28.08.2017

Liebe Leserinnen und Leser!

Gut, dass es Marietta, 23, nicht gelungen ist, sich umzubringen. Sie hat es oft genug versucht. Die Psychiatrie, wo sie praktisch ihre ganze Jugend verbrachte, konnte ihr nicht helfen. Am Ende rief die Klinik in ihrer Ratlosigkeit eine Wiedereingliederungshelferin für schwierige Fälle zu Hilfe. Und die sah in der Randaliererin und Selbstzerstörerin Marietta auch die starke junge Frau. Jetzt holt Marietta, die Hauptperson unserer Titelgeschichte, ihr Abi nach, sie will Ärztin werden, Neurologin. Vermutlich wird Marietta als Ärztin vorsichtig sein mit vorschnellen Diagnosen. Ihr selbst hätte man gern eine Borderlinestörung unterstellt. Erst die jüngste Diagnose – Asperger – fand sie passend.

Ja, das deutsche Medizinsystem ist gut – im internationalen Vergleich. Trotzdem finden viele Menschen keine Hilfe, zum Beispiel keine/n Psychotherapeuten/in. Der Suchmarathon ist besonders schwer für Menschen, die an einer Depression erkrankt sind. Die Therapiesuche und der Krankenkassen-Genehmigungshürdenlauf verlangen ihnen genau das ab, was ihnen krankheitsbedingt völlig fehlt: Antrieb. Die Bloggerin Robin Urban, die sonst über Popkultur oder Filme schreibt, erzählt von dieser skandalösen Unterversorgung anhand ihrer eigenen Depression. Großartig, wenn Internetnutzer/innen Tipps für andere haben, zum Beispiel, wie man vergleichsweise schnell einen Therapieplatz finden kann – wir geben die Tipps hier mit Dank weiter: Die kassenärztliche Vereinigung weiß oft von Therapeuten/innen, die nicht im Internet/Telefonbuch stehen, zum Beispiel solchen, die gerade neu begonnen haben. Auch Ausbildungsambulanzen haben fast immer freie Plätze – dafür dies in die Suchmaschine eingeben: Ausbildungsinstitut Psychotherapie (und eigene Region oder Stadt). Auch wenn Sie gerade oder schon immer seelisch stabil sind, vermutlich kennen auch Sie Menschen in Ihrem Umfeld, die psychisch erkrankt sind und Hilfe brauchen. Vielleicht sind unsere Tipps bei psychischen Krisen da hilfreich.

Bleiben Sie gesund! Und weil auch gelegentliche Langeweile seelisch gesund hält, erdreiste ich mich, Ihnen zu wünschen, dass Sie demnächst mal Zeit haben für Langeweile. Eine Stunde reicht schon.

Es grüßt Sie
Christine Holch/Redakteurin