Appetit gewünscht. Im Sommer 2024 endete die Kolumne. Die Texte sind weiter im Archiv abrufbar.