14.11.2022

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

was machen Sie am kommenden Sonntag? Sehen Sie sich die Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft in Katar an? Ich werde darauf verzichten.

Zugegeben: Schwer fällt mir dieser Schritt nicht, Turniere waren mir meistens ziemlich egal. Mir reichen die Bundesligen, die ich Woche für Woche leidenschaftlich verfolge. Aber es gibt viele Menschen, denen es genau umgekehrt geht. Der Fußballalltag ist ihnen eher fern, internationale Turniere sind ihnen dafür lieb und teuer. Und die stehen vor einer Gewissensprobe – gucken oder boykottieren? Zu dieser Frage haben unsere Autorin Susanne Breit-Keßler und ich ein Pro und Contra geschrieben.

Mein Kollege Sebastian Drescher hat den Sportbeauftragten der EKD, Thorsten Latzel, interviewt. Latzel rät dazu, die WM zu verfolgen – aber kritisch. Nicht nur die Spiele sind ihm wichtig, sondern auch die vielen Medienbeiträge zu den Themen Menschenrechte und Korruption.

Derzeit wird so intensiv über Katar berichtet, dass man sich fragt: Warum nicht früher? Die WM ist ja nicht erst gestern vergeben worden. Aber damit tut man den vielen Menschen und Nichtregierungsorganisationen unrecht, die seit Jahren über das Thema berichten. Einer von ihnen ist Michael Ott, Jurist und Bayern-Fan. Er möchte erreichen, dass "seine" Bayern ihre Sponsoringverträge mit dem Emirat aufgeben. Mehrfach hat er dafür auf Jahreshauptversammlungen des FC Bayern geworben. Wird er die WM verfolgen? "Tendenziell nicht", so sagte er mir im Interview.

Was ein Turnier für die Nationalspieler bedeutet, vermittelt Torsten Körner in seinem Film "Schwarze Adler". Das eigene Land vertreten, wie stolz man darauf sein kann! Aber Körner geht es um die Spieler, die zwar für Deutschland spiel(t)en, aber doch lange nicht wirklich dazu gehörten – um Spieler mit Schwarzer Haut. Für seine Dokumentation hat Körner den Robert Geisendörfer Preis gewonnen, ich habe ihn interviewt und kann seinen Film, den Sie hier in der ZDF-Mediathek finden, wirklich nur empfehlen, auch – ja, weil! Körner bedrückend darlegt, wie tief Rassismus in unserem Land verwurzelt ist.

Fußball kann eine Kraft entfalten, Talente freisetzen, Zusammenhalt stiften. Das hat mir auch noch mal die Geschichte von Mariama Dukanda klargemacht, einer jungen Frau aus Gambia. Sie möchte Trainerin werden. Der Bedarf ist groß. Denn in Gambia ist Fußball Volkssport Nummer 1 – für Männer und Frauen.

Da ist er wieder, der Zauber des Fußballs, wenn auch nicht in Katar. Ich habe mir vorgenommen, während der WM ein Bundesligaspiel der Frauen anzusehen, hier in Frankfurt am Main bei der Eintracht. Und andere Sportarten, die oft im Schatten des Profifußballs stehen, haben auch ein größeres Publikum verdient.

Eine sportliche Zeit wünscht Ihnen

Nils Husmann