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Es braucht mehr Frauen in der Architektur, der Stadtentwicklung, dem Planungswesen, in der Baubranche.
Darüber habe ich hier schön öfter geschrieben, oder in Interviews, wie mit Doris Dörrie, darüber gesprochen. Immer wieder denke ich dabei gern an Wien, wo die Stadtplanung jahrzehntelang in Frauenhand lag. Das hat etwas gemacht mit der Stadt, die heute weltweit als Vorbild für bezahlbaren Wohnraum gilt.
Aber auch in Deutschland tut sich was und das ist auch dringend nötig. Denn auch wenn immer mehr Frauen Architektur oder Stadtplanung studieren, mittlerweile über 60 Prozent, sind sie immer noch in der Unterzahl, wenn es zum Beispiel darum geht, ein eigenes Architektur-Büro zu leiten. Nur jedes vierte Büro ist in Deutschland in Frauenhand; Chefinnen sind hier, wie in so vielen anderen Branchen auch, immer noch eine Ausnahme.
Doch es ändert sich was. Wie vielfältig, einflussreich und wirkmächtig Frauen mittlerweile in Stadtplanung und Architektur unterwegs sind, zeigt das große, bundesweite Festival "Women in Architecture", das in diesen Tagen startet und bis Ende Juni gut 265 Veranstaltungen in ganz Deutschland organisiert. Einige Ausstellungen laufen länger, ein Blick ins Programm lohnt.
Ich sprach aus diesem Anlass mit der Architektin und Buchautorin Karin Hartmann – die ich schon lange kennenlernen wollte, denn den Titel ihres Buches fand ich klasse: "Schwarzer Rolli, Hornbrille" heißt es und sogleich erschienen vor meinem inneren Auge, all die schicken, aber oft auch sehr schnöselig auftretenden Architekten, also Männer, die ich kennengelernt hatte – eben oft mit schwarzem Rollkragenpullover und Hornbrille.
Karin Hartmann sitzt im Beirat vom Festival und kennt diese Stereotype. Denn immer noch dominiere in der Branche das Narrativ des Baumeisters und Künstlerarchitekten.
Dabei, so Hartmann, sei die Zeit der Stararchitekten eigentlich etwas vorbei: "Ein Buch, kann man alleine schreiben, aber einen Flughafen bauen eben nicht." Sie, so Hartmann weiter, beobachte, dass da eine junge Generation nachwachse, die viel mehr Wert auf das kollektive Arbeiten lege und für die der Namens- und Starkult weniger wichtiger sei. Für sie gelte: "Mehr kollektives Arbeiten, weniger Alleinvertretungsanspruch."
Karin Hartmann
Allerdings, und darüber sind wir uns beide schnell einig, hinkt die Realität immer noch weit hinterher. Der weitaus größte Teil der Architektinnen beispielsweise arbeite in Deutschland angestellt und nicht als Chefin in einem Büro. Auch spielt die Präsenzkultur in Deutschland noch eine große Rolle.
Ganz anders, erzählt Karin Hartmann, sei das in Skandinavien. Dort ende der Arbeitstag in der Regel um spätestens um 17 Uhr. Kinder, Familie und Care-Arbeit seien so viel leichter mit dem Berufsalltag vereinbar.
Über noch einen interessanten Aspekt unterhielten wir uns: das Urheberrecht in der Architektur. Tatsächlich hat, wer baut, ein Anrecht darauf, dass dieser Bau erstens genauso ausgeführt und ohne Absprache nicht verändert werden dürfe. Eine Art Copyright also. Genau darüber hatte ich gerade in der letzten Wohnlage auch mit Peter Cachola Schmal gesprochen: So konnte und durfte das Deutsche Architekturmuseum in Frankfurt bei der großen Renovierung der letzten Jahre baulich nicht groß verändert werden, denn es steht unter Denkmalschutz und die Tochter des Architekten Oswald Mathias Ungers wacht darüber. Ein weiterer Aspekt, dass in Deutschland, so höre ich es jetzt auch von Karin Hartmann, die "Autorenschaft" in der Architektur immer noch eine so große Rolle spielt.
Wichtig für Karin Hartmann war noch: Das Festival spricht nicht nur Architektinnen an, sondern auch Ingenieurinnen, Architekturfotografinnen und Planerinnen, ob nun im privat geführten Büro, in Verwaltung oder Politik. Das große Ziel sei eine Vernetzung über die eigene Bubble hinaus: "Es wäre schön, wenn sich alle Planerinnen, die sich für Gleichstellung einsetzen, bei dem Festival miteinander austauschen und dann vor allem konkrete Initiativen für die nahe Zukunft planen."
Ich dachte während des Gesprächs immer wieder an den Titel eines Kinderbuches meiner Söhne. "Bob, der Baumeister" hieß es. Es hatte nur entfernt mit Architektur zu tun, denn Bob leitet eine Art Bauhof. Und trotzdem passt es zum Thema. Denn als ich jetzt im Web nach "Baumeisterin" im Kontext mit dem Kinderbuch recherchierte, antwortete die KI: "Ja, es gibt Bob der Baumeister auch als Baumeisterin. Im Team von Bob der Baumeister ist Wendy eine Baupartnerin und Elektrikerin. Sie arbeitet eng mit Bob zusammen und ist eine wichtige Figur in der Serie."
Eine "wichtige Figur" ist allerdings weit entfernt von einer echten Chefin und daher, sorry liebe KI, eben auch nicht eine "Baumeisterin". Es gibt viel zu tun.