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"Hört auf zu bauen" ist gerade ein beliebter Satz, wenn es um die Klimaschädlichkeit der Bauindustrie geht. Werden wir hier im Museum bald eine Ausstellung dazu sehen können?
Peter Cachola Schmal: Auf keinen Fall. Natürlich sind diese Worte als Provokation gedacht, hat ja auch funktioniert und ist längst sehr populär. Aber sie sind auch totaler Quatsch.
Da schwimmen Sie gegen den Zeitgeist in der Architekturkritik…
Ja, und das tue ich ganz bewusst. Es ist eine Realitätsverweigerung, wenn wir so tun, als würden wir nicht weiterwachsen. Wir sind 8 Milliarden Menschen heute, davon sind 3 Milliarden unter 18 Jahren. Und alle diese Menschen, die jetzt noch minderjährig sind und bei ihren Eltern wohnen, werden eines Tages ein selbstständiges Leben führen, und brauchen daher alles: Wohnungen, Arbeitsplätze usw. eine weitere gute, und modern gebaute Umwelt. Und das gilt auch für Deutschland. Es gibt den demografischen Wandel, ja, aber dank der Einwanderung schrumpfen wir nicht, anders als Osteuropa, China, Japan usw. Wir brauchen daher mehr Wachstum.
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Es herrscht viel Leerstand auf dem Land. Warum nicht den nutzen statt die Städte weiter zu verdichten?
Weil wir nicht von oben steuern können, was sich Menschen wünschen. Es gibt Gegenden, in denen wir wohnen wollen und in anderen nicht. Das kann sich auch wieder ändern, aber diese Diskussion über Nicht-Wachstum und Nicht-Bauen ist zu sehr aus unserer Perspektive gedacht. Ich halte das für eine Scheindiskussion…
Die wovon ablenken soll?
Davon, dass wir vor allem intelligenter bauen sollten: Wir leben immer noch im Land der Ingenieure. Wir brauchen Erfindungen, gute Ideen.
Peter Cachola Schmal
Ein Beispiel?
Beton ist ja nicht per se ein großer CO²-Treiber, sondern es geht nur um den Zement im Beton. Wir könnten zum Beispiel den Ausstoß von Kohlendioxiden bei der Zementproduktion um gut zwei Drittel senken, wenn wir neuartige Methoden erfinden. Dazu gibt es großartige Forschungsergebnisse.
Vielleicht wollen sich die Leute nicht zu Sprechern der Beton-Lobby machen lassen?
Es geht nicht um PR, sondern um wahrheitsgetreue Berichterstattung. Neulich erzählte mir jemand aus der Branche: "Wenn wir eine Pressekonferenz über CO2-reduzierende Verfahren in der Betonherstellung machen, kommt keiner. Beton ist out, alle reden nur über Holzbau. Doch die meisten Bauten sind aus Beton, das wäre ein echter Hebel.
Ich plane gerade eine nächste Wohnlagen-Folge zum Holzbau…
Klar, passt. Alle machen das. Dabei vergessen wir, dass Holz ein endlicher Rohstoff ist. Was wir heute abholzen, braucht Jahrzehnte, um nachzuwachsen. Je mehr darüber schreiben, desto schneller wird Holz knapp.
Also keine Ausstellung zum "Baustopp". Was dann?
Wir sind kein Haus (mehr), das sich hauptsächlich um theoretische Diskussionen über formale architektonische Entwicklungen kümmert. Mir geht es mehr um den praktischen Nutzen, den die Menschen mitnehmen, wenn Sie unser Haus nach einem Besuch wieder verlassen. Und dass sie selbst aktiv werden…
Das Deutsche Architekturmuseum (DAM) gibt es seit 1984 am Schaumainkai in Frankfurt am Main. Der Kölner Architekt Oswald Mathias Ungers errichtete nach der Entkernung der historischen Villa im Innern eine Haus-Im-Haus-Konstruktion aus Stahlbeton. Seit 2021 wurde das Haus vor allem energetisch und technisch saniert. Seit Juni 2025 ist es wieder geöffnet.
Ein Beispiel?
2021 haben wir die Ausstellung "Einfach Grün" gemacht. Es ging darum, zu zeigen, wie einfach es ist, mehr Grün in die Städte zu bringen und dass es jeder tun kann. Durch Gründächer, begrünte Fassaden, kleine Pflanzinseln. Das war handfest und eine praktische Hilfe. Wir haben aufgerufen, eigene Beispiele einzureichen. Das haben die Leute gerne gemacht. In der nächsten Ausstellung ging es um das Thema Umbauen statt Abreißen, da haben wir Beispiele gezeigt, die vom Abriss bedroht waren. Mittlerweile werden in Frankfurt am Main zwei dieser Beispiele neu bewertet und ihr Umbau geplant, das Juridicum der Goethe-Uni und die ehemalige Telekom-Zentrale im Ostend.
Jetzt läuft eine Ausstellung über Stadtentwicklung. Da ist viel die Rede von Partizipation, Beteiligung der Bevölkerung usw. Ich lebe in der Hafencity in Hamburg und habe in den letzten Jahren viele Veranstaltungen zum Thema Beteiligung mitgemacht. Ehrlich gesagt bin ich mittlerweile total frustriert, denn so vieles von dem, was wir uns da wünschen, wird einfach ignoriert, zum Beispiel der Wunsch nach mehr Grün, weniger Verkehr…
Ich kann zu Ihrem Fall wenig sagen. Die Partizipation ist aber ein zweischneidiges Schwert. Wir wollen als Bewohner und Anlieger auf der einen Seite ernst genommen werden, beklagen auf der anderen Seite aber den Wohnungsmangel und die langsamen Entscheidungen. Denn wir selber verhindern als NIMBYS (Not in my backyard) manchmal Entwicklungen, die für die Allgemeinheit vorteilhaft wären, wie neue Wohngebiete, die aber gegen unser Partikularinteresse verstoßen, weil sie eben in unserer Nachbarschaft entstehen.
Noch eine Frage zu Ihrem Haus: Es ist das einzige Haus seiner Art in Deutschland, aber es liegt in Frankfurt am Main und heißt "Deutsches Architektur Museum". Wird das Haus vom Bund finanziert?
Nein. Wir sind ein Museum der Stadt Frankfurt. Der Name ist eine geniale Marketingidee des damaligen Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann. 1979 wurde das "Museumsufer" in Frankfurt erfunden. Und ganz neuartige Museen für Deutschland gegründet, die diesen Namen besetzen konnten. Unser Nachbar ist das "Deutsche Filmmuseum". Wir bemühen uns, diesem großen Anspruch gerecht zu werden.
Beneiden andere Häuser Sie um diesen Namen?
Absolut. Ich weiß, dass meine Kolleginnen in Wien seit Jahren probieren, den Namen ihres Hauses "Architekturzentrum Wien" umzuwandeln in "Austrian Architecture Museum (AAM)" oder ähnliches. Aber das klappt nicht. Ich würde es ihnen wünschen.
PS: Beim Hessischen Sommer der Wohnprojekte öffnen Wohnprojekte noch bis 30. September ihre Türen; dazu gibt es viele begleitende Info-Veranstaltungen.